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Cornelia Hülmbauer

Radio FM4 / Zita Bereuter

Cornelia Hülmbauer – „oft manchmal nie“

Aufwachsen neben einer Autowerkstatt auf dem Land, bevor der Turbokapitalismus die kleinen Geschäfte zerstört hat. Cornelia Hülmbauer erzählt von einer Kindheit und Jugend in Niederösterreich in den 80er und 90er Jahren, zwischen Katholizismus und Aberglauben. Konservierte Zeit. Poetisch schön.

von Zita Bereuter

Es ist wie das Blättern durch ein älteres Familienalbum. Hier das Foto vom Mädchen, das mit dem Vater Drachen steigen lässt, da der Mittagstisch in der Werkstatt mit Süßigkeiten auf jedem Teller, dort die aufgeschlagenen Knie mit der kaputten Strumpfhose.

„im jahr der erstkommunion durften die mädchen zu fronleichnam ihr weißes kleid noch einmal anziehen und bei der prozession durch den ort unter dem himmel mitgehen. im jahr unserer erstkommunion regnete es zu fronleichnam, und es gab keine prozessionen. als wir deshalb in anderen kleidern in die kirche kamen, war die lehrerin verärgert. die mutter hatte mir extra eine weiße weste angezogen. das war der lehrerin egal.“

In kurzen Episoden und Momentaufnahmen erinnert sich eine Frau an ihre Kindheit in den 80ern und 90ern in Niederösterreich. Die Eltern haben eine Autowerkstatt neben einer Bundesstraße. Das Mädchen tingelt zwischen Werkstatt und Schule. Gleichaltrige Freundinnen gibt es kaum. Also entdeckt und begreift das Mädchen seine Welt und Umgebung auf eigene Faust. Beobachtet die Familie, die Arbeiter. Erzählt auch von Verletzungen, Enttäuschungen und Niederlagen.

Erinnerungsbilder

Cornelia Hülmbauer ist in Niederösterreich aufgewachsen und hat Anglistik und Kunstgeschichte in Wien und Malta sowie Sprachkunst an der Angewandten studiert.
Bisher hat sie vor allem Lyrik geschrieben - 2016 war sie Finalistin beim open mike. 2018 erhielt sie den Theodor-Körner-Preis.

Das Leben des Mädchens ist eng an die Biographie von Cornelia Hülmbauer angelehnt. Mit ihrem Debütroman wollte sie Erinnerungsbilder einfangen, erzählt sie im Interview. Die Zeit konservieren, in der sie aufgewachsen ist. In der sieht sie eine Art Zeitenwende.

„Das war gerade noch die Zeit, als in der österreichischen Provinz sich die Globalisierung, dieser Turbokapitalismus ein bisschen eingeschlichen hat und sich so langsam abgezeichnet hat. Dann wurden Dinge schon sehr anders und ich glaube, ich bin da grad so in dieser Wechselzeit aufgewachsen.“

Mit dieser Veränderung wird es auch für die kleinen Familienbetriebe auf dem Land schwieriger. Das Mädchen kriegt die finanziellen Probleme der Eltern mit, die Werkstatt wird schließen, das Mädchen studieren. Eine „klassische Aufsteigerinnenbiografie, wo sich dann auch die Interessen und die Prioritäten einfach verschieben.“

„einer der mechaniker konnte radfahren, ohne die hände zu benutzen. ein anderer aß drei wurstsemmeln hintereinander. sein auto hatte scheiben, durch die man nur von innen nach außen sehen konnte, nicht umgekehrt. nach der gesellenprüfung gingen beide fort.“

„oft manchmal nie“

Cornelia Hülmbauer "Oft Manchmal Nie"

Residenz

„oft manchmal nie“ von Cornelia Hülmbauer ist bei Residenz erschienen. Auszüge daraus wurden mit dem Marianne-von-Willemer-Preis 2021 und dem Emil-Breisach-Preis 2021 ausgezeichnet.

Die Welt der Erwachsenen ist faszinierend und überwältigend zugleich. Das Mädchen sehnt sich nach einer Art Ordnung und möchte die Welt verstehen. „Und man versucht da, glaube ich, so eine eigene Ordnung hineinzubringen. Deswegen auch der Titel, dieses ‚oft manchmal nie‘. Das sind vielleicht so Häufigkeiten, anhand derer man sich ein System ordnet, das man irgendwie sonst kaum überblicken kann.“ Machen Erwachsene also etwas oft, manchmal oder nie?

Erschwerend kommt in dieser Erwachsenenwelt hinzu, dass einerseits der Glaube, der Katholizismus, eine Rolle spielt, dass daneben aber auch Aberglaube wichtig ist. Und gerne Sprichwörter verwendet werden.

"der vater baute mir einen drachen. er bespannte einen holzrahmen mit dickem papier und sprühte rote und blaue punkte darauf. an einem windigen tag fuhren wir mit dem auto zur großen wiese. der vater lief und brachte den drachen in die luft. dann durfte ich ihn halten. ich hielt ihn. er war schön. dann ließ ich los.

sei’s wie’s sei, stirbt d’kuah, bleibt’s hei, sagte der vater und zitierte den ältesten mechaniker. die richtigen bauernregeln kannte aber die mutter."

Sprüche und Sprachspiele waren letztlich wichtig im Aufwachsen von Cornelia Hülmbauer - und ihre späteren Interessen. „Es hat ganz viel funktioniert mit Humor. Das ging alles über Sprachspiel. Das fand ich damals, glaube ich, schon interessant, wenn auch nicht ganz durchschaubar.“ Dadurch wurde auch ihr Gespür für Sprache geprägt. „Bei Sprachspielen ging es immer um so kleine Verschiebungen, da ging es nie ums Geschichtenerzählen, sondern da ging es immer um einen Effekt erzielen mit der Sprache.“

Schriftzug des Indie Book Day

Indie Book Day

Am 25. März ist Indie Book Day

Den gibt’s heuer zum 10. Mal. Gestartet in Deutschland, ist er mittlerweile international. Man feiert an diesem Tag die kleinen unabhängigen Verlage, wie eben den Residenz Verlag, in dem „oft manchmal nie“ erschienen ist.
Die Aktion fordert dazu auf, ein Buch von einem unabhängigen Verlag zu kaufen - am besten in einer kleinen unabhängigen Buchhandlung. Danach soll man ein Foto des Buches oder von sich selbst mit dem Buch in einem sozialen Netzwerk oder Blog mit dem Hashtag #indiebookday posten.

Cornelia Hülmbauer liest
29.3. Literaturabend Thalia 1060 Wien
30.3. Wortspiele Wien facultas Dombuchhandlung 1010 Wien
18.4. Steiermärkische Landesbibliothek, Graz

Bereits als Jugendliche hat Cornelia Hülmbauer erste Gedichte geschrieben. Später hat sie u.a. an der Angewandten Sprachkunst studiert und vor allem Lyrik geschrieben. 2016 war sie mit ihrem Lyrikdebüt „MAU OEH D“ Finalistin beim Open Mike.

Das Poetische spürt man auch in ihrem Debüt „oft manchmal nie“, das übrigens durchgehend klein geschrieben ist. Es ist ein Stück österreichisches Landleben. Ein Stück poetisches österreichisches Landleben.

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