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Willow & Avril Lavigne

Willow & Avril Lavigne

verena bogner

Warum stehen Millennials so auf Pop Punk?

Viele Millennials wurden mit Pop Punk erwachsen – heute ist das Genre im Mainstream so präsent wie in den 00er-Jahren. Warum es gut tut, sich von Blink-182 & Co. in die Vergangenheit zurückversetzen zu lassen.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Blink-182, Sum 41, Green Day, Avril Lavigne: Diese Musik hat meine Teeniejahre geprägt – zum Leidwesen meiner Mutter, oder eher ihrer Geldbörse, die für meine EMP-Bestellungen herhalten musste. „American Idiot“, Krawatten über weißen Rippshirts und Pete Wentz’ mit Kajal geschminkte Augen dominierten nicht nur mein Leben, sondern das vieler anderer Teens, die heute ungefähr 30-jährige Millennials sind, also waschechte Erwachsene.

Verena Bogner ist freie Journalistin und Autorin und schreibt gerade an ihrem ersten Buch. Sie liebt Mainstream-Popkultur und findet, es gibt keine Guilty Pleasures.

Wir haben uns weiterentwickelt, aber gilt das auch für unseren Musikgeschmack? Diese Frage musste ich mir kürzlich stellen, als mir YouTube das neue Musikvideo zu „Love from the Other Side“ von Fall Out Boy in meinen Feed gespült hat. Ich konnte nicht widerstehen – und musste feststellen: Es ballert noch genauso wie anno 2005.

Das Genre Pop-Punk und die Acts von damals erleben gerade eine regelrechte Renaissance: Die Band Paramore hat mit “This Is Why” ein neues Album veröffentlicht und Frontfrau Hayley Williams geht auf TikTok mit ihren wilden Dancemoves regelmäßig viral, während Blink-182 dieses Jahr im Rahmen einer Welttournee in Originalbesetzung unter anderem nach Wien kommen.

@studi0sterling @Paramore ACL 2022 ft. Random security dude who kept standing my my way 😅 #paramore #hayleywilliams #aclfestival ♬ original sound - Sterling

Natürlich haben meine Freund*innen und ich sofort Tickets dafür gekauft und uns somit endgültig offiziell als Vertreter*innen des sogenannten Millennial Cringe geoutet. Einmal kurz dem Erwachsenenleben entfliehen und in der Stadthalle in den eigentlich längst eingemotteten Vans Songs mitgröhlen, die sich um unerwiderte Lieben, die Tatsache, dass man selbst ja so anders ist als alle anderen, und den Coming-of-Age-Frust drehen.

„Jackass“-Humor und nostalgische Gefühle

Beim vorfreudigen Durchhören einer Blink-Playlist musste ich mir trotz Pre-Konzert-Enthusiasmus die Frage stellen, ob die Musik und die dazugehörigen Narrative gut gealtert sind, oder sie mir in Wahrheit nur dabei helfen, mich in eine Zeit zurückversetzen, in der ich das Wort Corona lediglich als Biermarke kannte und Steuerausgleich etwas war, das nur meine Eltern zu kümmern hatte. Vermutlich eher Zweiteres. Denn sieht man genauer hin, ist der Pop Punk von damals eine ziemliche Sausage Party, geprägt von „Jackass“-artigem Humor und (emotional) unreifem „American Pie“-Getue. Typen, die sich auf der Bühne ihre übergrößen Dickies-Hosen runterzogen und bei jeder Gelegenheit den blanken Hintern präsentieren, in der Überzeugung, dass sie damit gerade gegen ihre Eltern und alle anderen Spießer*innen der Welt rebellieren.

Das hat sich heute zum Glück geändert, denn natürlich hat auch hier die Gen Z zumindest teilweise das gerichtet, was die vorhergehenden Generationen verkackt haben. Stars wie Olivia Rodrigo, Machine Gun Kelly oder Willow Smith haben das Genre in die Gegenwart geholt, während die eingangs genannten Acts live quasi ausschließlich ihre alten Hits spielen und von der Nostalgie leben, die sie in unseren Köpfen auslösen (für euch letztes Jahr auf den Wien-Shows von Green Day und Sum 41 getestet, die sich kaum getraut haben, neues Material zu performen).

Als junge Frau bot mir das Genre früher relativ wenig Identifikationspotenzial, weshalb ich mich bereitwillig auf Avril Lavigne stürzte und innerhalb eines Hits zum Superfan mutierte. Im Nachhinein betrachtet auffällig: Avril gab sich zu Beginn ihrer Karriere eher burschikos und passte sich an die vorherrschende Männer-Ästhetik in Form des allseits bekannten „Cool Girls“ an, wagte sich erst später an pinke Haarschleifen, kurze Karoröcke und dickes Make-up. Heute ist ihr Look quasi Genre-Standard, sieht man sich zum Beispiel Olivia Rodrigo an.

„Trends kommen und gehen, aber die Geschichte neigt dazu, sich zu wiederholen“, sagte Avril Lavigne in einem Interview mit „i-D“. Und mit einer bitteren Wahrheit müssen wir Millennials uns an dieser Stelle leider abfinden: Wir sind jetzt alt genug, um ein Pop-Phänomen bereits zum zweiten Mal zu erleben. Dass wir diesen Not-so-Fun-Fact hin und wieder gerne vergessen und uns auf einem Blink-182-Konzert wie 15 fühlen wollen, kann uns angesichts dieser Tatsache wirklich niemand verübeln. Wir sehen uns dann im Wavebreaker. What’s My Age Again?

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