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Fans bei einem Konzert in der ersten Reihe

APA/AFP/TT News Agency/Jessica GOW

Stan Culture: Wann wird Fan-Liebe toxisch?

Stans sind fanatische Fans – und überschreiten im Namen ihrer Idole immer wieder Grenzen. Manchmal schrecken sie auch vor Mobbing nicht zurück und vergessen dabei, wie schön es eigentlich ist, Fan zu sein.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Im Jahr 2000 veröffentlichte Eminem den Song „Stan“, in dem er von einem besessenen Fan berichtet, der sein Auto von einer Brücke steuert, weil Eminem seine Briefe nicht beantwortet. Und Slim Shady schuf damit einen Begriff, der in die Internetgeschichte einging. Obwohl nicht klar ist, ob der Name des Songs und des Superfans absichtlich deswegen gewählt wurde, steht der Begriff heute für eine Kombi aus Stalker und Fan und wird vor allem auf Twitter für besonders – sagen wir – engagierte Fans von Superstars verwendet. Das kann zum einen bedeuten, dass ein Stan schlichtweg ein sehr leidenschaftlicher Fan ist, kann zum anderen aber auch besorgniserregende Züge annehmen.

Verena Bogner ist freie Journalistin und Autorin und schreibt gerade an ihrem ersten Buch. Sie liebt Mainstream-Popkultur und findet, es gibt keine Guilty Pleasures.

Dass Stan-Liebe schnell zu weit gehen kann, zeigt die kürzlich auf Amazon Prime erschienene Serie „Swarm“ besonders anschaulich. Sie handelt von einer jungen Frau, deren Leben als Stan der fiktiven Künstlerin Ni’Jah eine dunkle Wendung nimmt und sie letzten Endes sogar zur Mörderin macht. „This is not a work of fiction. Any similarity to actual persons, living or dead, or actual events, is intentional“, heißt es zu Beginn der ersten Episode von „Swarm“. Angeblich soll die Geschichte rund um Superstar Ni’Jah von Beyoncé und ihren Stans, dem sogenannten Beyhive, inspiriert worden sein.

Es kommt auch immer wieder vor, dass Stans die Stars belästigen, die sie eigentlich so sehr verehren. Erst kürzlich berichtete Phoebe Bridgers davon, von toxischen Fans „entmenschlicht“ und auf dem Weg zur Beerdigung ihres Vaters belästigt worden zu sein. Warum? Weil diese vermutlich nicht mit ihrer Trennung von Schauspieler Paul Mescal einverstanden gewesen seien, wie Medien nach Bridgers’ Statement vermuteten.

Der Fanatismus der Stans kann auch so weit gehen, dass sie gegen all jene ausrücken, die es wagen, ein schlechtes Licht auf ihr Idol zu werfen. Rapperin Cupcakke deaktivierte zum Beispiel 2017 ihren Twitter-Account, weil sie sich mit der Army der K-Pop-Boyband BTS angelegt hatte. Und erst kürzlich rief Selena Gomez ihre Selenators zurück, nachdem sich Hailey Bieber hilfesuchend an sie gewandt hatte, weil sie Todesdrohungen von den Stans der Ex ihres Ehemannes bekam.

Die Gaylor-Verschwörung

Auch innerhalb der Fan-Community eines Stars kommt es immer mal wieder zu regelrechten Kriegen zwischen Splittergruppen, die sich auf ein ganz bestimmtes Narrativ eingeschossen haben: Habt ihr schon mal von Gaylors und Anti-Gaylors gehört? Gaylors sind diejenigen Fans von Taylor Swift, die vehement die Ansicht vertreten, dass Swift in Wahrheit queer sei und immer wieder Botschaften in ihren Songs verstecke, die darauf hinweisen sollen. (Sie hat sich nie dahingehend geäußert und war öffentlich immer nur mit Männern zusammen.) Jedenfalls: Die Anti-Gaylors finden diese Theorie respektlos und kämpfen dagegen an.

Eine Auswertung der Online-Aktivitäten von Swifts Stans, für die über 13.000 Twitter-Accounts untersucht wurden, zeigt, dass sich insbesondere diese beiden Stan-Gruppen immer wieder gegenseitig belästigen und mobben, indem sie beispielsweise Adressen voneinander veröffentlichen oder sich gegenseitig im Rahmen von koordinierten Attacken so lange auf Social Media melden, bis die feindlichen Accounts deaktiviert werden. Die Forschenden, die die Analyse durchführten, hielten fest, dass diese Taktiken auch in Verschwörungsgruppen gang und gäbe seien.

Für manche Stans hat aber sogar die größte Liebe ihre Grenzen – und zwar dann, wenn ihre großen Idole etwas machen, das ihnen so gar nicht in den Kram passt. Nachdem Julia Fox beispielsweise für Alexander Wang über den Laufsteg lief, stellte der größte Fox-Stan-Account mit etwa 40.000 Follower*innen seine Aktivitäten ein – aus Enttäuschung. Wang wurde im Jahr 2020 sexueller Übergriffe beschuldigt.

Bei all der Verrücktheit dürfen wir aber nicht vergessen: Stans sind natürlich nicht ausschließlich Fanatiker*innen, die im Namen ihrer Idole gerne auch mal übers Ziel hinausschießen. Sie sind der Grund, warum Stars groß werden, sie sind zum Großteil harmlose Konsument*innen, die sich für einen Artist begeistern und zu einer Community beitragen, die sich in den meisten Fällen durch großen Zusammenhalt auszeichnet.

Wir wissen doch alle, dass es kaum etwas Schöneres gibt, als sich mit Menschen auszutauschen, die sich für dieselbe Musik begeistern wie man selbst. Oder mit Tausenden anderen Fans auf einem Konzert abzugehen. Das sehen im Grunde auch die Forschenden so, die sich Taylor Swifts Fandom genauer angesehen haben. „Jeder in diesem Fantum hat wahrscheinlich mehr gemeinsam, als sie aneinander falsch finden.“

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