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Tänzerinnen und Tänzer anlässlich des Akademikerballs am Freitag, 24. Jänner 2020, in der Hofburg

APA/CHRISTIAN HABERHAUER

interview

Warum der Akademikerball keine normale Tanzveranstaltung ist

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause ist der umstrittene Wiener Akademikerball wieder zurück - und mit ihm auch die Gegenproteste. Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger erklärt die problematischen Hintergründe des Balls und warum man ihn trotzdem aushalten sollte.

Von Simon Welebil

Dass rechte Verbindungsstudenten am 24. Februar, ausgerechnet dem Jahrestag des Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine, wieder im repräsentativsten Gebäude der Republik, der Hofburg, das Tanzbein schwingen, sorgt für viel Gegenwind aus der Zivilgesellschaft. Vor Corona hat es immer große Gegendemonstrationen gegen den Akademikerball gegeben und die Polizei hat mit einem riesigen Aufgebot große Teile der Wiener Innenstadt abgeriegelt. Auch dieses Jahr hat die Polizei bereits eine Platzsperre für den Heldenplatz ausgesprochen.

Doch was genau ist das Problematische am Wiener Akademikerball? Das wollte Simon Welebil von Bernhard Weidinger, Rechtsextremismus-Experte beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands wissen:

Bernhard Weidinger vor einer Bücherwand

Simon Welebil

Bernhard Weidinger

Simon Welebil: Warum ist der sogenannte Akademikerball kein Ball wie jeder andere?

Bernhard Weidinger: Das Besondere am Wiener Akademikerball ist, dass er gleichzeitig eine Art politische Veranstaltung ist, die sich zwar unpolitisch präsentiert, aber dadurch, dass er eben von einer Partei, nämlich der Wiener Landespartei der Freiheitlichen Partei Österreichs, veranstaltet wird und außerdem das Völkische Verbindungsstudententum im Wesentlichen als Klientel hat, ist es offensichtlich, dass es eine Veranstaltung politischen Charakters ist, die ja auch über die Jahre sehr viel politischen Besuch angezogen hat.

Wie würdest du den politischen Charakter des Akademikerball beschreiben?

Der politische Charakter dieses Balls besteht im Wesentlichen darin, dass die dort feiernden Studentenverbindungen deutschnational ausgerichtet sind, das heißt sie stehen für einen völkischen Nationalismus, der das Volk als eine Abstammungsgemeinschaft versteht und eben nicht bloß als eine politische Gemeinschaft. Übrigens, wie die Bezeichnung deutschnational schon sagt, eben auch auf Basis der Annahme, dass Österreich ein deutsches Land und die österreichische Mehrheitsbevölkerung deutscher Volkszugehörigkeit sei.

Warum sind Burschenschaften etwas anderes als reine Traditionsvereine?

Die Burschenschaften haben in ihrer Geschichte immer schon einen politischen Auftrag gehabt oder sich den selbst auch gegeben, sozusagen zur Mehrung des Wohls und der Glorie des deutschen Volkes, wenn man so will und grenzen sich dadurch auch von den anderen Verbindungstypen ab, die sich als unpolitisch verstehen. Und insgesamt ist auch das deutschnationale Verbindungsstudententum abzugrenzen vom katholischen. Da gibt es einige Gemeinsamkeiten, wie das Männerbündische, die konservative Grundtendenz, aber auch wesentliche Unterschiede, nicht zuletzt in punkto der Verstrickung mit dem Nationalsozialismus historisch und im Rechtsextremismus nach 1945.

In Österreich sind die Burschenschaften hauptsächlich mit der FPÖ verbunden als politische Partei. Welche Rolle haben die Burschenschaften in der FPÖ?

Die Verbindung von Burschenschaften und FPÖ besteht zum einen darin, dass sehr viele Burschenschafter in der FPÖ aktiv sind bzw. umgekehrt, dass also über die Geschichte der Partei hinweg etwa 1/3 der hochrangigen Positionen in der Partei von Personen eingenommen wurden, die einen entsprechenden studentischen Verbindungshintergrund aufgewiesen haben. Das wäre das eine, die Präsenz von Korporierten in der Partei und das andere ist die Frage, wie die Korporierten die Partei inhaltlich prägen. Da würde ich meinen, dass man so etwas wie einen spezifischen Einfluss vor allem überall dort spürt, wo es um die Vergangenheit geht. Also Gedenkpolitik beispielsweise, revanchistische Bestrebungen mit Blick auf Südtirol beispielsweise, und zudem dann natürlich auch zu Glaubensbekenntnissen wie eben dem Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft, das nach wie vor Teil des freiheitlichen Parteiprogramms ist.

Mir ist es in letzter Zeit so vorgekommen, dass die Rolle der Burschenschaften in der FPÖ etwas aus der medialen Diskussion verschwunden ist. Siehst du das ähnlich?

Es ist sicher so, dass über die Verbindungen von FPÖ und Burschenschaften mehr diskutiert wird, wenn entsprechende Anlässe sind, wie eben jetzt der Ball oder auch, wenn Burschenschafter an der Parteispitze stehen, was aktuell nicht der Fall ist. Herbert Kickl ist nicht korporiert und hat auch immer eher die Distanz zu diesem Milieu gesucht.

Würdest du sagen, dass sich insgesamt die Bedeutung von Burschenschaften in der FPÖ unter Kickl geändert hat?

Wenn man sich die Geschichte der FPÖ ansieht, dann wird man feststellen, dass die Rolle der Burschenschaften dann am gewichtigsten ist, wenn die Partei eher auf ihren Kern zusammenschrumpft. So wie das über die ersten Jahrzehnte war und dann in den Krisenzeiten nach der Ära Haider, nach der Ära Strache. Wenn die Partei sozusagen auf ihren Kern zusammenschrumpft, dann kommen die Burschenschafter besonders zum Tragen. Und wenn sie in Wachstumsphasen ist, so wie aktuell, nimmt der Einfluss tendenziell eher ab.

Ändert sich dadurch auch die Rolle des Akademikerball?

Ich würde meinen, dass die Rolle des Balles sich über die Jahre insofern geändert hat, als er heutzutage nicht mehr die wirklich prominente Klientel aus dem europäischen Ausland anzieht. Also die Zeiten, wo Le Pens und Vanheckes und Dugins auf den Ball kamen, sind tendenziell vorbei. Das, was man heute dort antrifft, ist vor allem AfD-B-Prominenz, also AfD Jugendfunktionäre, AfD-Landesfunktionäre und dergleichen. Aber natürlich ist es gerade in dieser deutsch-österreichischen Verbindung nach wie vor auch eine Veranstaltung, die eine solche Vernetzungsfunktion erfüllt.

Was machen jetzt zwei Jahre Pause mit so einer Veranstaltung wie dem Akademikerball?

Ich würde davon ausgehen, dass die zwei Jahre Pause am Charakter des Balls wenig geändert haben. Genauso wie der Übergang von WKR-Ball zu Akademikerball wenig verändert hat. Es ist dieselbe Klientel. Ich nehme an, es wird eine ähnliche Größe haben. Es wird einen ähnlichen Ablauf haben. Es sind nach wie vor dieselben Personen in der Organisation. Insofern erwarte ich da wenig Veränderung.

Das heißt, er hat noch dasselbe Prestige?

Der Ball ist sicher für das deutschnationale Verbindungsstudententum im deutschsprachigen Raum ein wichtiges Ereignis, ein Ereignis mit einer entsprechenden Strahlkraft, jedenfalls über die Grenzen Österreichs hinaus.

In Graz ist dieses Jahr der Ball der Burschenschaften abgesagt worden. Gibt es insgesamt weniger Zuspruch für diese Veranstaltungen?

Man wird insgesamt sagen können, dass das deutschnationale Verbindungsstudententum jedenfalls nicht im Wachstum begriffen ist und eigentlich seit Jahrzehnten Nachwuchsprobleme hat. Und das betrifft dann natürlich auch studentische Veranstaltungen, vor allem solche, die auf ein großes Publikum abzielen, wie das ja bei diesen Ballveranstaltungen der Fall ist. Auch der Wiener Akademikerball hat tendenziell mit schwachem Zustrom zu kämpfen. Ich würde davon ausgehen, dass es finanziell nicht mehr wirklich trägt.

Ist der Akademikerball gefährlich?

Ich denke, dass eine entwickelte Demokratie eine Veranstaltung wie den Akademikerball sicher aushalten kann. Aber über die Frage, ob eine solche Veranstaltung im repräsentativsten Gebäude der Republik stattfinden muss, kann man sicher geteilter Meinung sein.

Der Akademikerball ist in den 2010er-Jahren auch immer Schauplatz großer Gegendemos gewesen. Was erwartest du denn heuer in dieser Hinsicht?

Ich denke, so wie der Zustrom zum Ball hat auch die Mobilisierungskraft der Demos über die Jahre eher abgenommen. Ich würde erwarten, dass man da nicht mehr ganz an die großen Zeiten früherer Jahre anschließen kann.

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