FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Felix Kramer

Phat Penguin

Über schlechte Witze lachen

Felix Kramer ist kein Angeber, vielleicht sind seine Lieder deshalb so gut. Sein neues Album nennt er „Oh wie schön das Leben is“.

Von Lisa Schneider

„Ich glaub man könnt’ sehr viele Dinge einfach nur damit erklär’n, dass wir alle tief drinnen doch auch gerne wichtig wär’n“, singt Felix Kramer im Lied „Donau“, sehr schön da also herausgemeißelt der Unterschied zwischen Erkenntnis und nicht vorhandenem Veränderungswillen. Wieso soll man nicht wichtig sein wollen? Wieso soll man nicht wollen, dass die Sachen, die man am liebsten macht, die wichtigsten sind? Naja, es geht im Lied „Donau“ ja auch noch weiter. „Was man am besten kann, ist nicht immer das, was man liebt, am Ende muss man das machen, wo dir wer Geld dafür gibt“.

Felix Kramer Albumcover "Oh wie schön das Leben ist"

Phat Penguin

„Oh wie schön das Leben is“ nennt Felix Kramer sein neues Album und meint’s auch so.

Es geht viel um Geld und Erfolg und Idealismus am neuen Album von Felix Kramer, es geht auch im Interview viel darum. Sich Dinge leisten zu können, damit sie so werden, wie sie einem im Kopf tanzen, gut zu wohnen, zu leben, zu essen und auszugehen. Gute Musik zu machen und die auch gut umzusetzen. Es fallen hörbar Steine von Schultern, jetzt endlich, wo es da ist, das dritte Album von Felix Kramer. „Dass es jetzt so klingt, wie es klingt, ist komplett absurd“, so Felix, der, nachdem er aufgezählt hat, was am Album musikalisch alles passiert, vor lauter Nicht-Luftholen fast vom Sessel fällt.

Ausgangspunkt: besagtes Nichtbesitzen von Budget und gleichzeitig aber die großen Visionen. Felix Kramer hat einen guten Freund, Mitmusiker und Produzenten namens Max Wintersperger (spricht er vom Aufnahmeprozess, sagt er immer „wir“), der alle kleinen und großen und wahnsinnigen Ideen von Tag eins an unterstützt hat. Da war dann auch schnell das WG-Zimmer von Felix mit einer Bettdecke abgehängt, Mikroständer und Laptops ausgepackt, Instrumente ausgeborgt und sonst halt alles dazu fantasiert, was man für ein provisorisches Aufnahmestudio braucht.

Hunderte Gitarrenspuren, Streicher, Trompete, Synths, eine Brass-Sektion, Klavier und: ein Saxophon. Wer soll diesen Aufwand bestreiten in Zeiten, in denen nichts auf der hohen Kante liegt. Immerhin nehmen Menschen, die Musik machen, meistens dann Geld für den Winterschlaf ein, wenn sie Konzerte spielen. Da war ja aber die Pandemie, die alles verschoben und viel zerstört und aber auch ein paar Blüten getrieben hat. Die schönste, das Gänseblümchen unter ihnen, heißt „Oh wie schön das Leben is“ und ist gleichzeitig Single- und Albumtitel.

Betrunkene zu nasse Küsse
Mein eigenes Bett vermissen
Zu lang auf der Party bleibn
Und dann in die Ubahn speibn

Mäcki essen vom Tablett
Der Geruch von Pommesfett
Ballermann und Après Ski
Nudelbox am Frequency

Kebabstand und Nachtubahn
Mit Familie autofahrn
Schiache Hostels Flixbusklos
Publikum bei Fernsehshows

Avengers im Cineplexx
Badezimmerpartysex
Schlägereien von Hooligans
Dauercampercampingvans

Der Text ist so gut, er müsste hier in voller Länge abgedruckt sein, aber ihr wisst auch so, worauf’s hinausläuft. Felix Kramer hat eine Hymne geschrieben, die aktuell wie nichts anderes dieses seltsame Weh einfängt, ganz genau jetzt am Leben zu sein. Jetzt geht’s ja wieder, das Ausgehen und Trinken und Käsekraineressen um fünf Uhr früh. Als der Text entstanden ist, war er noch ein Gedicht und draußen war Corona.

Und Felix Kramer predigt halt nicht, wo wir wieder bei der Sache mit der Angeberei wären. Man kann naiv sein und man kann gut drauf sein, und man kann eh viel wissen und sich trotzdem bemühen, gut drauf zu sein. Wenn’s nicht so ein Klischee wäre, wär’ das ja fast schon der Output, mit dem man eine Therapie abschließen könnte. „ALLES ist mühsam, JEDER Tag“, weiß Felix, aber wenn ihn der Mist der letzten drei Jahre etwas gelehrt hat, dann etwas über die Wahrheit in den Dramen, die wir brauchen, um uns richtig lebendig zu fühlen. In-die-U-Bahn-Speiben inklusive.

Schon für seine ersten beiden Alben ("Wahrnehmungssache, 2018 und „Alles gut“, 2020) hat Felix Kramer viele Schulterklopfer für „genaue Beobachtungen“ bekommen, er macht das Betrachten und dann Notieren von Dingen, die an vielen von uns vorüberziehen, noch immer sehr gut. Vor allem ist er auch ein guter Situations-Zerstörer, das klingt etwa so: „Ich bleib’ sitzen, bis die Sonne untergeht / und die Gelsen kommen“. Bevor’s zu kitschig wird, grätscht das Leben rein, im Leben und in den Liedern von Felix Kramer. Manchmal grätscht er sogar selbst über die Meta-Linie hinaus und ist sein eigener Betrachter: „Mein Gedanke ist weg, ich hoff’ er kommt gleich wieder / Manchmal wenn ich down bin, schreib’ ich gerne Lieder“.

Felix Kramer verortet sich und seine Lieder im Wien eines Menschen, der demnächst auf die 30 Jahre Lebensalter zugeht, und das Schöne ist, dass man das nicht in Sätzen über ihn selbst erfährt, sondern, wenn er von anderen erzählt. Im Song „Deine Gründe“ hört er einer Freundin zu, Setting: eine Bar mit „guten Drinks“. Manchmal ist er halt trotzdem auch ein bissi Bobo. Diese Freundin also, sie denkt über diesen Typen nach, mit dem sie nichts anfangen sollte, berufsmäßig macht sie „irgendwas mit Sprache“ (also leider Werbung) und hätt’ gern Kinder, irgendwann.

Alles also einfach ur anstrengend, ur kapitalistisch verstrahlt, ur sexistisch überzogen, die Welt eben, durch die wir gerade und immer noch strudeln (man kann sich btw einen schönen Spaß draus machen, die Anzahl des Wortes „ur“ auf diesem Album zu bestimmen; irgendwann hat mal ein deutscher Kollege gemeint, das ist neben dem ebenfalls Verstärkungswörtchen „voll“ für ihn das Urwienerischste, was neben Schnitzel und Sisi so geht).

Felix Kramer LIVE

Fr., 02.06.23 Krems, Cinezone
Sa., 03.06.23 Wels, Schlachthof
Di., 06.06.23 Wien, Porgy & Bess
Mi., 11.10.23 Wien, Arena
Do., 12.10.23 St. Pölten, Cinema Paradiso
Do., 19.10.23 Baden Cinema, Paradiso
Sa., 04.11.23 Waidhofen / Thaya, Igel
Do., 09.11.23 Linz, Blackbox
Fr., 10.11.23 Ambach, Vereinshaus
Sa., 11.11.23 Ebensee, Kino

Brass und Drumcomputer und Saxophon, da hört man viele Dinge oder deren Kombination, die man bei Felix Kramer so noch nicht gehört hat. Er ist eben einer, der’s fast nicht mehr sagen mag, das: „Hm ja, ich spiel Gitarre und ich sing’!“ Er findet das „lame“, wir nicht, sind aber gern auf seiner Seite bezüglich noch mehr, noch größer und vor allem: mehr Band.

Beim Releasekonzert am 6. Juni im Wiener Jazzclub Porgy & Bess wird alles aufgefahren, was irgend nötig und möglich ist. „Woher weiß man eigentlich, dass man gut genug ist?“, fragt Felix Kramer auch nochmal am sehr guten Lied „Donau“, das überhaupt übervoll ist mit guten Satz- und Wortideen, ihr habt es bemerkt. Man weiß es eh nie. Das müssen einem schon die Fans sagen.

mehr Musik:

Aktuell: