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ADHS und Social Media

Lange Zeit galt ADHS als „Kinderkrankheit“, doch heute weiß man: Auch im Erwachsenenalter kann ADHS diagnostiziert werden. Auf den Sozialen Medien häufen sich Selbstdiagnosevideos – eine professionelle Diagnose können diese allerdings nie ersetzen.

Von Alexandra Rodriguez-Breña

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS genannt, ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Die Krankheit hat viele Gesichter, daher ist es nicht immer einfach, die Symptome zu erkennen. Diese lassen sich jedoch in drei Kategorien unterteilen: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.

Im Buch „Kirmes im Kopf“ schreibt Angelina Boerger über ihr Leben mit ADHS und darüber, was die Diagnose im Erwachsenenalter für sie bedeutet.

Jeder Mensch kann mehr oder weniger unaufmerksam, impulsiv oder hyperaktiv sein. Erst ab einem bestimmten Grad der Auffälligkeit dieser Symptome, kann von einer Störung gesprochen werden. Dabei sind die Grenzen nicht immer so leicht zu ziehen. Ähnlich wie bei anderen psychischen und physischen Erkrankungen, kann auch die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Menschen mit starken Symptomen erleben durch diese, große Einschränkungen in ihrem täglichen Leben – diese können sich in der Schule und im Beruf, aber auch in Beziehungen und Freundschaften zeigen

Kannst du das wiederholen? Ich hab‘ grad nicht aufgepasst.

Unsere Aufmerksamkeitsspannen verringern sich durch starken Konsum von Sozialen Medien. TikTok-Videos und Instagram-Reels werden absichtlich kurz gehalten, um durch schnelle Unterhaltung in kleinen Häppchen unsere Aufmerksamkeit zu halten. Doch inwiefern verändern sich unsere Aufmerksamkeitsspannen dadurch generell?

Der gestohlene Fokus

Bücher wie „Stolen Focus“ von Johann Hari aus dem Jahr 2022 befassen sich mit dem Problem der kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen. Johann Hari ist Schriftsteller und Journalist, hat Politikwissenschaft und Soziologie studiert und befasst sich in seinen Büchern mit zeitgeschichtlichen politischen Themen.

Er erzählt in dem Buch „Stolen Focus“ von seiner eigenen Aufmerksamkeitsspanne, die laufend abnimmt. In dem Bestseller erzählt der Autor von seinem Versuch, drei Jahre lang die Ursachen des Problems der verkürzten Aufmerksamkeitsspannen zu ergründen, führt Interviews mit leitenden Wissenschaftler:innen und deckt dabei eine kollektive Aufmerksamkeitskrise auf. Hari meint, die Krise entstehe durch den ständigen Input an Informationen, die uns zugeführt werden. Benachrichtigungen am Handysperrbildschirm, Informationen am Infoscreen in der Straßenbahn, News Berichterstattung als Infoslide auf Instagram – News travels fast. Informationen jeglicher Art erreichen uns durch das Internet besonders schnell und überall, wo wird sind.

Doch was hat das mit ADHS zu tun?

Studien zeigen tatsächlich immer wieder, dass exzessive Internetnutzung zu einer Verringerung von Aufmerksamkeitsspannen führen kann. Vor allem Social Media ist zur Zeit voll mit Videos, die das in Verbindung mit ADHS bringen. Dass man sich nicht lange auf etwas konzentrieren kann, bedeutet aber alleine noch nicht, dass man ADHS hat.

Paul Plener ist Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie des AKH Wien. Er sagt, dass exzessive Internetnutzung zwar viele Krankheitsbilder, besonders die von psychischen Erkrankungen, gravierender werden lässt – ADHS auslösen können sie aber nicht: „Das sind letzten Endes zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe. Natürlich können Menschen mit ADHS mitunter die Social Media Nutzung als etwas sehr Belohnendes empfinden und deswegen diese auch länger konsumieren, auf der anderen Seite ist es so, dass nicht jeder, der viel Social Media benutzt – und das tun Millionen von Menschen – automatisch ADHS hat.“

Nicht nur negativ

Überhaupt sei der Umgang mit ADHS in Sozialen Medien ein zweischneidiges Schwert, meint Plener. Immer wieder laden dort Videos zur Selbstdiagnose ein und liefern schnelle Antworten auf Fragen. Besonders junge Erwachsene diagnostizieren sich immer öfter selbst – nur leider ist das oft nicht zielführend. Denn eine Selbstdiagnose kann keine professionelle Diagnose ersetzen.

Einerseits bewirkt die viele Beschäftigung mit diesem Thema sicher eine Destigmatisierung psychischer Erkrankungen und ermöglicht damit, sich auszutauschen und Awareness zu schaffen. Andererseits, sagt Paul Plener, sei auch zu bemerken, dass manche Menschen psychische Krankheiten gebrauchen, um Follower zu generieren oder Aufmerksamkeit für ihre eigene Marke zu schaffen. „Und das ist natürlich etwas, das man nicht gutheißen kann“, so Plener.

ADHS kann den Alltags und die Lebensqualität stark beeinträchtigen, wenn sie unbehandelt bleibt. Allerdings kann man Menschen mit ADHS sowohl therapeutisch als auch mit Medikamenten sehr gut helfen. Wenn man also der Meinung ist, dass es sich bei der eigenen Konzentrationsschwäche um ADHS handelt, dann lohnt durchaus, das abklären zu lassen. Aber bitte professionell und nicht von TikTok.

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