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Farce am Popfest 2022

Franz Reiterer

jahresrückblick

Die besten Songs des Jahres 2022 aus Österreich

Der ausführliche Jahresrückblick der FM4 Soundpark-Redaktion.

Einmal im Jahr stecken wir, die wir auf FM4 mit österreichischen Bands und Künstler:innen arbeiten, unsere Köpfe zusammen und versuchen, die großen Entwicklungen, aber auch die Song-Highlights des Jahres in der heimischen Musikszene zusammenzufassen. Das Resultat, einen runden Tisch mit anschließenden individuellen Jahresrückblicks-Segmenten gibt es dann in der letzten Soundpark-Nacht des Jahres zu hören - so auch heuer wieder.

Was uns sonst zum Popjahr 2022 aus österreichischer Sicht eingefallen ist, lest ihr hier:

Alex Augustin

2022 war definitiv ein gutes Jahr für feministischen Pop, Rock und Punk! Fantastische Alben sind erschienen, etwa im April von Bipolar Feminin: Die Wiener Band veröffentlichte am 1. April die Debut-EP Piccolo Family auf Numavi Records. Das feine Label, das zwischen Wien und Graz beheimatet ist, hat auch die Platte 0 2 9 der Grazer Band Oxyjane im Katalog. Da treffen Grunge-versunkene, verträumte Harmonien auf abrupte Takt- oder Tempowechsel, glühende Gitarrenparts und eingängige Gesangsmelodien. Man muss an 1990er-Jahre-Held:innen wie Mazzy Star denken oder auch an Oxyjane-Vorbilder wie Wolf Alice.

Des Weiteren hatte heuer die Wiener Band Schapka (Шaпκa) etwas zu feiern: 2012 hat sich die Band formiert und zum 10. Geburtstag gab es im Oktober die Platte „Schall-Bumm“: Hits wie „Männerersatz“ zeigen auf, was unsere patriarchale Gesellschaft für Schaden anrichtet. Banger wie Mein Fell mit Kerosin95 zeichnen einen Sommertag frei von gewohnten Konventionen. Gemeinsam mit ihren Freund:innen wie Kerosin95 und KMT besingen, beschreien und berappen sie Themen, die wichtiger nicht sein könnten: von Körperbehaarung zu Polizeigewalt („Scheiß Kiwarei“). Auch von Yasmo und ihrer Klangkantine gab es 2022 eine Extraportion Gesellschaftskritik serviert: Laut und Lost nennt sich die Platte, die im Oktober bei Ink Music erschienen ist. Gelungen ist die Zusammenarbeit mit Mira Lu Kovacs für das Lied 100K.

Zu einer der besten und auch lautesten Bands des Landes hat sich außerdem die Wiener Band Leftovers gemausert. Im Mai haben sie ihre erste große Show gespielt und in Rekordzeit das Wiener Flex restlos ausverkauft. Ihr Debüt „Krach“ wird sich nahtlos einreihen in den Kanon der besten Punkplatten aller Zeiten aus Österreich. Musik, die einer wütenden, jungen Generation aus der Seele spricht.
Ebenso gelungen und nicht minder krachig: Cryptic Commands und ihr im April erschienenes Werk Long Distance Call (Numavi Records).

Das Beste folgt bekanntlich oft am Schluss: Die EP Peace von Modecenter (Rock is Hell/ Siluh Records/ A-LO Records) gab’s im November auf die Ohren. Große Empfehlung und als Platte, digital und sogar als Audiokassette erhältlich. Auch Einzelwerke mit Ohrwurmpotenzial waren heuer zur Genüge mit dabei: Etwa „Garten=Leben“ von den Franz Fuexen (Honigdachs/ Hoanzl), außerdem eine neue Band mit dem schönen Namen NIX und ihre Nummer namens Bier.

Vom Bandwettbewerb direkt ins Radio hat es auch die junge Band Manic Days geschafft: Die Debüt-EP „Crash“ ist Rockmusik auf höchstem Niveau. Nicht schlecht für so eine junge Band, deren Mitglieder im Schnitt kaum 20 Jahre alt sind. Auch sehr schön ist das Werk „Die Singles“ des Musikers Gran Bankrott: ein Multiversum einer multimedialen Wiener Szene. Gran Bankrott hat im apokalyptischen Zeitraum 2020 bis 2022 sechs Musikkurzfilme veröffentlicht, die ihn und seine Alter Egos in Wien verorten, entführen, singen, tanzen und quälen lassen. „Die Singles“ wird als Konzeptalbum, Ausstellung, Konzert und Screening im Frühjahr 2023 präsentiert werden. Anspieltipp: Die Nummer „Nichts hilft“ gemeinsam mit Lina Liquid.

Clemens Fantur

Ich muss zugeben, dass ich mich schon wirklich sehr darüber gefreut habe, ein bisserl früher als andere in das neue Album von Dorian Concept mit dem schönen Namen What we do for others hineinhören zu dürfen. Der gute Oliver Johnson, der bekanntermaßen gemeinsamen mit Anna Mabo das Wiener Popfest 2023 kuratieren wird, ist ja auch dafür bekannt, dass er sich gerne länger Zeit gibt zwischen zwei Releases. Deshalb war die Aufregung und Freude umso größer, als dann diesen Herbst das neue Album auf Brainfeeder erscheinen ist. Nur Kamp lässt noch mehr Zeit zwischen zwei Veröffentlichungen vergehen. Ganze 13 Jahre waren es zwischen “VOZ” (Versager ohne Zukunft) und dem heuer erschienenem Meisterwerk “Zurück ohne Zukunft”, das ich bereits hier abgefeiert habe.

Auch sehr schön war es mit René Mühlberger alias PRESSYES diesen Mai, als wir zusammen mit ihm und seiner Band im Studio auf Reisen gingen. Ich liebe „Atlantic Ocean Spray“. Die Session war großartig.

Apropos großartig: Auch Sakura ist großartig. Ich liebe Bigger Picture.

Und apropos Liebe: ich muss ja zugeben, ich hasse „Kalt und Kälter“ von S.T.S. Ich weiß, „Hass“ ist ein starkes Wort, aber es gibt da für mich eine feine „Mir steigt das Geimpfte auf“-Austropop-Linie und die ist bei diesem Song überschritten. Aber was Mira Lu Kovacs & Clemens Wenger aus und mit diesem Song gemacht haben, das liebe ich sehr.

Und zu guter Letzt bleibt mir nur noch, uns allen W1ZE ans Herz zu legen, denn ich glaube, noch viel zu wenigen da draußen scheint wirklich bewusst zu sein, dass wir es hier mit einem echten Popstar zu tun haben bzw. hoffentlich schon bald zu tun haben werden. Hier stimmt nämlich so ziemlich alles und W1ZE bringt auch so ziemlich all das mit, was ein echter Popstar braucht. Gute Songs, eine gute Stimme, Attitude, eine Message, den Mut und das Selbstverständnis zur großen Geste und vor allem auch eine fantastische Bühnenpräsenz. W1ZE scheint bereit zu sein für den großen Durchbruch. Ich würd mir so sehr wünschen, dass auch Österreich dazu bereit ist.

Und zu guter Letzt-Letzt noch ein paar Mentions:

Bester Bandname: Flirtmachine
Bester Albumtitel: „Die neue Heiterkeit“ von Sophia Blenda
Zweitbester Albumtitel: „Das Album, das schon 2020 erscheinen sollte“ von Yugo

Andreas Gstettner-Brugger

Dass die Konzertmaschinerie wieder langsam ins Laufen gekommen ist, hat sich veröffentlichungstechnisch in diesem Jahr bemerkbar gemacht. Die pandemiebedingte Flut an Veröffentlichungen der letzten zwei Jahre ist etwas abgeebbt, wobei es wieder viele wunderbare Singles und Alben gegeben hat. Eine der größten Überraschungen war für mich das Solo-Projekt von Giovanna Fartacek, Berglind. In poetischen Texten singt Giovanna erstmals auf Deutsch, und das mit einem hypnotischen, dunklen Timbre. Die erste Single „Träum lauter“ hat mich mit ihrem klanglichen Sog, den melancholisch schönen Melodien und dem breit angelegten Refrain umgeworfen. Ganz zu schweigen von der hervorragenden Produktion.
Ebenfalls deutschsprachigen, poetischen Pop macht Ari Oehl, der nach dem Ausstieg von Hjörtur Hjörleifsson mit „Keine Blumen“ das Projekt quasi solo weiterführt, wobei er immer noch viel Unterstützung von Gastmusiker:innen bekommt. Es ist ein Album geworden, das sich viel mit Tod und Abschieden auseinandersetzt und gleichzeitig die Hoffnung immer mitschwingen lässt.

Hoffnung auf ein besseres Zusammenleben über soziale und kulturelle Grenzen hinweg wandelt das Geschwisterpaar EsRap in strahlend kraftvolle Songs um. Auf dem neuen Album „Mamafih“ zeigen sich die beiden dieses Jahr nicht nur von ihrer wütenden, sondern auch von ihrer verletzlichen Seite. Ein großer Schritt für EsRap, wobei ihre gesellschaftspolitisch motivierten Aufrufe zu Toleranz und Selbstschutz vor rassistischen Systemen nicht zu kurz kommen.
Ein bisschen zurückgelehnter gehen es dieses Jahr Cari Cari an, die uns mit „Welcome To Kookoo Island“ auf ihre experimentelle und psychedelisch klingende utopische Insel einladen. Hier darf jede:r so sein, wie sie und er ist. Und vor allem die beiden dürfen genau das machen, was sie am Liebsten tun: Mit kindlicher Freude und Entdeckergeist das eigene musikalische Universum erforschen. Wie bei dem Song „Around The Bend“.
Neues aus Graz hat uns Paul Pfleger beschert, ehemals Gitarrist und Sänger bei Polkov. Mit Paul & Pets ist er dem liebevoll verhuschten Elektropop in seinem Heimstudio nachgegangen und hat sich sogar zu einem wundervollen Cover hinreißen lassen: „I‘m Always Here“, das in seiner Tiefenentspanntheit erst beim Refrain an das Original denken lässt, die Untermalung zu den am Strand von Malibu dahinlaufenden Rettungsschwimmern.

Mit viel Witz und Lärm, mit Spaß und spontaner Energieentladung haben LUEK, Lukas Maletzky, Sänger von Naked Cameo, und Musiker und Produzent Marco Kleebauer im Studio ihren musikalischen Ideen freien Lauf gelassen. Entstanden ist bei einem gepflegtem „EU Breakfast“ die Platte „Yada Yada Yada“, eine wilde Stil-Achterbahnfahrt, die sowohl dem jungen Beck als auch Mike Patton Freude bereiten würde.
Große Freude hatten auch Anna Müller und Paul Wallner alias HVOB, als sie in ihrem Studio ihre beiden musikalischen Extreme aufeinanderprallen haben lassen. So finden sich auf dem dieses Jahr erscheinendem Album „too“ sanfte, atmosphärische Elemente neben knüppelhartem Techno und dancigen Clubtracks. Auch inhaltlich ist es ein Album, das zwischen verzweifelten Momenten der verlorenen Zugehörigkeit und des Zweifels und hoffnungsvollen, euphorischen Momenten hin und her pendelt. Hervorzuheben der organisch klingendste Track „The Lack Of You“, der viele Elemente der Platte in sich vereint.

Neben all den Platten haben mich dieses Jahr die Songs von filous, David Arcos, Violetta Parisini, Aze, Mile & Flip und Yasmo und die Klangkantine begleitet. Außerdem hat Sophie Lindinger ihre grandiosen Solo-Songs wie „15 Years“ veröffentlicht. Ein Album wird im Februar 2023 erscheinen. Auch Clara Luzia veröffentlicht eine neue Platte im Jänner und im März wird es ein neues Werk von Sharktank geben. Also schon einige musikalische Highlights aus Österreich, auf die wir uns im ersten Quartal des neuen Jahres freuen können. Also wünsche ich Euch allen eine schöne Weihnachtszeit, einen guten Rutsch ins neue Jahr und lasse Euch noch einen meiner Lieblingssongs 2022 hier: Florence Arman „Stupid Heart“, mit diesem grandiosen Video. Möge 2023 auch für Florence ein gutes Jahr werden.

Alica Ouschan

Für mich haben sich im vergangenen Jahr zwei Merkmale der österreichischen Musiklandschaft herauskristallisiert. Als erste und wichtigste gute Nachricht: Der Punk ist wieder da! Jung, fetzig, frech, mit klugen Texten und ganz viel Unmut, dem lautstark Luft gemacht werden muss. Sei das die Wiener Punkband Leftovers die mit poetischen Texten und Fuck-It-Attitude Türen eintritt, der in Wien lebende und aus Graz stammende Salò, der aktuell im gesamten deutschsprachigen Raum als einer der vielversprechendsten Nachwuchskünstler aus Österreich gehandelt wird und mit NDW-Ästhetik und Wiener Grind mitreißenden Post-Punk macht oder auch feministische Punkbands wie Bipolar Feminin oder Schapka, die der patriarchalischen und misogyn geprägten österreichischen Musikszene Feuer unterm Arsch machen.

An diese wundervolle Entwicklung, die vor allem junges Publikum in die heiligen Konzerthallen des Landes zieht, um sie dort standesgemäß im Moshpit zu entweihen, reiht sich eine weitere Beobachtung, die mir das Jahr versüßt hat. Internationale HipHop- und R’n’B-Größen wie Drake oder Beyoncé haben Dance-Alben mit Samples aus bekannten und nischigeren House-Nummern veröffentlicht. Ich persönlich war kein Fan davon – bis österreichische Rapper:innen, vor allem Frauen, es ihnen gleich getan haben und mich von diesem Trend überzeugt haben. Einerseits war da Donna Savage, die mit Crush völlig unerwartet einen Banger rausgefetzt hat, der im Club nicht zuletzt wegen der Ähnlichkeit mit dem viral gegangenen Track FVN! der andalusischen Rapperin LVL1 gnadenlos alle auf den Floor zieht. Andererseits ist die absolute amazing pretty cute wonderful Superwoman Keke nach zweijähriger Pause endlich wieder da und sie hat schon wieder eine Hymne der Ermächtigung abgeliefert. Schon 2020 war sie mit „Ladies“ an der Spitze meiner persönlichen Charts aus Österreich. Jetzt hat sie mit Thick bewiesen, dass das kein Glücksgriff, sondern ein zielsicheres Manöver war, mit dem sie durchaus erneut, wenn nicht noch heftiger angreifen kann. „My body ain’t a trend, das ist meine Existenz”, sagt Keke. Menschen sollen unabhängig von Kleidergröße und Körperbau einfach nur existieren dürfen und sich schön fühlen, so wie sie sind. Die cleveren Lines rappt Keke gekonnt über einen fetzigen House-Beat, der die Nummer zu einem perfekten Soundtrack zum Vorspann einer legendären Clubnacht macht.

Weitere honorable Mentions, neue Entdeckungen und heimische Lieblingslieder, die an dieser Stelle mindestens ebenso hoch gelobt werden müssen sind unter anderem W1ZE, Verifiziert, Bibiza, Eli Preiss und Arai aus der Ecke Hip-Hop und Artverwandtes. Besonders viele Blumen bekommt außerdem Kerosin95. Mit Trans Agenda Dynastie und dem gleichnamigen Album hat Kerosin95 eine neue Ära eingeläutet, die schon lange überfällig ist. So ziemt es sich auch, volle Breitseite verbal auf alles und jede*n einzudreschen, der Mensch dessen Existenz absprechen will. Mittelfinger hoch, gegen Normen und Binarität. Queerness zu zelebrieren braucht keinen Anlass. Die „Trans Agenda Dynastie“ ist eine queere Utopie, in der Diskriminierung und Transphobie keinen Millimeter Platz haben. Kerosin95 liefert damit einen der wichtigsten Polit-Songs und eine Hymne des Jahres.

Ausnahmetalent salute hat heuer einmal mehr bewiesen, dass österreichische Größen der elektronischen Musik auch internationale Wellen schlagen. Vielversprechend war außerdem der erste Release des Duos Club Apollo, die mit ihrem ersten Track Morte Bella einen (ich weiß gar nicht wie ich’s anders sagen soll) perfekten November-Song gemacht haben. Und wer mich und meine Musiksendungen kennt oder mich vielleicht sogar schonmal in meinem heißgeliebten Nebenjob als DJ billie stylish erlebt hat, weiß: Es wäre nicht mein persönliches Fazit, wenn es gegen Ende hin nicht nochmal ganz weit Out-of-the-Box und rein in so manchen richtig weirden Shit ginge. Da wäre zum einen die Künstlerin Filly, die mich mit jedem ihrer bis dato releasten Tracks abholt – und zwar von irgendwo, ich weiß eigentlich gar nicht genau, wo das ist. Ihr überproduzierter, nach Plastik klingender Elektro-Hyper-Hardstyle-Pop fährt mir einfach direkt ins Herz. Überhaupt habe ich heuer meine Liebe zum kontroversen Genre des Happy Hardcore entdeckt, nicht zuletzt wegen dem Set des fantastischen DJ Schinkensuppe, der nicht nur durch seinen denkwürdigen Namen, sondern auch durch seine Soundproduktionen überzeugt. Ich verneige mich vor der heimischen Musikszene, die mir erneut gezeigt hat, dass Musik noch lange nicht zu Ende gedacht wurde, verschwimmende Genre-Grenzen zukunftsträchtig sind und neue Superstars immer genau dann aufpoppen, wenn wir sie am wenigsten erwarten.

Michaela Pichler

In einer Jahresbestenliste dürfen zwei Dinge auf keinen Fall fehlen: Zum einen sind das Artists und Bands, die man schon seit Längerem liebgewonnen hat und die einen immer wieder packen, Jahr für Jahr, Release für Release; zum anderen sind das die ganz neuen Hoffnungen, die noch nicht da Gewesenen und Gehörten, in die man sich neu verlieben darf. Und weil 2022 ein gutes Musikjahr für österreichische Künstler:innen und deren Fans war, ist auch in dieser Liste beides vertreten - juhu!

Zur Kategorie Newcomer, die sich dieses Jahr in meine Gehörgänge und in meine Spotify-Wrapped-Liste gespielt haben, zählen zum Beispiel Cousines like Shit. Momentan sind die Salzburgerinnen Hannah Breitfuß und Laura Breitfuß mit ihrer Band gerade der FM4 Soundpark Act im Dezember. Die beiden (echten!) Cousinen haben heuer ihre erste EP „Young and Online“ veröffentlicht, die Spitze der FM4 Charts mit der Lo-Fi-Perle „Over Night“ angeführt und konzerttechnisch hat es sie bis nach New York City verschlagen. Die Pläne fürs Musikjahr 2023 stehen auch schon, da wollen Cousines like Shit ihr Debütalbum veröffentlichen.
Apropos Debüt: Auch noch gekommen, um zu bleiben, sind die vier Musiker*innen von Laundromat Chicks. Rund um den St. Pöltner Songschreiber Tobias Hammermüller fabriziert das Quartett besten early Post Punk, den man sich optimalerweise in dunklen Kellern gibt. So geschehen auch beim heurigen Waves Vienna Festival, wo Laundromat Chicks ihre ersten Superfans um sich geschart haben und zwischen Instrumente-Wechsel, Plektrum-Verlusten und Mundharmonika-Einlagen Songs wie „You’re On The Line“ zum Besten gegeben haben. Klingt auch aus der Dose hervorragend.

Nun fehlen da natürlich auch noch die vielen Namen aus Kategorie 1 - sprich Lieblingsacts, die nie enttäuschen. Neben bekannten Namen wie Dives, Pauls Jets oder die schon weiter oben zu Recht gefeierte Sophia Blenda darf eine Künstlerin nicht fehlen: Warum Farce auch 2022 eine Ausnahmekünstlerin ist, dafür gibt es viele schon genannte Gründe. Für ihr Talent und ihren internationalen Sound wurde Farce heuer auch mit dem XA Award ausgezeichnet. Damit geht es für die Wahlwienerin demnächst auch auf Festivalbühnen außerhalb der österreichischen Ländergrenzen. Denn den Farce’schen Pop, den haben wirklich alle verdient.

Lisa Schneider

„Keine Bestenliste ohne Veronika König“, hab ich letztes Jahr an dieser Stelle geschrieben, man darf das jetzt schon als kleine How-To-Soundparkrückblick-Regel verstehen, weil heuer gilt natürlich dasselbe. Als Farce hat sie heuer im Sommer ihr aktuelles Album „Not To Regress“ veröffentlicht, und falls ihr euch noch fragt, inwiefern man den prinzipiell schrecklichen Begriff „Zugänglichkeit“ im Pop neu denken kann, this is proof. Da muss man dann schon auch noch das heurige Wiener Popfest bedenken, bzw. den erinnerungswürdigen Moment, als genau diese große Farce einen Headliner-Slot auf der Seebühne – allein! - gespielt hat. Wummernde Glückseligkeit zwischen ihren eigenen Superhits wie Trophy Wife (ich bedanke mich an der Stelle für den besten Merch heuer, inklusive T-Shirts mit eben diesem Aufdruck) und tränentreibenden Nostalgie-Coverklassikern wie Kiss Me. So geht Pop im Jahr 2022.

Wie er auch geht, und wie er ganz anders geht, haben viele von uns heuer zum ersten Mal ebenfalls am Wiener Popfest – und diesmal während des traditionellen Musikdiensts am Sonntagabend in der Karlskirche – erlebt. Sophia Blenda hat mit Die neue Heiterkeit im August schon ein Album des Jahres rausgebracht, das ist klar ab dem ersten Ton und der ersten Zeile, und wer das alles noch nie gehört hat, der oder dem sei die liedgewordene Meistererzählung Fun empfohlen.

Auch auf die Jahresabschlussbestenliste gehört das beste österreichische Postpunkalbum des Jahres Bei Tageslicht von Ein Gespenst (Grüße und Gratulation an dieser Stelle nochmal an Elias Hirschl, der nicht nur um den Bachmannpreis gelesen, sondern auch den Publikumspreis mit nach Hause genommen hat!); gehört außerdem die beste Hymne der durchzechten Nacht Pop Sent von Thirsty Eyes; gehört die subtilste, weichste, einfachste und deshalb beste Popnummer des Jahres „We Move“ von AZE; und gehört, gerade erst veröffentlicht, Ghost von Lonely Inc. Das ist ein Lied, wie es in den Playlists zwischen Alex G oder Current Joys sitzen muss, Referenzenzirkus jedenfalls hin oder her: so klingt gute Musik.

Und für jemanden, dessen Top 5 im Spotify Wrapped fast ausschließlich aus Songs von Taylor Swift bestehen (da stimmt was nicht ganz, aber das behaupten eh alle, und vermutlich stimmt’s genau deshalb wieder schon) ist die Freude besonders groß, hier ein letztes Lied des Jahres zu highlighten. Ein Einzelgänger unter diesen Top 5 ist ein Spaß im Go-To-Format, ist von vorne bis hinten ein großes „alles-richtig-Gemacht“, ist Bibizas und Molas „viertelnachvier“. Sehr gut, auch weil, ähem, sehr zugänglich.

Stefan Trischler

Die große Geschichte im österreichischen HipHop war 2022 natürlich die Rückkehr von Kamp, diesmal an der Seite von Superproducer Fid Mella. Nach dreizehn Jahren Pause schließt er quasi direkt an das wegweisende Versager Ohne Zukunft-Album an, mit Geschichten aus seinem potscherten Leben, persönlichen Tragödien, aber auch einem sehr versöhnlichen Ausgang - ganz große Rap-Poesie! Im Dialektrap war heuer der Kardinator der Maßstab für Punchlines mit staubtrockenem Humor. Kitana hat mit ihrem Album ‚Lorbeer‘, den Singles davor und der Zeile Inspiriert von Franz Kafka, Motherfucker begeistert.
Viel Potenzial für clubtaugliche Tracks hat dieses Jahr der junge Wiener Rapper Bouncy gezeigt und die Strassenhymnen von Roko von der Tanke waren live extrem mitreißend. Der größte Smash-Hit 2022 war aber Crush von Donna Savage, bei dem ihr Produzent Brenk Sinatra sein umfangreiches Wissen über die Dancemusik der 90er Jahre einmal so richtig ausleben konnte:

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