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Szenenbild "Stams"

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FILM

Gemma Gemma Gemma!

Disziplin, Perfektion und ob man Schultern gleich wieder einrenken soll, das lernt man am Skigymnasium Stams. Bernhard Braunsteins exzellente Dokumentation „Stams“ zeigt ein Jahr an der Kaderschmiede und beantwortet auch die Frage, ob man vom Zusehen Muskelkater kriegen kann mit „ja“.

Von Pia Reiser

Schiss vor der Sprungschanze zu haben, führt nicht weiter. Amen! Der Schulbeginn-Gottestdienst für das Skigymnasium Stams versetzt das Römisch-Katholische mit Wintersport-Weisheiten.

„Lust auf Leistung“ ist der Leitspruch des Skigymnasiums, „Gemma Gemma Gemma“ würde auch recht gut passen, das hallt den SchülerInnen von TrainerInnenseite tagaus tagein entgegen. Wer die Aufnahmeprüfung geschafft hat, darf von einer Karriere als WintersportlerIn träumen, die SchülerInnen machen sich aber keine Illusionen über ihre Zukunft. Vielleicht hab ich mal 20 Kugeln daheimstehen, vielleicht auch keine, so eine Schülerin.

Regisseur Bernhard Braunstein zeigt ein Schuljahr am renommierten Skigymnasium. Ruhig, nüchtern und unkommentiert lässt er uns am Alltag der SchülerInnen teilhaben, in dem für das wenig Platz ist, was sonst ein Teenagerleben schon auch prägt: Müßiggang, Flausen und Unsinn (im besten Sinne).

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Eine gewisse jugendliche Abgeklärtheit zieht sich durch die Dokumentation. Das andauernde Streben nach Perfektion hat ein hohes Frustpotential. Eine unüberhörbare Schwermut schleicht sich in die Stimme eines Schülers ein, wenn er festhält, dass nicht zählen würde, was man im Training leiste, und die Freude am Skifahren manchmal verschwinden würde. Ein Anderer zählt stakkato-artig seinen Alltag auf, wie jemand kurz bevor die Midlife Crisis an die Tür klopft. Man müsse liefern, wie eine Maschine.

„Stams“ klammert die ganz klassischen Sportmomente aus - der umjubelte Triumph bzw. die tränenreiche Niederlage oder die motivierende Trainingsmontage - sind hier nicht zu finden. Bernhard Braunstein liefert neues Material, das hilft, die Welt des Winterleistungssport zu begreifen. Zu wissen, dass hartes Training zu einer Ausbildung als potentieller Leistungssportler dazugehört, ist was Anderes, als zu sehen, wie ein Schüler einen anderen huckepack einen steilen Weg neben einer Skischanze rauftragen und oben mit hochroten Kopf nach Luft schnappt.

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Die Arbeit am eigenen Körper hat keine Pause. Selbst bei einer Entspannungsübung (inklusive Klangschale) sollen die Schüler sich vorstellen, vor einem Spiegel zu stehen und ihren Bizeps oder Trizeps anzuschauen - um dann den Arm anzuspannen. Immer mehr wird „Stams“ zu einer Betrachtung über den Umgang mit dem eigenen Körper. Von einer Diskussion im Unterricht, ob wir einen Körper haben oder ein Körper sind, zu Gesprächen über ausgerenkte Schultern, geschwollene Knöchel, gerissene Kreuzbänder. „Stams“ unterstreicht das Risiko im Wort Risikosportart.

„Stams“ startet am 3. März 2023 in den österreichischen Kinos

Während sich in „Stams“ vieles um Tempo und Bewegung dreht, bleibt die Kamera ruhig und drängt sich niemals auf. Braunstein bleibt auf Distanz, ist nie zu hören und lässt die Jugendlichen auch nie in talking heads-Form direkt in die Kamera sprechen. Er lässt sogar zu - und das sieht man in Dokus selten - dass die Jugendlichen etwas nicht sagen, weil die Kamera anwesend ist. Eine Schülerin deutet mit Blicken ihren Freundinnen an, dass sie ihnen etwas später erzählen wird, wenn die Kamera weg ist.

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Extra-Pluspunkte gibt es dafür, dass zwar ein Austo-Pop-Hit in „Stams“ aufflackert, es aber nicht Schifoan ist. „Stams“ ist ein exzellent getakteter und faszinierender Einblick in eine Welt, in der die Bretter, die die Welt bedeuten, Ski sind. Augen auf bei der Berufswahl, scheint einem der Film noch zuzuflüstern, aber vielleicht hört das nur die Skifahr-Skeptikerin in mir.

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