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JoachimKohlerBremen | Wikipedia

Gaskonferenz in Wien: „Wer ist eigentlich alles nicht dort?“

Der freie Journalist Christian Bunke im Interview über die derzeit in Wien hinter verschlossenen Türen stattfindende europäische Gaskonferenz.

Early this morning climate activists from Austria and abroad gathered on the Ringstraße in Vienna to stage a protest against the European Gas Conference, which is being held in one of the hotels there. The organisers of the conference describe the event as „promoting dialogue between Europe and its main suppliers“, while critics say the gas lobby is meeting behind closed doors to discuss how to further its interests with new investments in fossil fuels. The organisers have not shared information about the conference.

Christian Bunke is a freelance journalist covering events around the conference for the Swiss-based newspaper WOZ Die Wochenzeitung, and he spoke to Joanna Bostock about the conference.

Radio FM4: The conference organizers have not revealed anything to the general public. What can you tell us about what is happening at this conference?

Christian Bunke: Wir wissen, dass vom 27. bis zum 29. März in Wien diese europäische Gaskonferenz, die European Gas Conference, stattfinden wird. Es handelt sich hier um ein Treffen von Chief Executive Officers und Managing Directors zahlreicher führender, weltweit aktiver Gaskonzerne, darunter eben auch solche Player wie die OMV, RWE, Vattenfall, Shell, Total Energie, Firmen dieser Größenordnung. Die treffen auf dieser Konferenz auf Beamtinnen und Beamte von, zum Beispiel, verschiedenen österreichischen Ministerien. Es sind auf dieser Konferenz das österreichische Klimaschutz- und Energieministerium, das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium, die österreichische Wirtschaftskammer, das amerikanische Energieministerium, das deutsche Bundeskanzleramt. Dann wissen wir noch, dass große Investorinnen oder potenzielle Investoren ebenfalls dort sind, allen voran auch BlackRock. Das ist einer der weltweit mächtigsten Finanzkonzerne, die es überhaupt gibt.

Radio FM4: What are the discussions at the conference going to be about?

Christian Bunke: Ich habe die Tagesordnung vor mir liegen. Es geht auf dieser Konferenz um Zukunftsfragen für die Gasindustrie. Ein wesentliches Thema, das einen ganzen Tag lang dort diskutiert werden wird, ist das Thema Flüssiggas oder auch LNG.

Aufgrund des Ukrainekrieges sagt die Europäische Union, sie will aussteigen aus der strukturellen Abhängigkeit von russischem Gas. Österreich zum Beispiel bekommt ja 80 Prozent seiner Gasversorgung aus Russland. Eine Methode, um auszusteigen, ist, wie sie sagen, eben dieses Flüssiggas. Das wird mit großen Tankschiffen zum Beispiel aus den USA nach Europa verfrachtet. In den USA wird dieses Gas durch sehr umstrittene Fördermethoden, durch Fracking, was in Österreich derzeit und auch in zahlreichen europäischen Ländern eigentlich verboten ist, aus der Erde gehoben. Und es braucht sehr viel neue Infrastruktur, die gebaut werden muss, um das zu ermöglichen. Hier kommt dann so ein Finanzkonzern wie BlackRock natürlich rein, weil die Investitionen ja auch getätigt werden müssen, und so ein Konzern denkt sich, da kann ich sehr viel Geld verdienen, durchaus auch Milliardenbeträge.

Diese Infrastrukturen müssen dann aber für viele, viele Jahre aktiv sein, um auch Profit abzuwerfen. Das ist so eine Fragestellung, wo dann Klimaschützer*innen etwas alarmiert reagieren, weil sie eben sehen, dass hier Infrastrukturen gebaut werden, die das weltweite Energiesystem über viele, viele Jahre auf eine fossile Grundlage stellen werden, wenn wir ja eigentlich aus fossiler Energie aussteigen müssten.

Radio FM4: There is a certain lack of transparency about this conference and what is going to be discussed, which is something that activists have criticized. You actually applied for accreditation as a journalist and were then taken off the list. What does this tell us about the attitude of the participants and why are they keeping the details quiet?

Christian Bunke: Um das ganz kurz zu erläutern: Ich habe bereits im Februar bei den Organisatoren der Gaskonferenz um Akkreditierung angefragt und nach ein bisschen Hin- und Herschreiben wurde mir dann tatsächlich auch eine Akkreditierung zugesagt Mitte Februar. Eine Woche bevor die Konferenz in Wien hätte starten sollen, ist mir die Akkreditierung dann plötzlich entzogen worden. Einfach nur mit der Begründung, in letzter Sekunde hätten sich sehr viele neue Personen angemeldet für die Konferenz. Es seien jetzt zu viele Leute dort, sie sei überbucht, und deswegen müsse man jetzt einige press credentials einfach wieder zurückziehen.

Das Interessante daran ist, dass ich seitdem von vielen Kolleg*innen, auch von großen Medienunternehmen, gehört habe, dass sie sich bemüht haben, eine Akkreditierung für diese Konferenz zu bekommen, und ihnen aber keine ausgestellt wurde, und teilweise auch einfach Emails und Telefonate nicht beantwortet worden sind. Es gibt kein Interesse seitens dieser Konferenz, mit einer breiteren Öffentlichkeit in irgendeiner Form zu interagieren.

Schauen wir uns an, wer auf dieser Konferenz alles spricht, wir sehen diese CEOs und die Managing Directors von diesen international aktiven Konzernen, wir sehen große, wichtige Behörden und Ministerien, die dort sind. Die Europäische Kommission ist dort und hält einen Vortrag. Wir sehen diese mächtigen Institutionen, und dann stellt sich die Frage: Wer ist eigentlich alles nicht dort?

Es sind nicht die Menschen anwesend, die von diesen Industrien betroffen sind, es sind nicht die Menschen dort, die davon betroffen sind, dass in ihrer Nachbarschaft neue fossile Infrastrukturen oft auch gegen den Widerstand der Bevölkerungen gebaut werden. Es sind nicht die Menschen dort vom afrikanischen Kontinent, wo die Europäische Union massive Extraktionsvorhaben fördert, wo die Gasindustrie gerade in den letzten Monaten eine wahnsinnige Zahl von neuen Projekten gestartet hat, und wo es Widerstand gibt von vielen Bevölkerungen, die sagen: Wir wollen nicht die Tankstelle von Europa sein, damit Europa seine Energieversorgung auf unsere Kosten bewerkstelligen kann. Die Beschäftigten dieser Industrien spielen keine Rolle.

Wir haben es mit Industrien zu tun, die ja eigentlich umgebaut werden müssten, wenn wir das ernst meinen mit der Veränderung des Energiesystems. Also ich sehe hier ein sehr, sehr großes Demokratiedefizit auf einer globalen Ebene, das uns aber gleichzeitig auch einiges darüber erzählt, wie die strukturellen Ungleichheiten auf unserem Planeten so funktionieren.

Radio FM4: In a sense one could sum it up as a battle between the green transition and the continuing existence of the fossil fuel industry.

Christian Bunke: Ja, so kann man das wirklich gut zusammenfassen. Es trifft sich dort die fossile Großindustrie, um ihre Zukunft zu diskutieren. Es geht auf dieser Konferenz nicht darum, die fossile Großindustrie zurückzufahren, was eigentlich passieren müsste, sondern im Gegenteil diskutiert hier die fossile Großindustrie über ihre Zukunft und wie sie auch in den nächsten zehn, 20 Jahren massive Profite auf Kosten der Bevölkerungen dieser Welt einfahren wird.

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