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Szene aus dem Film "FCK 2020, wo die Bandmitglieder live auf der Bühne spielen.

avanti media fiction 2022

Der Scooter-Film „FCK 2020“: Rave-Diktator in der Pandemie

Der Musikdokumentarfilm „FCK 2020“ begleitet die schrille Techno-Band Scooter mit ihrem unverkennbaren Frontman H. P. Baxxter durch die organisatorischen Wirrnisse der ersten zweieinhalb Corona-Jahre.

Von Robert Glashüttner

Es war ein unterhaltsames Ende eines zähen, wirren, weitgehend von Verunsicherung geprägten Jahres. 2020, das erste Jahr der Covid-Pandemie, in dem wir alle noch dachten, dass dieser Spuk nach ein paar Monaten wieder vorbei sein würde, hat mit einem cheesy Banger von Scooter geendet, der alles in einfachen, klaren Worten auf den Punkt gebracht hat: Fuck 2020!

Nun ist der Track zum Dokufilm geworden: Die Regisseurin und Filmproduzentin Cordula Kablitz-Post, die bereits über und mit den Toten Hosen oder Nina Hagen gedreht hat, hat den Start der Pandemie als Aufhänger für ihren Scooter-Film genutzt. Scooter, die schrille Techno-Band aus Deutschland mit ihrem ewigen Frontmann H.P. Baxxter aka Sheffield Dave, eigentlich aber Hans Peter Geerdes aus Ostfriesland, ist wie geschaffen für eine Musikdoku: Es gibt laute Bühnenshows mit Tänzerinnen und Pyrotechnik, Eitelkeiten und Exzesse im Backstage-Raum sowie Streitereien und Skurilitäten im Studio.

Schon nach den ersten paar Minuten werden die merkwürdigen Hierarchien im Gefüge Scooter klar: Geerdes ist der ebenso launenhafte wie disziplinierte Star, ein hedonistisches Stehaufmännchen, der zwar den Rausch der Raveparty vor über 30 Jahren institutionalisiert hat, sich davon aber nie von seinem Karriereweg hat abbringen lassen. Nach dem Konzert ist vor dem Konzert, und nach vielen Zigaretten und Redbull-Wodkas folgen ausnahmslos Entschlackungs-Smoothies, Kraftkammer und ausgiebige Körperpflege.

Szene aus dem Film "FCK 2020, wo die Bandmitglieder im Studio sind.

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H.P. Baxxter mit den Bandkollegen und Produzenten Sebastian Schilde (links vorne) und Michael Simon (rechts).

Jens Thele ist der Manager und Labelverwalter, das vierte Gründungsmitglied von Scooter und jener Mann, der seit Anfang an im Hintergrund die Fäden zieht und die Scooter-Entourage verwaltet. Dieses Personal ist fortgeschritten unterwürfig und bringt Hotelzimmer auf die gewünschte Raumtemperatur und organisiert die ausschließliche Anwesenheit jener Trinkgläser, die Geerdes unter die Nase passen. Dann gibt es noch die beiden anderen Bandmitglieder, von denen zumindest eines alle paar Jahre wechselt. Sie bemühen sich tapfer, dass Scooter als Gruppe wahrgenommen wird, doch im Endeffekt ist H.P. Baxxters Ego zu groß für gleichberechtigte Entscheidungen.

Bandalltag mit ein bisschen Familie

Bis auf immer wieder aufkeimendes Gejammer des Frontmanns, dass die Pandemie die Kommerzmaschine Scooter ins Wanken bringen würde, sowie ein Konzert im Autokino und eines als Webstream, merkt man „FCK 2020: Zweieinhalb Jahre mit Scooter“ seinen Anlass kaum an. Das gezeigte Filmaterial von Tourplanungen, Studiosessions, Hotelaufenthalten, Auftritten und Aftershowparties von Bremen bis Bristol könnte auch in Nicht-Pandemie-Jahren entstanden sein. Nur die Einstellungen in Geerdes riesigem und äußerst kitschig eingerichteten Haus sowie ein paar Spaziergänge mit den Hunden lassen auch noch darauf schließen, dass irgendetwas anders sein könnte.

„FCK 2020: Zweieinhalb Jahre mit Scooter“ ist im Vertrieb von Constantin Film ab sofort in österreichischen Kinos zu sehen.

Zwischendurch, und eher inkonsequent in Szene gesetzt, tauchen Familienmitglieder auf, konkret Geerdes Schwester (die Mitglied der Scooter-Vorgängerband Celebrate The Nun war) und die mitunter auch auf Scooter-Konzerten anwesende und mitjubelnde Mutter. Er sei immer schon ein Diktator gewesen, sagt letztere an einer Stelle amüsiert, als dem Filmteam alte Fotos und Videoaufnahmen aus den 1970er und 80er Jahren gezeigt werden.

Auch die Rückblicke in die früheren Jahre von Scooter mit Interviewauszügen ehemaliger Bandmitglieder, die irgendwann die ewige Studio-, Bühnen- und Partyarbeit satt hatten und ausgebrannt waren, wirken eher eingeschoben und sind kein wiederkehrender, relevanter Teil des Films.

Psychogramm des Frontmanns

Der Film plätschert gut gelaunt zwischen Konzertausschnitten und Bandalltag dahin und bietet dabei in erster Linie ein Psychogramm des Hans Peter Geerdes, der seinen längst erfüllten Lebenstraum, mit H.P. Baxxter ein kommerziell erfolgreicher Musikstar zu sein, in eine gefühlte Unendlichkeit tragen möchte. Die Aufdringlichkeit seiner Person in all ihrer Plakativität ist seit nun fast 30 Jahren Scooter weiterhin eine gelungene Provokation jener Menschen, die ihre Distinktion gerne im Hochhalten kunstsinniger Musik von feingeistigen, komplexen Persönlichkeiten ausdrücken. Geerdes ist das genaue Gegenteil davon, und dabei eindeutig kein großer Sympathieträger. Umgekehrt scheint er kein wirkliches Problem damit zu haben, wegen seiner oberflächlichen Werte mitunter belächelt oder gar verachtet zu werden.

Szene aus dem Film "FCK 2020" mit H.P. Baxxter

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„FCK 2020“ zeigt diese klare Position seiner Hauptfigur eindringlich, doch vermutlich hat es nicht viel gebraucht, um sie vor die Kamera zu bringen. Die Musikdoku ist mal lustig und kurios, mal seltsam und befremdlich, vor allem aber zu lang. Die zwei Stunden Laufzeit sorgen zwar für einige erstaunliche und amüsante Momente, doch irgendwann gibt es kaum noch neue Erkenntnisse. Den Anlass der Pandemie hat man außerdem spätestens im letzten Drittel schon wieder vergessen. Vielleicht ist die repetitive Ausführlichkeit von „FCK 2020“ aber auch eine Analogie zum informellen Motto der Band aus dem gleichnamigen Song: „We won’t ever stop!“

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