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Screenshot aus dem Computerspiel "The Last Worker"

Oiffy, Wolf & Wood Interactive Ltd, Wired Productions

Game

„The Last Worker“ ist eine maue Kritik am Spätkapitalismus

In diesem Game spielen wir den titelgebenden letzten Lagerarbeiter in einem immensen Logistikkonzern, der die Gesellschaft komplett von sich abhängig gemacht hat. Trotz großer Vorbilder und guter Ansätze kommt die interaktive Geschichte über eine langsam revoltierende Arbeitsbiene und ihre Roboterfreunde nicht in die Gänge.

Von Robert Glashüttner

Menschliche Arbeitsdrohnen inmitten von bedrohlicher Technologie, dargestellt durch stampfende, dampfende Maschinen in riesigen Hallen. Das ist ein recht klassisches dystopisches Szenario zahlreicher Science-Fiction-Geschichten, das in frühen Filmen wie „Metropolis“, Cyberpunk-Romanen wie „Snow Crash“ oder eben auch Computerspielen wie „Portal“ gerne ausgebreitet wird.

Die „Portal“-Serie war zweifellos auch ein Vorbild für das aktuelle erzählerische Computerspiel „The Last Worker“ des belgischen Autors und Regisseurs Jörg Tittel und seiner Produktionsfirma Oiffy. Da wie dort sind wir in einem weitverzweigten Labyrinth gefangen, wo wir uns Raum für Raum vorwärts kämpfen und versuchen, dem hostilen System zu entkommen. „The Last Worker“ erzählt die Geschichte von Kurt, dem letzten Lagerarbeiter in einem offenkundig an Amazon angelehnten Logistikkonzern namens Jüngle, der mehr oder weniger die Welt an sich gerissen hat.

Was uns bekannt vorkommt

Die Parallelen stechen von Anfang an ins Auge: Statt der fiesen, künstlichen Intelligenz GLaDOS aus „Portal“ gibt es hier den durchgeknallten CEO Josef Jüngle, der uns immer wieder mittels Durchsagen und Videoclips zum effizienter Arbeiten motiviert oder uns mit dem Rausschmiss droht, wenn wir uns nicht noch mehr abrackern. Statt der in britischem Akzent sprechenden Flugdrohne Wheatley aus „Portal 2“ gibt es in „The Last Worker“ die in britischem Akzent sprechende Flugdrohne Skew. Die Wesensarten dieser zwei Figuren sind quasi austauschbar.

Einfallsreicher wird das Game bei der Art der Fortbewegung. Wir sitzen nämlich mit Kurt die ganze Zeit über auf einem schwebenden Gabelstapler, mit dem wir in überdimensionalen Lagerhallen horizontal und vertikal die Ware sichten, überprüfen und wahlweise zum Versand oder zum Recycling abliefern. Ist ein Paket beschädigt oder falsch markiert, muss es entsorgt werden. Zu Beginn ist das unsere einzige Aufgabe: Mit einer Gravity Gun ziehen wir die jeweilige Ware auf unseren Stapler, markieren sie bei Bedarf und liefern sie ab. Später können wir auch Gegenstände mit einem Tracker versehen und sogar Paneele hacken.

Durchwachsene Steuerung

Bis man die Steuerung der Lagerarbeit mit dem Schwebestapler einigermaßen im Griff hat, stößt man aber erst mal das eine oder andere Schimpfwort aus. Die Handhabung funktioniert nämlich umständlicher, als sie es müsste, was wohl daran liegt, dass „The Last Worker“ ein Game für Virtual-Reality-Headsets ist, aber gleichzeitig auch ohne VR funktionieren soll. Die Steuerung für beide Anwendungsfälle zu optimieren, ist aber ziemlich schwierig, und dieses Game ist leider keine Ausnahme.

Screenshot aus dem Computerspiel "The Last Worker"

Oiffy, Wolf & Wood Interactive Ltd, Wired Productions

Nun würde man die hakelige Spielsteuerung hinnehmen, wenn dafür das Storytelling gut wäre. Weil die visuellen, spielerischen und erzählerischen „Portal“-Referenzen so stark sind, erwartet man sich naturgemäß eine ähnlich hohe Qualität wie jene der Vorlage. Doch „The Last Worker“ enttäuscht auch auf dieser Ebene: Die Charaktere sind oberflächlich geschrieben, die Sprache ist platt, die Entwicklung der Story erwartbar und die Kapitalismuskritik bleibt an gängigen Klischees hängen.

„The Last Worker“, entwickelt von Oiffy und Wolf & Wood Interactive Ltd, ist im Vertrieb von Wired Productions für PS5, Switch, Xbox Series S/X und Windows sowie für diverse VR-Systeme erschienen.

Dem von uns gesteuerten Protagonisten Kurt nimmt man seine wachsende Dissidenz nicht ab, er bleibt bis zum Schluss ein lahmarschiger, gleichgültiger Charakter, der zu den subversiven Handlungen mehr oder weniger gedrängt wird. Die anderen beiden Hauptfiguren - die bereits erwähnte Flugdrohne Skew und eine weitere Drohne, die die Informationen über den sich formierenden Jüngle-Untergrund liefert - verleihen dem Verlauf der Geschichte ebenso wenig Tiefe und verlaufen sich etwa in bemühten Streitdialogen.

Spielerisch müssen wir - abseits der bereits erwähnten Lagerarbeit, die uns bis zum Spielende begleitet - durch Räume navigieren und dort oft Wachdrohnen ausweichen. Weil Kurt aber immerzu auf seinem Stapler sitzt, bleibt die Fortbewegung träge. Das hat unter anderem die steifsten Stealth-Missionen der jüngeren Games-Geschichte zur Folge.

Gute PR, enttäuschendes Ergebnis

„The Last Worker“ hat vorab mit einer guten Öffentlichkeitarbeit punkten können. Der fiese CEO Josef Jüngle, die bizarren Lagerhallen und der bärtige Lagerarbeiter haben viele Assoziationen und Erwartungen evoziert, die die Vorfreude auf dieses Spiel groß werden haben lassen. Schade, dass davon nun fast nichts übrig geblieben ist und ein durchschnittliches „Portal“-like daraus wurde, das sich selbst zu ernst nimmt und verkrampft mehr sein möchte, als es ist.

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