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Szene aus "I wanna dance with somebady"

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„I wanna dance with somebody“ - ein bemerkenswert uninspiriertes Biopic

2012 ist Whitney Houston, deren Stimmumfang größer war als sie selbst, gestorben. Mit 48 Jahren, nach einer raketenhaften Karriere und dem unweigerlich tiefen Fall in den frühen Tod. Nun wurde ihre Geschichte mit großem Budget von Hollywood verfilmt, geschrieben von „Bohemian Rapsody“- Autor Anthony McCarten und unter der Regie von Kasi Lemmons.

Von Anna Katharina Laggner

Die Hauptrolle in „I wanna dance with somebody“ hat Naomie Ackie übernommen, sie singt freilich nicht selbst. Und auch sonst ist dieses, banal nach einem Songtitel von Whitney Houston benannte Biopic bemerkenswert uninspiriert.

Man könnte bereits in den ersten Sekunden erahnen, auf was man sich da einlässt: die Leinwand noch schwarz, haucht eine Stimme free, free ins Mikrophon. Subtil wird es in den nächsten zweieinhalb Stunden nicht abgehen, so viel ist da bereits sicher, aber wie groß diese Great American Pathos Show letztlich wird, das weiß man noch nicht. Und selbst nachdem man zweieinhalb Stunden im Kino gesessen ist, möchte man es fast nicht glauben (naiv vielleicht), dass der in den 1980er und 90er Jahren in den Klatschspalten der yellow press ausgebreitete, so genannte wahre Blick hinter die Kulissen noch einmal für die Leinwand durch die Wurstmaschine getrieben wurde.

Die Erzählstruktur von „I wanna dance with somebody“ verläuft chronologisch. Nur die Auftritte, etwa 1994 bei den American Music Awards oder 1988 beim Konzert für Nelson Mandela, sind durcheinandergewürfelt dazwischen eingestreut.

Alles beginnt also mit dem enthusiastischen Gospelsingen in der Kirche und dem Gesangsunterricht unter der unnachgiebigen Leitung der eigenen Mutter, auch sie eine Sängerin. Überhaupt die Eltern: die Mutter dirigiert, sowohl im übertragenen Sinne als auch buchstäblich, im Hintergrund. Der Vater ist ein Tyrann, der seiner erfolgreichen Tochter die kurzen Haare und die Liebesbeziehung mit ihrer Freundin und künftigen Managerin Robyn verbietet und später ihr Millionenvermögen verbuttert. Dass er nebenbei seine (asiatische) Sekretärin missbraucht, wird sanft angedeutet, es passt ins Bild und tut nicht weh.

Szene aus "I wanna dance with somebady"

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Dazwischen, wie gesagt: Auftritte und Songs in voller Länge. Die Schauspielerin Naomie Ackie legt sich ins Zeug, eine begnadete Sängerin darzustellen, die Kamera umkreist sie. Weil man von niemandem erwarten kann, Whitney Houston originalgetreu nachzusingen, ist das, was man hört, die Stimme von Whitney Houston. In vollem Dolby Surround hat das schon eine ordentliche Wucht. Wenn man aber sehen möchte, wie genial Kameras ein Konzert einfangen können, dann greift man besser zu „The Last Waltz“ von Martin Scorsese.

Naomie Ackie ist sicherlich eine gute Schauspielerin, aber das Drehbuch gibt ihr wenig Möglichkeit, eine etwas nuancenreichere Persönlichkeit darzustellen. Am ehesten gelingt das noch im Zusammenspiel mit Nafessa Williams, die Robyn Crawford spielt. Die Entwicklung von der Freundinnen- zur Lieb- und dann, unter Druck, zur Komplizinnenschaft hat so etwas wie Tiefe und berührt ehrlich. Abgesehen davon ist die Figur der Whitney Houston auf Stereotypen aufgehängt: zunächst dem der „Little Princess“ für die Eltern, dem der „Brand“ für den raffgierigen Vater, dem des „Babe“ für den offenkundig miserablen Ehemann Bobby Brown, dem des Wunderkinds für den Produzenten Clive Davis.

Davis, der Entdecker und Förderer, der in einer eindringlichen Szene im zweiten, dem tragischen Teil des Filmes versucht ihr zu vermitteln, dass sie die Drogen weniger im Griff hat als sie anzunehmen scheint (wie das eben so ist mit den Drogen), ist die einzige Figur in diesem Film, die immer gut zu ihr ist, nie in den geringsten Konflikt mit ihr gerät. Diese Figur ist fast zu gut, um wahr zu sein. Dann stellt man fest: der reale Clive Davis hat den Film mitproduziert. Und man versteht wieder alles.

Szene aus "I wanna dance with somebady"

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So ist die Sache von Anfang bis Ende ärgerlich: der latente Druck auf die Tränendrüse und das permanente Beschwören von Gänsehautmomenten, der Einsatz von nervöser Klaviermusik und düsteren Streichern bei den ersten Anzeichen für Gefahr an Leib und Leben der Sängerin, die schludrige Montage und der mangelnde Wille zum beherzten Schnitt. Das gilt genauso für das Aufgreifen von etwas komplizierteren Themen, etwa dem Vorwurf an die Afroamerikanerin Whitney Houston, sie sei als Sängerin nicht schwarz genug, und das sofortige Fallenlassen dieser Themen, bevor sie auch nur annähernd kontrovers werden könnten.

Natürlich hat man sich bei diesem Biopic kein gewagtes Experiment erwartet, aber nicht einmal den Versuch zu unternehmen, vom Klischee-Pfad ein wenig abzuweichen, das ist unverzeihlich. Die Showbiz-Krake beißt sich hier selbst in ihre zahlreichen Tentakel.

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