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Autor Dino Pešut

Karla Jurić

Daddy Issues: Ein Roman aus Kroatien über Väter und Söhne

Daddy Issues, der Begriff für ein recht vages Konzept, das erklären soll, warum sich manche Frauen und Männer immer wieder zu älteren Partner*innen hingezogen fühlen. Mit echten Daddy Issues hat auch Luka zu kämpfen. Der ist der Ich-Erzähler im gleichnamigen Roman des jungen kroatischen Autors Dino Pešut.

Von Martin Pieper

„Ich möchte tanzen. Und jemanden küssen. Und meinen eigenen Vater kennenlernen, bevor er stirbt.“

Das ist so einer dieser typischen Dino Pešut Sätze aus seinem Roman Daddy Issues, der jetzt vom Wiener Independent Verlag Text/Rahmen veröffentlicht und von Alida Bremer ins Deutsche übersetzt wurde. Gedacht und aufgeschrieben wird er von Luka, einem recht desperaten schwulen End-Zwanziger, der in Zagreb recht lustlos in einem Hotel an der Rezeption arbeitet. Luka ist ein Rückkehrer, sein Versuch in der Hipster-Metropole Berlin als angehender Künstler Fuß zu fassen, ist nach ein paar Monaten gescheitert. Seine Idee ein „richtiger“ Autor sein zu wollen, erscheint ihm mittlerweile selbst peinlich.

Autor Dino Pešut

Karla Jurić

Dino Pešut wurde 1990 im kroatischen Sisak geboren und studierte Drehbuch, Dramaturgie und Szenisches Schreiben in Zagreb.

Zudem erhält Luka zu Beginn des Romans eine schlimme Nachricht: Sein Vater hat Krebs, er könnte bald sterben. Was folgt ist eine langsame Annährung zweier völlig entfremdeter Menschen. Der schwule Hipster Luka versteckt seine „Daddy Issues“ hinter Zynismus und Lethargie, der Kontakt mit dem stets abwesenden Vater gestaltet sich schwierig. Zu viel Unausgesprochenes steht zwischen ihnen.

Mehr als eine Vater-Sohn Geschichte

Daddy Issues von Dino Pešut erzählt aber nicht nur eine universelle Vater-Sohn Geschichte, sondern schreibt auch über das moderne Kroatien, über Homophobie und Klassenfragen und über die Befindlichkeiten einer jungen Generation, die im Schatten des Jugoslawienkrieges aufgewachsen ist und zwischen Aufbruch in die europäischen Zentren und der Flucht in Drogen und alle möglichen Arten des Eskapismus pendelt. Dino Pešuts Blick auf das junge Kroatien fällt jedenfalls ernüchternd aus:

„Mein neuer Chef ist ein 24-jähriger Power Bottom, Mitglied der neuen goldenen Zagreber Jugend, die Kokain mit grünen Smoothies runterspült, und die Kriegs- und Wirtschaftsversprechen der Väter im Fitnessstudio verdrängt, oder bei häufigen Ausstellungsbesuchen im Ausland.“

Autofiktion und Popkultur

Daddy Issues ist ein autofiktionaler Roman. Da stellt sich weniger die Frage, ob etwas von Dino Pešut in seiner abgeklärt zynischen Hauptfigur Luka steckt, sondern nur wieviel. Man kann da durchaus an die Welle von vor allem französischen Büchern über Herkunft, Elternhaus und oft auch queerer Identität denken, etwa von Eduard Louis (Die letzten Tage von Eddie) oder Didier Eribon (Rückkehr nach Reims) denken. Die angenehm kurzen und kurzweiligen Kapitel von „Daddy Issues“ enthalten aber zusätzlich auch noch eine Menge Popkultur.

Buchcover "Daddy Issues" von Dino Pešut

Text/Rahmen

Dino Pešut: Daddy Issues; aus dem Kroatischen von Alida Bremer; 224 Seiten; erschienen beim Verlag Text/Rahmen

Es wird viel geschimpft und viel „gefickt“ in diesem Buch, die Übersetzung tut sich da mitunter schwer die Schimpftiraden des Vaters in eine authentische Sprache zu übertragen. Dino Pešut beobachtet die soziale Distinktionsmerkmale der junger Kroat*innen sehr genau. Er schreibt über diejenigen, die es nach London geschafft haben und auf Heimurlaub in Zagreb mit ihren Immobiliengeschäften angeben, über junge Erben, die von einer korrupten Vätergeneration mit Jobs und Einfluss versorgt werden und über eine queere Szene, die sich in Berlin austobt und zurück in Kroatien mit einer homophoben Gesellschaft konfrontiert ist.

Im Buch selbst schreibt Dino Pešut an einer Stelle ironisch, dass es um „schwule Identität zwischen alterndem Hipstertum und zynischer Romantik“ gehe. Da ist ein fiktiver Gedichtband gemeint, mit dem die Hauptfigur Luka seine Dichterkarriere beginnen wird. Das kann man auch gut auf Daddy Issues umlegen. Hinter all den popkulturellen Zitaten und Anspielungen, dem abgebrühten Weltekel der Hauptfigur schlägt in diesem Roman allerdings stets ein großes Herz für den verlorenen und wiedergefundenen Vater und vor allem für eine neue größere Idee von Familie, der man nicht ausgeliefert gegenübersteht, sondern die man selbst gestalten kann.

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