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Fotos von der Demo von Change for the Youth, einer neuen Jugendbewegung für mehr mentale Gesundheit

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Mental Health Matters

Mit „Change for the Youth“ fordert eine Gruppe Jugendlicher bessere psychosoziale Versorgung von jungen Menschen. Gründerin Kiana kämpft nach einem Suizidversuch für Psychotherapie auf Krankenschein, höhere Pflegebezahlung und Präventionsarbeit an Schulen.

Von Barbara Köppel

Kiana – grüne Haare, Nasenpiercing, Tattoos auf den Händen – ist der Grund, warum es Change for the Youth heute gibt: „Der Auslöser war mein Suizidversuch. Ich habe nur wenige Tage davor den Mut aufgebracht, um Hilfe zu bitten. Aber ich wurde weggeschickt, gedemütigt und enttäuscht. Dann habe ich mit meinen Freunden beschlossen, dass sich etwas ändern muss.“

In Österreich hat mehr als jedes 5. Mädchen und jeder 10. Bursch unter 18 Jahren depressive Symptome: Stress- und Angstzustände, Essstörungen, Selbstverletzungen oder Suizidgedanken. Zu diesem Ergebnis kommt die WHO-Studie zur Gesundheit österreichischer Schüler*innen 2021/22.

Die heute 18-Jährige erzählt ihre Geschichte routiniert und ohne emotional zu werden. Sie spürt schon früh, dass sie psychische Probleme hat. Mit 11 beginnt Kiana sich selbst zu verletzen. Während der Lockdowns erträgt sie die Isolation nur mit Drogen, mischt sich lebensgefährliche Cocktails aus „Benzos“ und Alkohol. Benzodiazepine sind Beruhigungsmittel, die leicht erhältlich sind und stark abhängig machen. „Es ist total einfach, sich was zu checken“, erzählt Kiana. „Eine Bekannte hat mir das zugänglich gemacht. Aufgrund meiner Symptomatik hätte es helfen sollen. Aber ich bin einfach nur süchtig geworden.“

Fotos von der Demo von Change for the Youth, einer neuen Jugendbewegung für mehr mentale Gesundheit

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No future on a sad planet

Im Herbst 2022 wird Kiana nach einer Überdosis stationär aufgenommen und ohne Therapie entlassen. Einen Ersttermin hätte sie eineinhalb Monate später bekommen können. Bis dahin verfällt sie in alte Muster. Im Februar bittet sie in einer Wiener Psychiatrie erneut um Hilfe und wird abgewiesen. „Die haben mich nicht ernst genommen und gemeint, ich suche nur Aufmerksamkeit, obwohl ich klipp und klar gesagt habe, dass ich in einer Akutsituation bin. Ich habe nur ein Medikament bekommen, von dem ich nicht mal den Namen wusste und wurde heimgeschickt. Ich glaube, sie waren froh, ihre Arbeit schnell zu erledigen.“ Wenige Tage später folgt der Selbstmordversuch. Das war Anfang März. Kianas Lendenwirbel ist gerade erst wieder verheilt.

Fotos von der Demo von Change for the Youth, einer neuen Jugendbewegung für mehr mentale Gesundheit

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Heute ist Kiana clean und in Therapie. Gemeinsam mit Freund*innen hat sie es geschafft, am vergangenen, verregneten Samstag 150 Menschen zu einer Demo für mentale Gesundheit zu mobilisieren.

Begonnen hat Change for the Youth erst vor wenigen Wochen und trifft auf Instagram und TikTok sofort einen Nerv. Etliche teilen ihre Leidensgeschichten. „Wir haben hunderte Nachrichten bekommen, die von Missständen bei Psychiatrien, Therapeut*innen oder Schulpsycholg*innen erzählen“, berichtet Kiana. Auch am Demowagen ist viel davon die Rede, wie junge Menschen mit Depressionen, Essstörungen oder Autoaggressionen keine adäquate Hilfe bekommen.

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Was Change for the Youth fordert

Laut einer Untersuchung der Uni Innsbruck gibt es in Österreich aktuell für über eineinhalb Millionen Unter-19-Jährige nur 437 psychiatrische Klinikplätze. Nötig wären etwa 890, also gut doppelt so viele. Change for the Youth fordert diesen Ausbau der Kapazitäten genauso wie Psychotherapie auf Krankenschein, kontrollierte Medikamentenausgabe, höhere Pflegebezahlung, mehr Ausbildungsplätze für Fachärzt*innen und mehr Präventionsarbeit, vor allem an Schulen.

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Diese Forderungen sind nichts Neues. In dieselbe Kerbe schlug vor einem Jahr etwa das Mental Health Jugendvolksbegehren, das von Schüler*innen initiiert wurde. Prof. Paul Plener, Leiter der AKH-Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie war damals einer der Unterstützer und solidarisiert sich auch mit der neuen Jugendbewegung. „Es ist wichtig, dass gerade diejenigen, die Erfahrungen mit dem System gemacht haben, ihre Stimmen erheben. Wir nehmen die Kritik auch sehr ernst“, sagt er. Obwohl natürlich schon Maßnahmen gesetzt wurden, betont Plener, dass es gerade bei der kassenfinanzierten Therapie sowie bei ambulanten und klinischen Psychiatrieplätzen noch enormen Nachholbedarf gäbe.

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Servicenummern für Soforthilfe

  • Rat auf Draht 147
  • Notarzt 144
  • Ärztefunkdienst 141
  • Patientenservice 1771
  • Telefonseelsorge 142
  • Frauenhelpline: 0800 222 555
  • Sozialpsychiatrischer Notdienst in Wien 01 31 330
  • Notschlafstelle A-way für Jugendliche in Wien 01 8975219
  • AKH-Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien 01 40400 30140
  • Kinder- und Jugendpsychiatrie Rosenhügel 01 88000 339
  • Psychosoziale Dienste in den Bundesländern

Eine der Regierungsmaßnahmen, die in Folge von Corona entstanden sind, ist das Programm Gesund aus der Krise. Es bietet Menschen bis 21 kostenlose psychologische Beratung und Behandlung und soll den akuten Bedarf etwas abfangen. Erst kürzlich wurden die Mittel auf 20 Millionen Euro aufgestockt und die Laufzeit bis Ende des Jahres verlängert. Knapp 7.000 Jugendliche wurden bisher erreicht. „Leider ist das Projekt stark unterdimensioniert.“, meint die praktische Ärztin Monika Stark am Rande der Change-for-the-Youth-Demo.

Monika Stark betreibt eine Kassenordination in Brunn am Gebirge. „Die laufen mir die Türen ein. Es kommen fast gleich viele junge Menschen mit Depressionen wie mit Husten und Schnupfen“, erzählt sie. Außerdem würden viele Kolleg*innen das Programm gar nicht kennen oder vermitteln. Auch sie fordert viel mehr Geld für psychische Gesundheit.

Ähnlich sieht es Kiana bei Change for the Youth. Sie hat durch die Arbeit für ihre Organisation jedenfalls wieder Halt im Leben gefunden und möchte nun anderen helfen. Ihre Message für diejenigen, denen es im Moment schlecht geht, ist klar: „Holt euch Hilfe! Wenn es bei der ersten Anlaufstelle nicht klappt, geht zur zweiten! Wir sorgen dafür, dass es mehr Angebote gibt.“

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FM4 Auf Laut

Kiana und Karina von Change for the Youth sind zu Gast im FM4 Studio.

Gemeinsam mit Jugendpsychiater Helmut Krönke beantworten sie alle eure Fragen zum Thema Mental Health.

Ruft an und erzählt, wie es euch geht: 0800 226 996 oder via Whatsapp 0664 828 4444. Am 18. April ab 21 Uhr auf Radio FM4.

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