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Schon wieder eine neue Platte von Belle And Sebastian

Die schottischen Indie-Pop-Lieblinge Belle And Sebastian verführen seit Mitte der 90er Jahre. Mit „Late Developers“, eigentlich einem Surprise-Album, ist der Band rund um Mastermind Stuart Murdoch eine tolle Platte gelungen.

Von Eva Umbauer

„Late Developers“ folgt acht Monate auf das letzte Album von Belle And Sebastian. Beide Platten haben eine gewisse Verbindung, können aber auch separat gehört werden. Die Songs beider Longplayer wurden in den letzten Jahren geschrieben - Belle And Sebastian waren sehr produktiv, auch während der Pandemie. Die neuen Songs sind dabei so etwas wie die „Spätentwickler“. Auf „A Bit Of Previous“, das 2022 erschienene Album von Belle And Sebastian, schafften sie es nicht, aber jetzt durften sie sozusagen doch noch das Licht der Welt erblicken, was gut ist, denn die Songs von „Late Developers“ sind absolut keine B-Seiten, sie haben eine große Vielfalt und sind verspielter und gewagter als die der letzten Platte dieser Band aus Glasgow.

„The first one was the one where the record company was saying, ‚we’re going to do this and that‘, and we were thinking, ‚we’d better take it seriously and give them value for money‘. But then after that we could be more relaxed. The second LP is the fun LP. Even if some of the songs have serious subject matter“, sagt Stuart Murdoch über die letzten beiden Alben und fügt hinzu, „With the first record you’re trying to shape something that’s a little bit more cultured, maybe with the voices sitting at the same level and a constant narrative, whereas the second record is more all over the place“.

Da ist etwa „What Do You See In Me?“, ein Song, mit dem Belle And Sebastian neues Terrain betreten. Es handelt sich um einen ekstatischen Synth-Pop-Track, der sich durchaus auch für den Dancefloor eignet und uns zeigt, dass sich eine Band wie Belle And Sebastian auch nicht vor der Zeit und ihrem modernen Sound verschließt. „I don’t know which way to be, I don’t know if it’s enough“, singt Stuart Murdoch. Bei diesem Stück, das als Electronic-Pop trifft auf eine 90er-Jahre-Power-Ballade bezeichnet werden kann, hat der Band ein junger schottischer Musiker und Producer namens Pete Ferguson geholfen. Pete - er hat ein Musikprojekt namens Wuh-Oh - ist ein Fan von Belle And Sebastian und bot Stuart Murdoch an, mit ihm zu arbeiten.

Stuart Murdoch sagte zu Pete Ferguson, „Let’s do this one with the band, we’ll sing it for you and you can be in complete control, produce and mix it“. Stuart Murdoch hielt den Song an sich für stark genug, um ein Belle-And-Sebastian-Song zu sein, was immer nun Pete Ferguson genau damit anstellen würde: „Pete is so much younger than me, so there’s a whole swathe of music that’s passed me by, things I would never think of, which is what you want from a collaborator.“

Letztlich ist das alles aber eigentlich gar nicht so verwunderlich, ist Stuart Murdoch doch insgesamt ein Pop-Fan, und zwar von 50s-Pop bis zu gegenwärtigem Pop. Immer, wenn er etwa durch ein großes Bekleidungsgeschäft mit Musikbeschallung geht, ist etwas dabei, was ihm total gut gefällt, ja, wo er fast schon neidisch wird, dass nicht er den Song geschrieben hat.

Manche Langzeitfans von Belle And Sebastian mögen aber schon ein wenig enttäuscht sein von einem Song wie „I Don’t Know What You See In Me“, aber c’est la vie, es ist unmöglich, es immer allen recht zu machen. Es gibt aber auch sozusagen klassisches Songmaterial auf der neuen Platte, etwa einen Song, den Stuart Murdoch vor sehr langer Zeit geschrieben hat, nämlich noch bevor das erste Album von Belle And Sebastian, „Tiger Milk“, 1996 erschien.

Plattencover: Jemand in einer Dunkelkammer beim Foto-Vergrößern

Matador

„Late Developers“ von Belle And Sebastian ist beim New Yorker Plattenlabel Matador erschienen.

„When The Cynics Stare Back From The Wall“ heißt dieser Song von damals, als sich Stuart Murdoch von einer Erschöpfungsphase erholt hatte, die er schon als junger Mann in seinen 20ern durchgemacht hatte. Der Song war ursprünglich nicht als Duett angelegt, aber nun machte ihn Stuart Murdoch zu einem. Tracyanne Campbell von der schottischen Indie-Band Camera Obscura singt mit: „She got one of my favourite voices in the world and she lives just around the corner. Camera Obscura are probably my favourite band of the last 25 years.“

Während der Zeit, vor vielen Jahren, als Stuart Murdoch an diesem chronischen Müdigkeitssyndrom litt, war er immer zuhause, irgendwann wollte er seinen Zustand erklären, indem er es an das Piano schaffte und dort seinen ersten Song schrieb. Songs wollte Stuart Murdoch schon vorher schreiben, als er noch gesund war, aber er wusste nicht so recht, wie er es anpacken sollte, und die Songs wollten einfach nicht kommen.

Erst als Stuart Songskizzen auf ein Blatt Papier kritzelte, als er krank war, begann alles für ihn als Songwriter und Musiker. Man schreibt Songs, weil einem etwas fehlt im Leben, sagte Stuart Murdoch einmal, oder weil man etwas sagen möchte über etwas, das man herbeisehnt. Bei ihm war es jedenfalls so. Einen Song am neuen Album von Belle And Sebastian nennt er dann „When We Were Very Young“.

Der Album-Opener „Juliet Naked“ ist ein Song, den Stuart Murdoch vor ein paar Jahren für einen Film komponiert hat, nämlich für die romantische Komödie „Juliet Naked“, die ein Freund von ihm produziert hat. Basierend auf dem gleichnamigen Roman vom britischen Autor Nick Hornby behandelt der Film die Auswirkungen extremen Fantums.

Anders als in den vorherigen Hornby-Werken „Fever Pitch“ und „High Fidelity“ stehen die Protagonist*innen bei „Juliet Naked“ nicht mehr vor der Schwierigkeit, erwachsen zu werden, sondern vor dem Eingeständnis, längst am Erwachsensein gescheitert zu sein. Eigentlich hätte Schauspieler Ethan Hawke im Film diesen Song von Stuart Murdoch singen sollen, aber er entschied sich dann für seine eigenen Songs. Jetzt hat sich Stuart Murdoch also den Song wieder für sich und Belle And Sebastian geschnappt, und er rockt ordentlich, jedenfalls für Belle-And-Sebastian-Verhältnisse.

Auch der nächste Track, „Give A Little Time“, ist druckvoll, aber dann, mit „Will I Tell You A Secret“, sind wir schon im klassischen Stil der Band - die schroffen Gitarren sind weggepackt und das Akustische darf strahlen, zusammen mit einer Violine. „The Evening Star“ klingt mit seinem Motown-Groove wie ein Sommerhit mitten im Winter, und es geht nahtlos über in das ebenso große „When You’re Not With Me“ mit seinen tollen Bläserarrangements. Stuart Murdoch kann es noch immer, auch nach 27 Jahren Belle And Sebastian. Ist man ganz streng, dann war die letzte wirklich gute Platte das 2006er Album „The Life Pursuit“, aber jetzt haben wir mit „Late Developers“ endlich wieder eine.

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