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Ein Kind kauert vor einem Hund, in der Natur

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Gutenachtgeschichte

Todors Tochter will ihr Sandwich mit einem Hund teilen. Das kommt leider nicht bei allen gut an.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Meine Tochter will die Hälfte ihres Sandwiches einem Hund geben. Der Hund ist vor einem Lebensmittelgeschäft angebunden und macht sich offensichtlich Sorgen um seinen Eigentümer, der drinnen ist. Er bellt und zieht an der Leine. Meine Tochter glaubt, der Hund sei hungrig. Deshalb nimmt sie die Hälfte von ihrem Sandwich und will sie dem Hund geben. Ich versuche, sie aufzuhalten. Ich erkläre ihr, man soll unbekannte Hunde nicht füttern. Der Hund könnte sich bedroht fühlen und sie beißen.

Meine Tochter versteht das nicht. Was soll denn das? In den Büchern, die wir zum Einschlafen lesen, wird ja erzählt, man solle sein Brot mit anderen teilen. Ich bleibe still, da ich nicht weiß, was ich erwidern soll. Wenn ich den Büchern, die wir zum Einschlafen lesen, widerspreche, was lese ich ihr dann zum Einschlafen vor?

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Ich erzähle ihr wie meine Mutter, ihre Oma, vor Jahren versuchte, einen Bernhardiner vor einem Geschäft zu streicheln. „Das sind die liebsten Hunde der Welt!“, sagte sie damals. Im nächsten Moment hatte dieser liebe Hund ihre Hand bis zum Ellenbogen im Maul. Sie musste danach im Spital aufgenommen werden. Meine Tochter glaubt mir nicht. Sie weiß ganz genau, dass ihre Oma zwei Hände hat und kann es nicht akzeptieren, dass sie von einem Hund gebissen worden sein soll.

In diesem Moment kommt die Eigentümerin des Hundes – eine ältere Dame mit einer blauen Haube - hinzu. Sie sieht, wie wir mit einem halben Sandwich vor ihrem Hund stehen. Sie schreit uns an. Wahrscheinlich glaubt sie, wir wären Hundehasser, die ihren Hund vergiften möchten. Sie schaut uns mit so viel Hass an, ich wundere mich, dass sie nicht versucht, uns zu vergiften. Ich bin den Tränen nahe, doch meine Tochter hält die Beschimpfungen stoisch aus. Sie lächelt die Dame an und sagt freundlich „Auf Wiedersehen!“

Bald danach sind wir zu Hause und meine Tochter erzählt ihrer Mutter, dass sie vor dem Lebensmittelgeschäft auf eine Tante mit einer blauen Haube traf, die an der Leine angebunden war. Sie wollte ihr ein halbes Sandwich geben, aber die Tante sei böse gewesen und wollte sie beißen. Sie wollte ihr die Hand bis zum Ellenbogen abbeißen. „Gibt niemals Tanten vor dem Lebensmittelgeschäft ein halbes Sandwich! Gib ihnen ein ganzes Sandwich!“, sagte sie mit erhobenem Zeigefinger.

Ich beruhige mich. Es hat doch einen Sinn, Geschichten vorzulesen, die über das Gute im Menschen erzählen. Frohe Weihnachten!

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