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Run DMC

Jeff Pinilla (CC BY 3.0)

FM4 Tribe Vibes

50 Jahre HipHop: Die Expansion, 1983-1993

FM4 Tribe Vibes-Serie: Anlässlich des runden Geburtstags widmen wir uns in fünf Spezialsendungen jeweils einer Dekade der HipHop-Musik. Im zweiten Teil verfolgen wir ihre Ausdehnung in viele Richtungen - geographisch wie klanglich.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Für den Mainstream war HipHop 1983 noch eine Kuriosität. Ein kurzlebiger Trend, der ein paar Hits hervorgebracht hatte, aber vermutlich bald wieder verschwinden würde. Wie sehr die ausbreitende Kultur in ihren vielen Facetten die Zweifler im Laufe der nächsten zehn Jahre eines Besseren belehren würde, konnte aber auch den Involvierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar sein.

Wir erinnern uns: Aus kleinen Feiern in Partyräumen und in Parks entwickelte sich in der Bronx im Norden von New York in den 70er Jahren eine neue Kombination aus funky Drums und rhythmischen Worten. Mit Welt-Hits wie „Rappers Delight“ oder „The Message“ wurde das lokale Phänomen global, Filme wie „Wild Style“ transportierten die aufregende visuelle Welt von DJs, Rapper*innen (sowie natürlich Graffiti und Breakdance) um den Planeten.

Etwas später brachte der Hollywood-Film „Beat Street“ HipHop-Kultur in viel mehr Kinos und vor allem der Tanz verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Auch in unseren Breitengraden gab es 1984 Breakdance-Wettbewerbe, Compilations und erste eigene Produktionen. Die Musik der sogenannten „Breakdance-Welle“ baute auf der Blaupause „Planet Rock“ auf, war aber - wie beim Paradebeispiel, der New Yorker Rock Steady Crew - auch schamlos Pop.

Die elektronischen Beats, die Afrika Bambaataa und Produzent Arthur Baker in starker Anlehnung an die Düsseldorfer Band Kraftwerk produziert hatten, wurden zur Keimzelle verschiedener regionaler Musikstile: Miami Bass, LA Electro, Detroit Techno - und etwas später auch Baile Funk in Rio de Janeiro. Immer mittendrin: Der Drumcomputer TR-808 von der japanischen Firma Roland. Gemeinsam mit immer leistbareren Synthesizern wurden dessen elektronische Töne auch zum wichtigen Teil eines neuen HipHop-Sounds.

Statt von Studiobands nachgespielten Funk- und Disco-Grooves wurde jetzt über elektronische Beats gerappt. Besonders minimalistisch legte es Produzent Larry Smith bei der Session mit einem blutjungen Rapper namens Run an, der im Gefolge des berühmten Kurtis Blow erste Schritte gemacht hatte. Abwechselnd mit seinem Kollegen DMC ruft Run kraftvolle Rap-Zeilen ins Mikrofon - mit ihrem ersten Hit legen sie den Grundstein für eine Ausnahmekarriere und das erste HipHop-Imperium: Die Plattenfirma Def Jam.

Das Label wurde vom jungen DJ Rick Rubin gemeinsam mit Runs Bruder und Manager Russell Simmons (seine Verdienste werden leider durch Vergewaltigungsvorwürfe überschattet) gestartet und würde in den ersten Jahren die Karrieren von LL Cool J, Public Enemy und den Beastie Boys begleiten. Die stammten wie Rubin selbst eigentlich aus der New Yorker Punk- und Hardcore-Szene, fühlten sich aber von der rebellischen Energie des HipHop angezogen, wie der spätere A&R Dante Ross schön beschreibt.

Rubin würde sich von der lauten Gitarre nie ganz verabschieden: Er nahm auf Def Jam auch die kalifornische Thrash Metal-Band Slayer unter Vertrag, und nachdem Run DMC und Aerosmith sehr erfolgreich die metaphorische Wand zwischen Rock und Rap eingerissen hatten, besannen sich auch die Beastie Boys auf ihrem Debütalbum „Licensed To Ill“ zeitweise auf ihre Wurzeln zurück.

Nur drei Jahre nach ihrem kommerziellen Durchbruch würden die Beastie Boys schon wieder ganz anders klingen, und daran war auch ein neuerlicher Innovationsschub in der Musiktechnologie schuld. In der Zwischenzeit war nämlich der Preis für Speicher-Chips drastisch gesunken, und kompakte Sampler wie der SP-1200 oder die MPC brachten ganz neue Möglichkeiten.

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre baute HipHop - wie in seinen Ursprüngen - wieder auf alten Funk-Platten auf, nur dass sie diesmal digital geloopt und zerhackt wurden und nicht mehr auf zwei Plattenspielern. Verspielt wie bei den Beastie Boys konnten die Resultate dieses Prozesses klingen. Aber auch nervös und überfordernd, wie bei Public Enemy und ihrem Produktionsteam The Bomb Squad, die eine ganz neue Wall Of Sound um die politischen Texte baute. Noch bedrohlicher für das Establishment in Amerika, und noch attraktiver für dessen Jugend, sollten aber die sehr expliziten Erzählungen von Verbrechen und Gewalt werden, die als kalifornischer Gangsta Rap für Aufsehen sorgten.

Zurück in New York begannen Boheme-Kids mit Lou Reed- oder Steely Dan-Samples eingängige Songs zu schreiben und riefen mit Hippie-Symbolik das DAISY Age aus. Zeitgleich reiste das Duo Gang Starr den musikalischen Stammbaum der afroamerikanischen Musik bis zum Jazz zurück und würde bald viele Nachahmer finden. Im Jahr 1993 hatte HipHop also schon mehrere für sich erfolgreiche Subgenres hervorgebracht - und dabei stand eine Neun-Mann-Supergroup aus Staten Island und Brooklyn erst knapp davor, das Game schon wieder zu revolutionieren...

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