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Sexualisierte Gewalt und Vertuschung im österreichischen Film

Der Fall Florian Teichtmeister erschüttert die Film- und Theaterszene in Österreich. Über Jahre hinweg hat der bekannte Schauspieler zehntausende Dateien sexuellen Kindesmissbrauchs gesammelt. Nicht alle in der Branche sind überrascht, einige kannten die Gerüchte. Wie das Schweigen über Missbrauchs- und Metoo-Fälle in der Filmbranche zustande kommt.

Von Lena Raffetseder & Simon Welebil

„Die Unschuldsvermutung ist natürlich eines der wichtigsten rechtsstaatlichen Prinzipien, das ist ganz klar. Es stellt sich aber trotzdem die Frage: Wie kann das sein, dass im Nachhinein offensichtlich alle darüber Bescheid wussten und, dass die Person auch weiter in ihrer Karriere protegiert wurde,“ sagt Sophie Rendl, Vertreterin der neuen Vertrauensstelle vera*, die die Regierung im September für die Bereiche Sport, sowie Kunst und Kultur gestartet hat. Bei vera* können sich Personen aus der Kunst- und Kulturszene melden, wenn sie in ihrer Branche Belästigung oder Gewalt erleben. Seit September hat es etwa 40 Meldungen gegeben. Über aktuelle Fälle kann Rendl nicht sprechen, sie weiß aber: „Das ist strukturell bedingt, das sind keine Einzelfälle, das dahinterliegende System begünstigt die Entstehung solcher Fälle.“

Im Juni 2022 tritt Regisseurin Katharina Mückstein mit einer Instagram-Story eine MeToo-Debatte in der österreichischen Film- und Theaterbranche los: „Heute Abend wird ein Täter auf der Bühne stehen und bejubelt werden. Und es gibt nichts, was wir dem entgegensetzen können. Es ist niederschmetternd.“ Daraufhin melden sich viele Betroffene bei ihr. An diesem Abend ist die Premiere des Films „Corsage“, es wird gemutmaßt, dass es im Posting um einen der Darsteller von Marie Kreutzers Historiendrama geht. Dieser Tage stellt Regisseurin Katharina Mückstein klar: Im Juni hat sie nicht Teichtmeister gemeint.

Rechtliche Grundlagen

Aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen trauen sich viele nicht, öffentlich Namen zu nennen. Das könnte auch ganz schön teuer werden, erklärt Medienrechtsanwalt Michael Borsky - denn wenn jemand wegen nicht beweisbarer Behauptungen etwa gekündigt werde, könne man dafür haften und auch schadenersatzpflichtig werden.

In einem weiteren aktuell diskutierten Fall rund um den Cast von „Corsage“ hat es solche Klagen wegen Kreditschädigung bereits gegeben. Dieses Risiko wollen verständlicherweise viele nicht eingehen.

Wenn man glaubwürdige Berichte über Missbrauch mitbekommt, man aber selber keine Beweise hat, rät Rechtsanwalt Borsky deshalb zur Anzeige, wobei wichtig ist, dass man nur den Sachverhalt darlegt, den man kennt: „Wenn man sagen kann: ‚Ich habe das gesehen, ich habe das gehört, liebe Polizei, liebe Staatsanwaltschaft, bitte kümmere dich drum.‘ Das ist völlig in Ordnung. Und auch erwünscht natürlich.“

„Besondere strukturelle Probleme“

Über die strukturellen Probleme der Branche wissen sowohl die Vertrauensstelle vera*, als auch die Beratungsstelle # we_do Bescheid. Die gibt es seit 2019 und #we_do bietet Beratungen für Filmschaffende bei Ungleichbehandlung und sexuellen Übergriffen an. Beide nennen als strukturelle Gründe der Branche etwa die Bubble, die bei Dreharbeiten entsteht. Da ist man isoliert, alle arbeiten weiter, um im Zeitplan zu bleiben. Sophie Rendl von vera* sagt, es fehle da ein Korrektiv von außen und bei grenzüberschreitendem Verhalten „wird in der Kunst und Kulturbranche sehr viel über Kunst, Künstler und die Trennung der beiden gesprochen.“

Rendl nennt auch die Größe der Branche als „besonderes" strukturelles Problem und, dass alle sehr stark vernetzt sind und man einander kennt. Das macht es schwierig für Betroffene, weil sie mit negativen beruflichen Konsequenzen rechnen müssten: „Es ist nicht einfach, sich gegen mächtige Personen auszusprechen, sich vielleicht auch gegen mächtige Männer auszusprechen.“

Bewusstsein und Folgen

Um strukturelle Änderungen in der Kunst- und Kulturszene herbeizuführen, brauche es nicht nur Bewusstsein für die Probleme der Branche, sagt Sophie Rendl von der Beratungsstelle vera*. Sondern auch mehr Prävention, etwa Sicherheitskonzepte, wie die Belegschaft geschützt werden kann: „Es gibt ja Brandschutzkonzepte, es gibt Covid-Konzepte, es kann auch ein Sicherheitskonzept geben für Kinder, für Mitarbeiterinnen etc."

Auch #we_do hat Vorschläge für die Branche. Etwa in Verträgen klar festlegen, welches Verhalten zu welchen Konsequenzen führen wird. Produktionen sollen sich im Vorfeld überlegen, wie die Abläufe wären, wenn wer Übergriffe meldet. Und beide Stellen fänden es sinnvoll, Fördergelder an gewisse Voraussetzungen zu knüpfen. „Das heißt nicht, dass deswegen die gesamte Förderung zurückgezahlt werden muss, sondern dass man präventiv in den meisten Fällen Bedingungen stellt“, sagt Lauggas von #we_do.

FM4 Auf Laut: Sexualisierte Gewalt und Vertuschung im österreichischen Film

In FM4 Auf Laut sprechen wir heute mit Drehbuchautorin Ines Häufler und Schauspielerin Luna Jordan über den Fall Teichtmeister, sexualisierte Gewalt und Vertuschung im österreichischen Film.

Der bekannte österreichische Schauspieler Florian Teichtmeister war im Besitz großer Mengen von Dateien, die sexuelle Gewalt gegen Kinder zeigen. Er ist geständig und steht ab Anfang Februar vor Gericht. Das Historiendrama „Corsage“, in dem Florian Teichtmeister den Franz Joseph spielt, bleibt allerdings im Rennen um den Auslandsoscar. Gleichzeitig gibt es offenbar auch Vorwürfe gegen einen zweiten Schauspieler aus dem Cast des Marie-Kreutzer-Films „Corsage“.

Was ist ein richtiger Umgang mit solchen Verdachtsfällen und Beschuldigungen? Und inwieweit ist das Vertuschen von Fällen sexualisierter Gewalt in der Filmbranche ein strukturelles Problem?

Wir reden darüber am Dienstag, 17. Jänner, ab 21 Uhr in FM4 Auf Laut mit Drehbuchautorin Ines Häufler und Schauspielerin Luna Jordan, die sich schon im Zuge der #metoo-Debatte zu Wort gemeldet hat.

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