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Arash T. Riahi und Verena Altenberger

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„Es liegt in unserer Verantwortung, wem wir die Bühne zur Verfügung stellen“

Die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich ist seit knapp einer Woche angelobt und wird weiter scharf kritisiert. Nachdem namhafte Kunstschaffende wie Josef Hader oder Autor Robert Menasse gegen die Koalition protestierten, distanziert sich nun auch die Akademie des Österreichischen Films. Verena Altenberger und Arash T. Riahi im Interview.

Von Alina Schaller

Mit rund 71.000 Euro fördert das Land Niederösterreich dieses Jahr die Akademie des Österreichischen Films, darauf wird jetzt verzichtet. Am Freitag gab die Akademie bekannt, dass sie ihre Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich beendet.

Die Akademie des Österreichischen Films ist nicht nur für die Verleihung des Österreichischen Filmpreises verantwortlich, sondern setzt sich auch für mehr Sichtbarkeit des österreichischen Films in heimischen und internationalen Kinos ein. Sie gilt als Sprachrohr österreichischer Filmschaffender, insgesamt umfasst die Akademie 600 Mitglieder. Die Themen Arbeitssicherheit, faire Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen, niederschwellige Zugänglichkeit und Diversität fallen in den Aufgabenbereich der Akademie, so auch die Anlauf- und Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, Machtmissbrauch und Diskriminierung #we_do!

Im Interview mit FM4 erklärt die Akademie-Präsidentschaft, Schauspielerin Verena Altenberger und Produzent und Regisseur Arash T. Riahi, wie es zu dieser Entscheidung kam und was sie bedeutet.

Verena Altenberger: Diese Entscheidung haben der Vorstand der Akademie des österreichischen Films, die Geschäftsführung und die Präsidentschaft, also Arash und ich, einstimmig getroffen. Wir finden, dass in Niederösterreich Menschen Regierungsverantwortung übertragen bekommen haben, die bewiesen haben, in der jüngeren und in der weiter zurückliegenden Vergangenheit, dass sie nicht vollumfänglich demokratisch handeln; dass sie fremdenfeindlich handeln und denken, dass sie rassistisch handeln und denken, dass sie mehr für eine Spaltung der Gesellschaft sind als für eine Einigung und dass sie sich nicht für alle Menschen, die in Österreich leben, gleichartig einsetzen wollen. Das widerspricht der Haltung, die wir als Filmakademie haben, und deswegen wollten wir von diesen Personen kein Geld annehmen und ihnen auch keine Bühne bieten. Das bedeutet, dass wir auf eine 71.000-Euro-Jahresförderung verzichten. Das ist knapp ein Zehntel der Gesamtförderung der Akademie des Österreichischen Films. Nächstes Jahr wären es sogar 120.000 Euro gewesen.

FM4: Ist die Verleihung des Österreichischen Filmpreises auch betroffen?

Arash T. Riahi: Es geht hauptsächlich um diese Verleihung, die findet jedes zweite Jahr in Niederösterreich in Grafenegg statt. Eine Preisverleihung ist natürlich ein schöner Platz für die Förderer, sich auch selbst zu präsentieren und auf die Bühne zu kommen. Das wird nicht mehr möglich sein. Die Akademie vertritt eine Haltung, eine demokratische, menschenwürdige Haltung, die gegen Rassismus und Diskriminierungen ist. Das sind einfach ganz wichtige, elementare, humanistische Werte, die wir haben und die teilen wir nicht mit bestimmten FPÖ-Politikern, die jetzt in der Regierung sind.

Verena Altenberger: Eine große Bühne bedeutet eine große Verantwortung. Und es liegt in unserer Verantwortung, was wir auf dieser Bühne zeigen, aber auch, wem wir diese Bühne zur Verfügung stellen.

FM4: Gab es schon Reaktionen auf eure Entscheidung?

Arash T. Riahi: Es gab schon eine erste Reaktion aus Niederösterreich, wo sie gemeint haben, wir akzeptierten demokratische Wahlergebnisse nicht. Natürlich sind wir demokratische Menschen und respektieren demokratische Wahlergebnisse. Aber genauso haben wir das Recht, uns dafür zu entscheiden, mit dieser Koalition nicht zusammenzuarbeiten. Es ist auch in der Presseaussendung gestanden, wir sollen nicht vorverurteilen, sondern mal schauen, was passieren wird. Wir verurteilen nicht vor, sondern wir haben geschaut, was passiert ist, etwa die Affäre um die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt mit Herrn Landbauer. Er hat am 1. Februar 2018 vorübergehend alle politischen Funktionen zurückgelegt. Das macht man nicht, wenn alles super gelaufen ist. Das sind Dinge, die unangenehm sind und mit denen wir uns nicht identifizieren. Deswegen haben wir diese Entscheidung getroffen. Nicht weil wir jemanden vorverurteilen, sondern weil wir die Augen nicht verschließen.

Verena Altenberger: Es ist ja nicht jeder Politiker, wenn er demokratisch gewählt wurde, deshalb automatisch ein lupenreiner Demokrat. Diese Regierungskoalition hat vor einer Woche ihr Programm vorgestellt und wir haben entsprechend schnell reagiert. Es geht auch nicht um ein konkretes Bashing einer konkreten Partei oder einer bestimmten Koalition, die in anderen Bundesländern ja auch besteht. Es geht uns wirklich als Akademie darum, dass Menschen, die jetzt in Niederösterreich in Regierungsverantwortung sind, bewiesen haben, dass sie undemokratisch handeln und dass sie andere Menschen exkludieren, dass sie nicht für Gendergerechtigkeit einstehen, dass sie rassistisch sind. Diesen Personen wollen wir keine Bühne bieten.

FM4: Würdet ihr euch ähnliche Aktionen wie eure von anderen Kunstschaffenden oder Institutionen wünschen?

Verena Altenberger: Also mir persönlich ist es in dem Fall wichtig zu betonen, dass das eine Entscheidung war, die wir als Akademie getroffen haben und die die Akademie betrifft. Es ist wirklich jedem und jeder überlassen, welche Konsequenzen man zieht, wie man selber dem Ausdruck verleiht, welche Haltung man hat. Also unser Schritt soll nicht andere Kunstschaffende unter Druck setzen. Uns war es wichtig, dass wir die Möglichkeit haben als Akademie des Österreichischen Films diese Haltung zu zeigen. Das wollten wir sehr schnell und sehr sichtbar machen. Deshalb dieser doch recht krasse Schritt von unserer Seite.

Arash T. Riahi: Man muss auch sagen, dass das Land Niederösterreich sehr viele progressive Kulturinstitutionen und kulturelle Veranstaltungen fördert. Es ist wichtig, dass das weiterbesteht. Wir haben auch gelesen, dass das Geld, das wir jetzt nicht verwenden, für andere kulturelle Dinge verwendet wird. Das ist gut so, uns ist es um diese Veranstaltung gegangen. Es geht nicht um kulturfreundliche ÖVP-Politiker:innen. Es geht um diese eine Konstellation, um diese Kooperation, die nicht passt für uns.

FM4: Wie hat man nun mit Dreharbeiten und Filmprojekten, die in Niederösterreich stattfinden, umzugehen?

Verena Altenberger: Das sind zwei Paar Schuhe. Das eine ist ein fertiges, unabhängig frei gestaltetes Drehbuch, das dann vielleicht an manchen Drehtagen in Niederösterreich gedreht wird. Da wird ja jetzt hoffentlich nicht eine Regierungskoalition anfangen, an Drehbüchern mitzuschreiben. Wenn dem so wäre, müsste man nochmal ganz anders reagieren. Für uns ist die Entscheidung darauf basierend gewesen, dass wir sagen, wir haben da eine Veranstaltung, die in diesem Bundesland stattfinden soll, mit Geldern aus diesem Bundesland. Die Veranstaltung beinhaltet eben, dass wir der jeweiligen Regierung dort die Möglichkeit der Sichtbarkeit gewährleisten. Und das können und wollen wir nicht leisten.

FM4: Woher sollen nun die ausgeschlagenen Fördersummen kommen?

Arash T. Riahi: Als erstes werden wir unsere Mitglieder um einen Solidaritätsbeitrag fragen, um einen Teil oder vielleicht die gesamte Summe zu kompensieren. Und dann sehen wir weiter. Es ist bereits ein Mail an die Mitglieder hinausgegangen, wir haben circa 600 Mitglieder. Der erste Betrag, der gespendet worden ist, waren bereits 1.000 Euro. Also es gibt viel Zuspruch und viele sagen: Toll, dass ihr so schnell reagiert habt. Das ist ein Zeichen, das man manchmal setzen muss. Es gibt diesen schönen Spruch: Haltung beginnt da, wo sie einem schadet. Da merkt man dann, wie egoistisch Menschen sind oder wie sehr es ihnen um ein Prinzip und um Werte geht, für die man bereit ist, auch selbst was einzustecken.

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