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Kimbra "A Reckoning"

Spencer Ostrander / Inertia Music

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Kimbra und Ryan Lott sind ein musikalisches Traumpaar

Die neuseeländische Musikerin Kimbra hat sich für ihr neues Album mit Ryan Lott von der US-Band Son Lux zusammengetan. „A Reckoning“ ist eine höchst vielfältige Platte geworden, mit geisterhaften Synths, R&B-Anleihen und Hip-Hop-Momenten, aber auch mit einem berührenden Duett zwischen Kimbra und Ryan.

von Eva Umbauer

Sängerin, Songwriterin, Producerin, das ist die Neuseeländerin Kimbra. Grammy-Gewinnerin ist sie außerdem. Letzteres ist zwar schon eine Weile her, nämlich zehn Jahre, aber das kann ihr niemand nehmen, und der Grammy-dekorierte Song, den sie zusammen mit dem australischen Musiker Gotye gemacht hat - „Somebody That I Used To Know“ - kommt übrigens noch immer gut. Kurz danach war das Debütalbum von Kimbra erschienen. Auf „Vows“ folgten mit „The Golden Echo“ und „Primal Heart“ zwei weitere Longplayer; nun ist endlich der vierte erschienen: „A Reckoning“.

Das Wort „reckoning“ steht für Betrachtung, Bestandsaufnahme, oder gar Abrechnung. Kimbra Lee Johnson, so der volle Name von Kimbra, ist oft nachdenklich, ja, gar grüblerisch. Auch über sich selbst denkt Kimbra viel nach und geht nicht selten dabei recht hart mit sich selbst ins Gericht.

„This record is an output from a very internal space, wrestling and reckoning with my inner world - chaos that lives in there, and the contemplative. I think, we all have to live with silence, a lot more than we’re used to in the past two or three years. To be contemplative is to sort of sit with the moment. So there is songs on my new album that really sit in that space of quiet.“

Die kontemplativen Songs am neuen Kimbra-Album sind es dann auch, die ihre größte Wirkung entfalten. Nicht dass ein Kracher wie der Pop-Track „Replay!“ nicht auch etwas Großes hätte, oder die Future-R&B-Momente. Kimbra goes Hyperpop, beinahe jedenfalls, und sie rappt auch beim einen oder anderen Track. Tausendsassa Kimbra ist mit voller Kraft zurück, auch wenn manche der neuen Tracks die verletzliche Seite der Musikerin zeigen.

Die Story von Kimbra

Kimbra "A Reckoning"

Spencer Ostrander / Inertia Music

„A Reckoning“ von Kimbra ist bei Inertia Music/PIAS erschienen.

Kimbra fertigte im Alter von zehn Jahren erste Songskizzen an, mit zwölf bekam sie von ihrem Vater, einem Arzt, ihre erste Gitarre geschenkt, mit vierzehn sang sie im Jazzchor ihrer Highschool in Hamilton, Neuseeland. Es war schon bald klar, dass Kimbra Lee Johnson nicht ihren Eltern - die Mutter ist Krankenschwester - in einen Beruf im Gesundheitsbereich folgen, sondern unbedingt als Musikerin Fuß fassen wollen würde. Immerhin hatte sie auch bereits mit zehn die neuseeländische Nationalhymne gesungen - vor Tausenden Zuschauern bei einem Rugby-Spiel.

Mit achtzehn Jahren zog Kimbra von Neuseeland nach Melbourne, Australien, weil sie dort von einem Plattenlabel unter Vertrag genommen wurde. Der US-Blogger Perez Hilton wurde auf den ersten Song, den sie dort veröffentlichte, aufmerksam, und er schrieb über „Settle Down“: „If you like Nina Simone, Florence And The Machine and Björk, then we think you will enjoy Kimbra - her music reminds us of all those fierce ladies!“ Kimbra veröffentlichte weitere Tracks und - inzwischen bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag - sang schließlich mit Gotye den Song „Somebody That I Used To Know“, nachdem eine andere Sängerin den Part nicht wollte.

Sie übersiedelte nach Los Angeles, nachdem sie zwei Grammys gewonnen hatte, veröffentlichte ihr erstes Album und begann gleich am nächsten zu arbeiten - unter anderen mit Matt Bellamy von Muse, mit Mark Foster von der US-Band Foster The People, oder auch mit Thundercat, dem Sänger, Songschreiber, Bassisten und Producer aus Los Angeles, der für seinen Mix aus Progressive R&B, Jazz, Electronica, etc bekannt ist. Das dritte Album produzierte Kimbra dann zusammen mit John Congleton, dem texanischen Musiker, der schon mit unzähligen Musiker*innen aufgenommen und infolge etwa auch für seine Arbeit mit St. Vincent einen Grammy bekommen hatte.

Der Plattenvertrag von Kimbra lief nach ihrem 2018er Album „Primal Heart“ aus. Die neue Platte hat die Musikerin nun im Eigenverlag veröffentlicht und lässt sie von verschiedenen Vertrieben unter die Menschen bringen, was eine gute Entscheidung war. Eine ebenso gute Entscheidung war es, dass sie diesmal mit Ryan Lott zusammengearbeitet hat. Ryan ist von der US-Band Son Lux und wurde kürzlich für seinen Soundtrack zum Film „Everything Everywhere All At Once“ für einen Oscar nominiert.

Kimbra und Ryan Lott waren letztes Jahr zusammen auf Tour und hatten schon vor der Pandemie begonnen, via Zoom Musikideen auszutauschen. Als schließlich die Lockdowns begannen, vertiefte sich dieser Austausch. Schließlich produzierten die beiden das neue Kimbra-Album miteinander, und bei „Foolish Thinking“ singt Ryan Lott dann auch mit. Ein leicht experimentelles Pop-Duett, das gleichzeitig etwas Oldschoolhaftes an sich hat - ein match made in heaven, und überhaupt ist Kimbra voll des Lobes für Ryan Lott und sein Können.

„Ryan used the piano as a very prominent instrument throughout the record, but affecting it. So you’ll hear a lot of piano that starts off very organic but then gets twisted. It gets taken off and manipulated and becomes a strange sound, but it all originated from a piano.“

Das Wurlitzer-Piano

Kimbra selbst hat die meisten der Songs auf einem Wurlitzer geschrieben, was für die Gitarristin eine spannende Erfahrung war. Ihren „Wurli“, wie sie liebevoll sagt, möchte sie nicht mehr missen. Dieses elektrische Piano deutschen Ursprungs ist ein elektromechanisches Tasteninstrument. Die am meisten vertretene Variante, das Wurlitzer 200A, kam vor allem in den 1970er Jahren viel in Jazz, Funk, Country und Soul-Musik zum Einsatz und wird auch weiterhin immer wieder verwendet. Musiker*innen von Joni Mitchell über Beck bis zu den Red Hot Chili Peppers zählen zu den Fans vom Wurlitzer-Klavier.

„A Reckoning“ von Kimbra ist eine weit gestreute Platte voller Kontraste und Überraschungen, voller Licht und Schatten, voller Groove und Romantik - es ist definitiv ihr bisher bestes Album.

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