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Drag Queen liest aus einem Kinderbuch vor

Julian Pöschl

auf laut

Feindbild Drag Queen?

Während „Ru-Paul’s Drag Race“ im TV in die 15. Staffel geht, werden in immer mehr US-Bundesstaaten Drag Shows per Gesetz verboten. Auch in Wien, jahrelang Standort des Lifeball, braucht es für Kinderbuchlesungen von Drag Queens heute Polizeischutz. Die FPÖ will Drag Events für Kinder verbieten, Rechtsextreme drohen mit Gewalt. Was steckt hinter der Aufregung rund um Drag Performer*innen?

Von Claudia Unterweger

Bisher ist es ja ein Randphänomen in Österreich: Drag Queens laden zum Brunch und lesen Kindern aus Märchenbüchern vor. In Wien gab es bisher eine Handvoll Veranstaltungen wie diese. Wenn man sich jedoch die Heftigkeit des Protests dagegen ansieht, könnte man meinen, dass es sich um ein Massenphänomen handelt.

Rechtsextreme haben im Pride Month 2022 vor einer Drag-Queen-Lesung den Eingang der Wiener Hauptbücherei zugemauert. Vergangene Woche hat eine Drag-Kinderbuch-Lesung in einer Wiener Buchhandlung - nach Drohungen im Internet - unter Polizeischutz stattgefunden.

„I have not slept for a week“, sagt Veranstalter Stephane Magloire. Der Exil-New-Yorker organisiert seit Anfang des Jahres seine „Drag Storytime 4 Kids“ in der Türkis Rosa Lila Villa in Wien. Auch Magloire ist nun konfrontiert mit Drohungen aus der rechten Szene. Unter dem Hashtag #dragisnotacrime ruft er mit Verbündeten zur Solidaritätskundgebung rund um die nächste Lesung im April auf.

Vermehrt zu Anfeindungen im Internet gegen Drag Events kommt es, seit der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp Anfang März ein Verbot solcher Veranstaltungen gefordert hat. Inspiration gewinnen die Freiheitlichen durch die „Anti-Drag“-Bewegung in den Vereinigten Staaten. In immer mehr republikanisch regierten Bundesstaaten wird mit „anti-drag bills“ gegen Drag Queens vorgegangen. Diese neuen Gesetze verbieten Drag Shows in der Öffentlichkeit, und zwar überall dort, wo sich Kinder aufhalten könnten.

T-Shirt mit dem Aufdruck "Drag is not a crime"

Julian Pöschl

Die Diskussion, ob Drag Queens Kindern Bücher vorlesen dürfen, ist nun auch in Österreich angekommen. Laut FPÖ brauche es auch hierzulande „einen massiven Widerstand gegen diese Sexualisierungspropaganda für kleine Kinder“. Argumentiert wird mit den Jugendschutzbestimmungen. Die Freiheitlichen haben eine Sondersitzung des Wiener Landtags beantragt, ein Verbot ist vorerst einmal aber am Widerstand von SPÖ, Neos und Grünen gescheitert.

Die Anfeindungen aus der Politik kann Drag-Event-Veranstalter Stephane Magloire nicht nachvollziehen. Er sagt, seine Veranstaltungen seien familienfreundlich und angepasst an ein Daytime-Publikum – vom 5-Jährigen bis zur Oma. Zu Beginn seiner „Drag Storytime“ gibt es für die Erwachsenen eine kurze Einführung zur Kulturgeschichte von Drag und der Tradition von gender-bending auf der Bühne. Dann folge eine Märchenstunde, in der Kinderbücher vorgelesen und mit Verkleidung und Soundeffekten inszeniert werden. In den vergangenen vier Jahren hat Magloire mehr als 100 Drag-Künstler*innen aus aller Welt nach Wien eingeladen, von der Opernsänger*in über Schauspieler*innen bis hin zur Pädagog*in.

„It’s about getting kids involved in a world of diversity, of making them understand that they can be unique“, sagt Magloire. Seine Mission: Aufklärung. „It is all about educating people here in Vienna.“

Bei den Drag-Lesungen für Kinder geht es nicht um Sexualität, es geht um Geschlechterrollen, sagt die Wiener Psychologin Elke Prochazka. Sie sieht diese Shows als gute Gelegenheit für Eltern, sich mit ihren Kindern über die darin verhandelten Themen wie Vielfalt und Akzeptanz auszutauschen.

Alles, was queer ist, wird generell reduziert auf die Sexualität.

„Alles, was queer ist, wird generell reduziert auf die Sexualität“, sagt Marty Huber. Die Mitgründerin des Vereins Queerbase für LGBTIQA-Geflüchtete kritisiert: „Da geht es nicht um Familie, Kinder oder darum, mit wem gehe ich ins Kino, wessen Foto habe ich auf meinem Handy oder am Schreibtisch in der Arbeit. Daher wird auch alles, was eine Drag Queen macht, per se sexualisiert.“ Für die allerorts erstarkenden rechten Gruppen sei das ein einfaches Mittel, um politisches Kleingeld daraus zu schlagen.

Kinder- und Jugendschutz ist ein bewährtes Mittel, um homophobe Panik immer wieder wachzurufen, sagt Huber. Sie verweist auf die Geschichte der österreichischen Debatte rund um das gesetzliche Schutzalter von Jugendlichen und auf alte Vorstellungen von Verführung.

Weitere Form von Homophobie

„Die Rechte merkt, bei gewissen queeren Politiken lässt sich die Zeit nur mehr schwer zurückdrehen“, sagt Huber, „die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist Gesetz. Gegen ‚Love is Love‘ lässt sich nur mehr schwer vorgehen. Da gibt es ein relativ großes gesellschaftliches Übereinkommen. Daher wird dieser Diskurs jetzt massiv auf die Frage des Jugendschutzes und auf die Geschlechtsidentität ausgerichtet.“

Die Mobilisierung rechter Gruppen gegen Drag Queens sei auch im Zuge der Diskussionen um trans Geschlechtsidentität zu sehen. Huber: „Als erstes war und ist die trans Community massiv unter Beschuss, jetzt kommt die Drag Community dran, die auch in Frage stellt, wie sehr Männer in ihrem Dasein klassische Männlichkeiten reproduzieren müssen.“

Drag is not a crime

Die „Drag Storytime 4 Kids“ ist am Sonntag schließlich ohne Angriffe über die Bühne gegangen. Während draußen linke Aktivist*innen Wache gestanden sind, gab es drinnen Luftballon-Tänze mit Drag Queen Freya Van Kant. Vorgelesen wurden „Bunte Geschichten vom Verschiedensein und Zusammenhalten“ und „Raffi und sein pinkes Tutu“.

„Ich bin so froh, dass wir in Wien einen Ort haben, an dem Kinder lernen, dass sie sie selbst sein dürfen und dass jeder wertvoll ist“, postete die Drag-Performerin sichtlich erleichtert. „Drag bringt so vielen Menschen so viel Freude. Und gerade in Zeiten wie diesen, in denen so viel Hass verbreitet wird, ist es wichtig, zusammenzustehen und einander zu feiern.“

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FM4 Auf Laut: Feindbild Drag Queen?

Verbote für Drag Shows in republikanisch regierten US-Bundesstaaten, Polizeischutz rund um Drag-Queen-Lesungen für Kinder in Wien: Sind Drag Queens das neue Feindbild für Homophobie und Transfeindlichkeit? In vielen Teilen der Welt spitzt sich die Lage für Angehörige von LGBTIQA-Communities zu. In Uganda steht nach einem neuen Gesetzesentwurf jetzt auf Homosexualität sogar die Todesstrafe. In Österreich drohen Mitglieder der Identitären, Veranstaltungen von Drag Artists zu stürmen, die FPÖ will Kinderbuchlesungen von Drag Queens verbieten lassen. Warum erhitzen gerade Drag Queens derzeit so heftig konservative und rechte Kreise? Wie steht es aktuell um Homophobie und Transfeindlichkeit in Österreichs Politik und Gesellschaft? Und wie erleben Menschen aus der LGBTIQA-Community die aktuelle Situation?

In FM4 Auf Laut diskutiert Claudia Unterweger mit Drag Artists, LGBTIQA-Aktivist_innen und FM4 Hörer_innen über „anti-drag bills“, das aktuelle Aufflackern von Homo- und Transphobie in Österreich und die Bedeutung der Drag-Kultur für die queere Szene.

Anrufen und mitdiskutieren am Dienstag, 28. März 2023, ab 21 Uhr unter 0800 226 996!

FM4 Auf Laut gibt es auch als Podcast.

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