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Rider stellen mit dem Fahrrad Essen zu

ORF.at | Christian Öser | Montage

Die Odyssee der Mjam Rider

Mitte Mai wird Mjam wieder zu Foodora. Das Branding des grünen Essenslieferanten wird rosa. Das Unternehmen verspricht bessere Arbeitsbedingungen und versucht damit neue Rider anzuwerben. Die Initiative Riders Collective steht dieser Entwicklung kritisch gegenüber.

Von Alexandra Rodriguez-Breña

Während Essenszulieferer in der Zeit der Pandemie einen wirtschaftlichen Boom erlebten, sind die Umsätze mittlerweile wieder zurückgegangen und es muss gespart werden. Sowohl Mjam als auch Foodora gehören zu dem Mutterkonzern Delivery Hero. Das geplante Rebranding von Mjam zu Foodora soll jetzt bei den Einsparungen helfen. Foodora hat Standorte in Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Ungarn, der Slowakei und Tschechien und bald auch wieder in Österreich. Überall wird dann dasselbe Branding verwendet werden.

Firma wirbt mit besseren Arbeitsbedingungen

Für die Konsument*innen soll sich nicht viel ändern. Das erfolgreiche Prinzip der Essensbestellung via App am Handy bleibt gleich. Neu ist ein Abo-Service, bei dem man für die Liefergebühren eine Pauschale bezahlt.

Für die Rider soll es auch neue Angebote geben. Sie sollen von einem „Benefit-Programm“ profitieren können. Da gehe es um Lebensmittelgutscheine, Vergünstigungen in Fitnessclubs und kostenlose Deutschkurse, so Geschäftsführer Herbert Haas. Zusätzlich soll sich, laut Haas, auch der Lohn für Rider mit freiem Dienstvertrag um 10 Prozent erhöhen.

Mitglieder der Initiative Riders Collective, die sich für die Interessen der Fahrer*innen einsetzt, stehen dem Benefit-Programm kritisch gegenüber. Sie sagen, sowohl das neue Bezahlsystem, das es bereits seit Februar gibt, als auch der Auftragsalgorithmus, der den Fahrenden ihre Aufträge zuteilt, bringe neue Probleme mit sich.

Aktuell sind rund 2.600 Fahrradkuriere in Österreich im Einsatz - allein in Wien sind es rund 1.600. Neben den Speisen von etwa 6.000 Restaurants liefern die Bot*innen auch Lebensmittel, Medikamente und Bücher. Mehr als 90 Prozent der Mjam Rider sind freie Dienstnehmende, knapp 10% sind angestellt.

Wie werden die Aufträge vergeben?

Die Aufträge werden mithilfe eines Batch System vergeben, welches die Fahrer*innen nach Kriterien wie Pünktlichkeit oder Verlässlichkeit in verschiedene Gruppen teilt. Ein besserer Batch bedeutet bessere Aufträge.

Zusätzlich zu diesem Batch System vermutet die Gewerkschaft, dass für den Vergabe-Algorithmus neuerdings auch zählt, wie lange ein Rider schon für Mjam fährt. Der Gewerkschaft, dem Betriebsrat und auch Fahrer*innen würde nämlich auffallen, dass neu angeheuerte Rider bevorzugt werden. Diese Maßnahme hänge mit den sich häufenden Protesten der Mjam-Fahrer*innen zusammen, vermutet die Betriebsrätin Adele Siegl. Menschen, die den Essenszulieferdienst schon lange als finanzielles Standbein haben, würden so weniger Aufträge mehr zugewiesen bekommen.

Mjam weißt das in einer Stellungnahme von sich: „Die Auftragszuteilung hängt in keinster Weise mit der Dauer der Tätigkeit für unser Unternehmen zusammen. Es gibt und gab in den letzten drei Jahren keine Änderung am Algorithmus“. Ganz im Gegenteil würde sich „eine längere Tätigkeit für unser Unternehmen positiv auf den Batch auswirken“.

Fahrradzusteller und -zustellerinnen demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen

Riders Collective

Mjam-Zusteller*innen demontrierten im Februar 2023 schon zum dritten Mal. Das Riders Collective ist eine Initiative, die sich als Vermittlung zwischen den Fahrer*innen und der österreichischen Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft versteht. Die Initiative will die Rider über ihre Rechte aufklären und Zusammenarbeit und Solidarität unter ihnen fördern - unabhängig davon, für welches Zustellunternehmen sie arbeiten.

Adele Siegl hat 2017 den Betriebsrat in der Mjam GmbH mitgegründet und ist seit damals Vorsitzende. Sie glaubt, dass die derzeit bestehende Flotte an Fahrer*innen für die Auftragslage eigentlich groß genug sei. Siegl meint, Mjam rechne damit, dass viele Rider gehen werden und Leute nachkommen, die „weniger Probleme machen und hoffentlich zufriedener sind“.

Die Namen der Rider wurden für diesen Text auf ihren Wunsch hin geändert.

Heinz war früher Fahrer bei Mjam und ist noch immer im Riders Collective aktiv. „Während hunderte neue Fahrer*innen unter Vertrag gestellt werden, können die alten Fahrer*innen wenige bis keine Schichten mehr buchen. Das heißt, dass Leute, die zuvor 30 bis 40 Stunden in der Woche gearbeitet haben, nun gar nicht mehr zu der Möglichkeit kommen, arbeiten zu können. Das betrifft sehr viele Personen, die vorher ihren Lebensunterhalt damit bestritten haben.“

Die Fahrer*innen, die sich ihre Fahrzeuge oft auf eigene Kosten anschaffen, stehen wegen offener Ratenzahlungen bei schlechter Auftragslage massiv unter Druck.

Kompliziertes Bezahlmodell

Das neue Bezahlmodell, mit welchem die Firma wirbt, ergebe einen um 10 Prozent höheren Lohn - nämlich laut Mjam durchschnittlich 4,40 Euro anstatt 4 Euro pro Bestellung. Durchschnittlich könne ein Rider pro Stunde drei Bestellungen schaffen, was einen Stundenlohn von 13,20 Euro ergebe. Außerdem würden die Fahrer*innen für längere Lieferstrecken zusätzlich bezahlt. „Das war im alten Bezahlmodell nicht in der Dimension gegeben“, sagt Geschäftsführer Herbert Haas.

Heinz vom Riders Collective widerspricht dem: „Es ist viel komplexer geworden. Die Distanzen, die man fährt, sind unterschiedlich, deswegen sind es manchmal pro Bestellung 3,80 Euro, mal 4,50 Euro. Diese Durchschnittszahlen, die da genannt werden, schlagen sich laut unseren Informationen leider nicht so nieder bei den Leuten, wie das Mjam eben gerne postuliert.“

Mjam sucht neue Mitarbeiter*innen

Radio FM4 | Alexandra Rodriguez-Breña

Durch das neue Bezahlsystem zahle es sich zwar aus, längere Distanzen zu fahren, da diese nun besser bezahlt werden, gleichzeitig könne man aber weniger Fahrten pro Stunde annehmen.

Auch Florian ist Fahrer bei Mjam und erzählt, dass er nun für eine Lieferung in den 19. Wiener Gemeindebezirk zwar mehr verdiene, es in weiter entfernten Gebieten aber oft an Restaurants mangele, bei denen er anschließend eine neue Abholung machen könnte. Er muss für die nächste Lieferung also wieder zurück in einen zentraler gelegenen Bezirk und so gehen Zeit und Geld verloren.

Edit: Die Geschichte wurde um weitere Stellungnahmen von Mjam ergänzt.

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