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Marc Elsberg: „Klimakrise ist ein Kommunikationsproblem“

Bestseller-Autor Marc Elsberg macht in seinem neuen Roman „Celsius“ die Klimakrise zum Thema. Im Interview spricht er über seinen Zugang zum Thema und darüber, wer die Verantwortung zum Handeln hat.

Von Simon Welebil

Marc Elsberg ist bekannt dafür, dass er sich sehr intensiv in seine Themen einliest, bevor er sie zu Papier bringt. Das ist auch in seinem neuen Thriller „Celsius“ nicht anders. Seit acht Jahren beschäftige er sich schon mit der Problematik und den Auswirkungen der Klimakrise, hat aber lange nicht den richtigen Hebel für eine Geschichte gefunden, um sich von den mittlerweile zahlreichen Klimaromanen abzuheben.

Er habe lange den Markt beobachtet, sagt Elsberg im FM4 Interview, wollte weder Katastrophenroman noch Dystopie schreiben, und hat schlussendlich in Geoengineering, gezielten menschlichen Eingriffen ins Klima, sein Thema gefunden.

Wer übernimmt die Kontrolle über das Weltklima?

„Celsius“ beginnt damit, dass China die Kontrolle über das Weltklima übernehmen will, weil die Staatengemeinschaft den Kampf gegen die Erderhitzung nicht konsequent genug vorantreibt. Gelingen soll das via „Solar Radiation Management“, also dem Ausbringen von Partikeln in die Atmosphäre, die die Sonneneinstrahlung verringern sollen und damit wie ein riesiger Sonnenschirm wirken.

Buchcover von Marc Elsbergs Roman "Celsius". Ein großes C auf verkohlter Erde

Blanvalet Verlag

„Celsius“ von Marc Elsberg ist im Blanvalet Verlag erschienen.

Geoengineering birgt aber sehr große Gefahren. Einerseits sind die Auswirkungen von Eingriffen noch nicht wirklich erforscht, andererseits muss eine Entscheidung für Solar Radiation Management, wenn sie denn getroffen wurde, auch über Jahrzehnte hindurch durchgehalten werden, über Regierungswechsel und Generationen hinweg, um nicht bei einem abrupten Ende etwa Klimanachholeffekten, einem sogenannten „Termination Shock“, ausgesetzt zu sein. Mit so einer tiefgreifenden Entscheidung sind natürlich nicht alle Staaten einverstanden und die ganze Situation schaukelt sich hoch, inklusive Kriegsdrohungen.

„Geoengineering ist eigentlich das Instrument, um eine übergeordnete Geschichte zu erzählen“, sagt Marc Elsberg, nämlich von einer weltweiten Machtverschiebung vom globalen Norden Richtung China bis zum sogenannten globalen Süden, der schließlich das Heft des Handelns in die Hand nimmt.

Bei der letzten UNO-Klimakonferenz COP 27 in Äpypten haben die Länder des globalen Südens mit dem „Loss and Damage“-Fonds erstmals prominent eigene Wünsche gegen die alten Mächte durchgesetzt. Diese Perspektive auch in seinem Roman einzunehmen, hat Elsberg besonders gereizt, war für ihn sogar der „größte Spaß an der ganzen Geschichte“, die gönnerhaften Geldgeber aus dem Norden, die die Klimakrise nach wie vor nicht so ganz ernst nehmen, vorzuführen.

Klimakrise ein Kommmunikationsproblem

Im Roman kann sich Elsberg natürlich ein bisschen weiter von den Fakten wegbewegen als im Journalismus oder in der Wissenschaftskommunikation. Neben ganz viel Basiswissen zur Klimakrise und ihrer Entstehung versucht er in „Celsius“, zumindest denkbare Möglichkeiten in filmischem Stil zu dramatisieren, mit Unterhaltung aber auch Wissen zu vermitteln.

Die wichtigste Erkenntnis, die Elsberg für sich selbst bei der Beschäftigung mit der Klimakrise gelernt hat ist - abseits davon, dass seit Jahrzehnten alles verschleppt und zu langsam und schlecht gemacht wird - dass „sie in Wahrheit seit 20 Jahren im Wesentlichen ein Kommunikationsproblem ist. Weil wir wissen eigentlich, was zu tun ist. Man müsste es nur tun und das wird nicht gemacht.“

Er führt das zurück auf eine Verschiebung der Narrative, die die eigentlich Verantwortlichen, die Politik und die großen Unternehmen weitestgehend entschuldet haben. Die Verantwortung wurde stattdessen auf die Einzelnen abgewälzt, und zwar hauptsächlich mit Kommunikationsstrategien. Der Ex-Werber Elsberg führt hier etwa die Strategie des Ölmultis BP an, die den individuellen CO2-Fußabdruck populär gemacht haben - für Elsberg ist das kluge Kommunikation. „So eine kluge Kampagne, oder mehrere so kluger Narrativschaffungen müssten eigentlich endlich einmal von der anderen Seite kommen. Und das vermisst man halt ein bisschen,“ sagt Elsberg.

FM4 Podcast Interview Podcast (Interviewpodcast)

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Das ganze Interview mit Marc Elsberg gibt es im aktuellen FM4 Interviewpodcast zu hören.

In diesem Sinne kritisiert er auch die Strategie der Letzten Generation, sich auf Straßen anzukleben, denn übrig bleiben würde „das Kommunikationsbild: Da sitzen wir auf der Straße und halten die Autofahrer auf, also hängen jedem einzelnen wieder die Verantwortung um. Das ist eigentlich aber das Narrativ der Ölindustrie.“ Und die Opfer der Klebe-Aktionen wären die Falschen: „Das ist wie wenn du einen Süchtigen schurigelst, damit die Dealer dann vielleicht doch einmal angegangen werden von der Politik. Und das hat noch nie funktioniert. Du musst auf die Dealer gehen und nicht auf die Süchtigen.“

Und was die Macht des Einzelnen angeht, will Marc Elsberg auf keinen Fall das Narrativ der Industrie bedienen. „Der Einzelne kann ja momentan eigentlich nur die Leute in der Politik wählen, die den Klimaschutz vorantreiben und nicht die wählen, die ihn bremsen, leugnen und verhindern. Sehr viel mehr kann man als Einzelner nicht tun.“

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