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Kleinstadttristesse mit Hechtattacke

In Romina Pleschkos neuem Roman „Offene Gewässer“ schwimmt die Hauptfigur ziemlich durchs Leben. Dann beißt ein Hecht zu.

Von Maria Motter

Eine Hechtattacke ist in trüben Gewässern nie vorhersehbar. In Romina Pleschkos zweiten und neuem Roman „Offene Gewässer“ ist der dicke Fisch ein Highlight. Mit voller Wucht rammt der Hecht die Ich-Erzählerin, und die bringt sich summend an Land. Zu summen sei überhaupt ein einfacher Trick, um schlechte Momente in etwas angenehm Distanziertes zu verwandeln, liest man da. Auch der Erzählton in „Offene Gewässer“ ist ironisch-distanziert und um die Erlebnisse der Ich-Erzählerin zu kompensieren, müsste man gar viel summen. Oberwasser hat diese Hauptfigur nur beim Schwimmen. An Land verfolgen sie schon die Blicke der Nachbarn.

Blaue Aquarellzeichnung auf dem Buchcover von Romina Pleschkos Roman "Offene Gewässer".

Kremayr & Scheriau

Romina Pleschko fabuliert in ihrem neuen Roman „Offene Gewässer“ sprachbedacht und sie erfindet das Leben einer Ich-Erzählerin mit dem Nachkriegsnamen Elfi, die in einer kleinen Gemeinde am See lebt. In der österreichischen Literatur wimmelt es geradezu von trostlosen Frauenleben in der Provinz. Romina Pleschko fügt mit „Offene Gewässer“ eine weitere Protagonistin zu diesem Stereotyp hinzu. Abgenommene Katzenkinder, Klosterschule, frühe Heirat und das Scheitern der Ehe und im Beruf, all das gehört zur allzu bekannten Ausstattung dieses eindimensional traurigen literarischen Weiblichkeitsbildes und auch für Elfi gibt es keine Ausnahme, jedoch hat der Roman ein überraschendes Ende.

Zügig in Richtung Eskalation

Ihren Eltern wurde das Sorgerecht entzogen, das Mädchen Elfi von den Behörden der Großmutter überantwortet. Im Ort Liebstatt ist die Oma lieblos, zum Geburtstag gibt es einen Handschlag und gegen Ende des Buchs ist die Oma im Heim – wie zu Beginn die kleine Elfi. So richtig angenommen wird Elfi zeitlebens nicht in Liebstatt, Wien bleibt ein Versuch, und in Liebstatt ist just ihr Grund längst von der Gemeinde für ein Wellnesshotel vorgesehen.

Romina Pleschko hat beim FM4 Literaturwettbewerb Wortlaut erstmals auf sich aufmerksam gemacht: Ihre Geschichte „Am Beckenrand“ über eine Bademeisterin ist 2017 auf Platz 2 gelandet. „Offene Gewässer“ ist ein Begriff aus dem Fischereirecht, erklärt die Autorin Romana Pleschko: „Wem gehören die Fische, quasi. Das ist ein sehr bezeichnendes Bild für die Romansituation, wo auf der einen Seite das offene Gewässer ist und auf der anderen Seite die geschlossene Gesellschaft am Festland.“

Das Buch „Offene Gewässer“ teilt sich in zwei Hälften: „Liebstatt“ mit Schlaglichtern auf eine Kindheit und „Statt Lieb“ mit einer erwachsenen, geschiedenen Elfi, die um ihr Seegrundstück bangt. Und die realisiert, „dass ihr die empfundene Bedrohung durch die Gesellschaft, durch ihre Nachbarn oder die Maßnahmen der Gemeinde, die rund um sie stattfinden, zu massiv geworden sind, und sich das Ganze recht zügig in Richtung einer Eskalation bewegt.“

„Offene Gewässer“ ist 200 Seiten kurz. Nur der Schmuck glitzert, den Elfi nicht mal zum Schwimmen ablegt. Und der hat den Hecht provoziert.

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