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Marvel's Midnight Suns

Firaxis

Superhelden-WG mit Redebedarf

Das Strategie-Rollenspiel „Marvel’s Midnight Suns“ ist ein Superheldenfreizeitsimulator mit angeschraubtem Rundentaktikspiel - leider ist es nicht umgekehrt.

Von Rainer Sigl

Superhelden gegen Superschurken, da bleibt im Marvel-Universum kein Auge trocken. Fäuste fliegen, Superkräfte prallen aufeinander, die Erde bebt. Im schon Ende letzten Jahres erschienenen Strategiespiel „Marvel’s Midnight Suns“ sind die Kämpfe spektakulär inszeniert und sehen nach wilder Action aus - aber eigentlich geht es hier taktisch zur Sache.

Für mein Dreierteam aus berühmten Marvel-Superhelden wie Doctor Strange, Iron Man und vielen anderen suche ich rundenweise meine Aktionen aus einem gemeinsamen, sorgfältig kuratierten Kartendeck aus. Jede Karte steht dabei für eine offensive oder defensive Aktion eines meiner Helden, zusätzlich darf ich meine Figuren begrenzt auf dem kleinen Kampfschauplatz manövrieren. Nicht Kraft und Geschicklichkeit zählen in diesen Kämpfen, sondern clevere Planung und Vorbereitung.

XCOM-Rundentaktik mit Superkräften

Dieser Fokus ist kein Wunder, denn die Macher von „Midnight Suns“ sind die Strategie-Experten von Firaxis Games; bekannt als die Macher von „Civilization“, aber vor allem der modernen „XCOM“-Spielereihe. Analog zum Rundentaktikklassiker sind auch im Superhelden-Vehikel die Kämpfe eigentlich das Herzstück von „Midnight Suns“; rundherum gibt’s aber noch eine ganze Menge anderes.

Zum Beispiel eine Story, in der Marvel-mäßig geklotzt wird: Natürlich muss ich hier den Weltuntergang aufhalten, die böse Dämonenkönigin Lilith schickt sich im SF-Fantasy-Mix nämlich gemeinsam mit der bösen Organisation Hydra an, alles mit neongrünem Dings zu vergiften. Das kann ich als ihr Spross und wahlweise männliche oder weibliche, zu neuem Leben erweckte Retterfigur nicht zulassen. Zur Seite stehen mir dabei eine Menge Marvel-Helden, von Superstars wie Spider-Man bis hin zu Marvel-B-Prominenz, die abseits diverser Spin-offs und finsterer Comic-Buchladenecken noch kaum auffällig geworden ist.

Marvel's Midnight Suns

Firaxis

Üppig wucherndes Drumherum

Viele dieser großen und kleinen Held*innen darf ich im Verlauf der Story selbst in die Schlacht führen - wenn ich denn endlich dazu komme. Zwischen den taktischen Kartenkämpfen wartet nämlich ein überbordendes Aktivitätsangebot auf mich. In einer Art riesiger Superhelden-WG samt Parkanlage, in der ich mich frei bewegen und auf den nächsten Einsatz vorbereiten kann, spielt nämlich ein großer Teil des Spiels.

Helden trainieren, mit ihnen abhängen, endlos mit ihnen tratschen, Eigenschaften, Zimmer und Outfits aufpeppen, Nebenquests und die Erforschung der riesigen Basis nehmen ganz schön viel Zeit in Anspruch. Was bei „XCOM“ als Metagame mehr oder weniger ein grafisch aufgepeppter strategischer Layer war, ist hier zum aufgeblasenen Beschäftigungsangebot mit Anklängen von den „Sims“, Bioware-Rollenspiel und Visual Novel geworden.

„Marvel’s Midnight Suns“, entwickelt von Firaxis, vertriebven von 2K Games, ist für Windows sowie alle aktuellen Konsolen erhältlich.

Zwischen zwei kurzweiligen Kampfeinsätzen vergeht inklusive Cutscenes und viel, viel Redebedarf gut und gern jedes Mal mindestens eine halbe Stunde, die ich mit diesem überbordenden Rahmen beschäftigt bin. Viel davon ist optional - wer auf bessere Items oder Karten spitzt, kommt an diesem WG-Simulator aber trotzdem kaum vorbei. Für „XCOM“-Fans auf der Suche nach taktischem Nachschub wuchert dieses Drumherum ein bisschen gar zu üppig; Hardcore-Marvel-Fans wird’s jedoch vermutlich freuen.

Marvel's Midnight Suns

Firaxis

Bunt, riesig, ausgestopft

Trotzdem, auch wenn sich der Autor dieser Zeilen nicht unbedingt zu Letzteren zählt: „Marvel’s Midnight Suns“ ist motivierend und taktisch interessant geraten, spannend inszeniert und mit seiner hyperpopulären Superhelden-Besetzung ein knallbunter Popcorn-Blockbuster zum Selbst-Erleben. Dass dank sehr viel Füllmaterial zu viel davon da ist, ist eine Kritik, die nicht jede*n gleichermaßen stören wird.

Wer sich auf die marveltypische Mischung aus Humor und Bombast einlässt und genug Zeit mitbringt, bekommt hier ein gut gemachtes Strategiespiel mit viel, ein bisschen zu viel Rollenspiel-Dreingabe. „Marvel’s Midnight Suns“ hat vielleicht einen Hauch zu üppig ausgestopfte Schulterpolster - aber sein Herz ist am rechten Fleck.

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