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Der weiße Kobold

ORF / Lotus Film

In „Der weiße Kobold“ ignoriert Marvin Kren Genregrenzen auf schönste Weise

Ein Kunstkrimi voller Melancholie, Atmosphäre und herrlich depperten Pointen: So etwas kommt normalerweise aus Indie-USA. Plötzlich wird Wien nun zu einem Schauplatz á la Scorsese und Jarmusch, mit einem überdrehten Touch von Guy Ritchie.

Von Christian Fuchs

#184 FM4 Film Podcast: Maya Unger zu Gast

In Marvin Krens Stadtkomödie „Der weiße Kobold“ taumelt man mit Maya Unger eine Nacht durch Wien. Im FM4 Filmpodcast spazieren Pia Reiser und Christian Fuchs mit der Schauspielerin durch die Filme, die sie geprägt haben. Von ersten Kinobesuchen, von der Kinotour, bei der sie ihre Mutter (Regisseurin Mirjam Unger) als Kind begleitet hat, über die große Liebe zum Indiekino der 1990er Jahre bis hin zu einer zu frühen Begegnung mit Ingmar Bergmans „Persona“.

Als Superbonus gibt es dann auch noch das Kriminalhörspiel „Harmonie - Ein Fall für Dattinger und Kastner“ von Hannes Duscher und Roland Gratzer zu hören, in dem Maya Unger eine Polizeipsychologin spielt.

Anhören ab Mitternach im Radio und überall, wo’s im Podcasts gibt.

Man kennt den Wiener Regisseur Marvin Kren wegen düsterer Stoffe. In seinem Spielfilmdebüt „Rammbock“ terrorisieren Zombies einen Berliner Innenhof, in „Blutgletscher“ verschmelzen Heimatfilm und Creature Horror, mit dem Großstadtthriller „4 Blocks“ und dem mystischen Psychoanalyse-Krimi „Freud“ schaffte er den Sprung in den internationalen Serienmarkt. Jetzt präsentiert Marvin Kren seine erste echte Komödie.

"Der weiße Kobold“ feiert am 3. April im ORF Premiere, meine Wenigkeit war vorab begeistert und hat mit dem sympathischen Regisseur gesprochen.

Marvin, man schätzt dich als Regisseur sehr dunkler Themen, jetzt präsentierst du eine echte Komödie. Hast du eine neue Herausforderung gesucht?

Marvin Kren: Der Film ist nach „Freud“ entstanden, also auch in der Corona-Lockdown-Phase, das waren jetzt nicht unbedingt die hellsten Zeiten. Meine Frau hat mich damals auf einen unserer Lieblingsfilme aufmerksam gemacht, „After Hours“ von Martin Scorsese, den ich jedem Filmfreak ans Herz lege. Ein Film aus den 80er-Jahren, der eine wilde Nacht lang in New York in einem Künstlerviertel spielt. Meine Frau meinte: „Da ist doch alles drinnen, was auch in deinem Leben passiert. Überleg dir doch mal einen lustigen Stoff“. Und da hat sie was losgetreten. Ich fühlte mich total inspiriert, sofort den „Weißen Kobold“ zu schreiben - und ich muss sagen, dass es mein Lieblingsfilm und der Star unter meinen Filmen geworden ist.

Jetzt muss ich ja gestehen, dass sich in der FM4 Filmredaktion niemand um deutschsprachige Komödien reißt, vorsichtig formuliert. Aber die kleine Sensation im Zusammenhang mit „Der weiße Kobold“ ist: Du hast dieses Genre nicht nur sehr virtuos gemeistert, du fügst dem auch so eine wienerische Schlagseite hinzu.

MK: Es muss eben authentisch und echt sein. Und zum Glück bin ich Wiener und kenne sozusagen diese Typen, die ich da porträtiere, ganz gut. Ich glaube, es ist sehr wichtig, auch für eine Komödie, dass man einerseits Stereotypen erzählt, aber sozusagen aus einem ganz eigenen, persönlichen Blickwinkel. Das habe ich da versucht, und es hat für mich als Macher funktioniert und funktioniert hoffentlich auch für die Zuseher.

Marvin Kren und Christian Fuchs

Radio FM4

Marvin Kren & Christian Fuchs

In den Kunstkosmos eintauchen

Am ehesten ist diese Mischung aus abstrusem Humor und totaler Ernsthaftigkeit mit den Wolf-Haas- Verfilmungen von Wolfgang Murnberger vergleichbar. Daran knüpfst du an, fügst aber neben Scorsese auch ein bisschen Guy Ritchie hinzu, ein ganz eigener Mix.

MK: Ja, der Ansatz war, dass wir eine Komödie machen, aber mit den Mitteln eines Thrillers. Also das Licht ist dem Thriller entlehnt, teilweise die Musik, der Schnitt, die Kameraführung. Und dadurch entwickelt sich wahrscheinlich so eine Ernsthaftigkeit, die dann plötzlich in etwas total Skurriles kippt. Der Kontrast ist wichtig, dass man sich nicht nur aufs Lustige setzt, sondern dass man sagt: oOkay, jetzt wird es wieder ernsthaft spannend.

Der Film porträtiert auf eine liebevolle, aber auch sarkastische Weise die Wiener Kunstszene. Hast du viel recherchiert oder bewegst du dich auch in dieser Szenerie?

MK: Ich bin sozusagen in einer Künstlerfamilie aufgewachsen, meine Oma war eine ganz tolle Weberin. Ich war immer umgeben von den Leiden des Künstlers, als Kind fand ich das gar nicht so interessant. Später lebte ich eine Weile in Hamburg und auch sonst in Deutschland. Als ich dann nach Wien zurückgekommen bin, saß ich dann einmal am Mittagstisch im Cafe Engländer mit dem Yung Hurn, dem DJ Wolfram und dem Martin Granditz. Und plötzlich erinnerte mich das an die Zeit, als ich als Kind mit solchen Leuten zusammen gesessen sind. Die Leiden, die Wildheit der Künstler, die haben sich gar nicht nicht verändert, sie haben nur neue Namen. Es war eine große Inspiration in diesen Kosmos einzutauchen.

Der weiße Kobold

ORF / Lotus Film

Figuren abseits gängiger Klischees

Jetzt hast du schon deine Familie erwähnt. Es ist ja ein kleines Markenzeichen deiner Filme, dass deine Mama Brigitte Kren öfter mitspielt und einen Auftritt hat, der diesmal besonders charmant gelungen ist...

MK: Die Mutter spielt oft in Filmen von mir mit und dann meist sehr strenge, kantige Frauen. Und ich dachte mir, es wäre schön, ihr was Weicheres zu geben, etwas Melancholisches. Es ist eine wunderschöne Tanzszene aus dieser Idee geworden.

Frederick Lau, der als Protagonist deiner Mutter begegnet, war schon in „4 Blocks“ dabei. Diesmal trifft er als deutscher Speditionsangestellter im Wiener Nachtleben auf Maya Unger. Deren Figur ist auch sehr speziell konstruiert und toll gespielt, weil nur ganz kurz die klassische Femme fatale aufflackert, sie bewegt sich abseits gängiger Klischees.

MK: Ja, die Rolle der Maya Unger, die ich übrigens großartig finde und von der ich glaube, sie wird ein Star im deutschsprachigen Film, ist inspiriert von einer echten Figur. Nämlich von Emma Kaiser, einer Galeristin und Kunstmanagerin, die ich schon lange kenne. Während viele in Wien ihre Beziehungen oder die Familie nutzen, hat sich total ein eigenes Standbein als Kulturmanagerin aufgebaut. Und sie wird in diesem Haifischbecken sehr ernst genommen, steht da ganz solitär da. Emma war die große Inspiration für Maya, die haben sehr viel Zeit miteinander verbracht. Alles Strafrechtliche um diese Figur ist allerdings Fiktion (lacht).

Was ist denn das schlimmere Haifischbecken, die Film-und Serienwelt oder die Kunstszene?

MK: Ich glaube, die sind beide recht schlimm - und man muss am Ende des Tages alles immer mit einem Augenzwinkern betrachten. Sonst kriegt man da Magengeschwüre.

Der weiße Kobold

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Zurück in die Gangsterwelt

Jetzt hast du die deutschsprachige Komödie reanimiert. Du arbeitest aber an einer neuen Serie, die auf einem ganz anderen Terrain spielt. Kannst du da bitte was erzählen?

MK: „Kriminell“ heißt die Serie für Netflix, ein achtteiliges Gangs-Gangster-Roadmovie, das quer durch Europa führt. Alles beginnt in Berlin und vorläufig endet die erste Staffel in Marseille. Das ist insofern spannend, weil es sich sozusagen aus dem Kosmos von „4 Blocks“ herausarbeitet, aber im Ton etwas leichter und größer ist - und nicht so bierernst. Die Stimmung liegt zwischen „Der weiße Kobold“ und „4 Blocks“.

Ja, der Humor liegt dir. Hast du Lust, in Zukunft noch mehr in die Richtung zu machen?

MK: Der „Kobold“ war auf jeden Fall eine Art Befreiung für mich, weil ich es mir schon sehr in den düsteren Tönen bequem gemacht habe. Ich glaube, Licht und Witzigkeit ist etwas, das wir jetzt alle gerade sehr brauchen. Deswegen werde ich mich dem Bereich mehr öffnen.

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