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Arctic Monkeys live in Linz

Patrick Muennich

Zeitlos ist das Stichwort: Der Auftakt zur Europa-Tour der Arctic Monkeys in Linz

Dancing Shoes oder Ballroom Shoes? Greatest Hits oder neues Album? Mitspringen, mitschunkeln, mitsingen? Die Arctic Monkeys beantworteten Montagabend in der ausverkauften TipsArena in Linz jede Menge Fragen zu ihrer neuen Tour und schrieben Konzertgeschichte.

Von Christoph Sepin

Durch den Release ihrer letzten Platte machten die Arctic Monkeys ihre neue Tour im Vorfeld zu einer Frage des Schuhwerks: Während Alex Turner im Jahr 2006 noch über die „dancing shoes“ sang, trug der Vokalist der Band aus Sheffield mit dem neuesten Album „The Car“ die Ballroom Shoes. Eine eher sperrige Platte, zu der man sich die Arctic Monkeys in weißen Anzügen und glänzenden, schwarzen Schuhen mit großem Piano und Orchesterbegleitung in einem Showroom in Atlantic City vorstellen will.

Wie übersetzt sich das auf eine Liveshow? Wird das ein langsames Mitschunkeln in der TipsArena in Linz zu einem Alex Turner, der dem Crooning frönt oder dann doch der Moshpit zu „I Bet You Look Good on the Dancefloor“? Dancing Shoes oder Ballroom Shoes? Das beste Schuhwerk des Abends sollte für viele dann das werden, mit dem man am gemütlichsten am längsten Stehen konnte. Denn das Konzert der Arctic Monkeys war davor und danach auch eines des langen Wartens.

Zwei Stunden vor Konzertbeginn am Montagabend zog sich die Schlange vor der Tipsarena gefühlt durch ganz Linz. „Es sind alle da“, hört man beim Anstehen. Old-School-Fans und solche, die es noch werden. Eltern mit Kindern, Teenager, Musikprofessor*innen, Pärchen, beste Freund*innen. Sie alle haben ihre eigene Geschichte zur Musik der Arctic Monkeys, sie alle wollen diese Band zum ersten Mal seit knapp einem Jahrzehnt in Österreich live sehen. Und es hat sich viel getan in der Welt des Rock’n’Roll seitdem.

Arctic Monkeys live in Linz

Patrick Muennich

Der Bono Bua und seine Partie

Das beweist schon die sehr gut ausgewählte Vorband für den Europaauftakt der Tour: die irische Band Inhaler wird bejubelt wie es Opening Acts selten passiert. Das liegt an den sehr eingängigen Songs aus der Bruce Springsteen-Schule, an der sehr motivierten Crowd und ein bisschen wohl am Celebrity-Gossip rund um Vokalist Elijah Hewson - der ist nämlich der Sohn von U2s Bono. Der „Bono Bua und seine Partie“, wie die Band liebevoll bezeichnet wird, klingt aber nur ein bisschen nach dem Papa, dafür nach der neuen Generation des Stadion Rock, also nach den 80er Anleihen von The 1975. Ein bisschen fehlt Inhaler aber die letzte Kante, ein bisschen sicher das alles, wie eine Band, die sich die Charaktere in der Serie „High School Musical“ gern anschauen würden. Oder der Soundtrack zur finalen Szene des John Hughes-Films, wenn sich Prom Queen und Prom King im Regen am Footballfeld in die Arme fallen. Aber: Der Hype ist groß.

Noch größer und lauter ist er natürlich, als die Arctic Monkeys vor die ausverkaufte Halle treten. „Sculptures of Anything Goes“ heißt das Eröffnungslied des Abends, ein sanfter Song mit Textzeilen wie „performing in Spanish on Italian TV, sometime in the future“, bevor es dann mit dem Monkeys-Classic „Brianstorm“ zurück in die Mitte der Nullerjahre und die Indie-Discos der Welt geht.

Dass sich das ausgeht liegt wohl daran, dass Arctic Monkeys-Songs weniger an Zeitpunkte geknüpft sind, als an Schauplätze. Frühe Songs wie das am Montag leider nicht gespielte „The View From The Afternoon“, der Soundtrack zum regnerischen Tag im Council Estate in Sheffield. „Do I Wanna Know?“, wie der Roadtrip irgendwo kurz vor Las Vegas. Oder der letzte Song vor der Zugabe, „Body Paint“ - ein Track, den man im Vorbeigehen aus der schummrigen Bar hört, in die man eigentlich gar nicht mehr gehen wollte. Lieder als Erinnerungen an Orte, an die man zurückdenkt oder die man romantisiert, wenn man nicht weiß, wie sie wirklich sind.

Everything everywhere all at once

Zeitlos ist das Stichwort. Das kann verblüffen, wenn die Jüngsten in der Crowd zu einem Song wie dem zum ersten Mal seit fast zehn Jahren gespielten „Fluorescent Adolescent“ mitsingen, zeigt aber gut, wie das eben so ist mit dem Hören von Musik heute. Es ist egal, wann welcher Track rausgekommen ist, es gibt keine alten und neuen Lieder mehr. Nur mehr Songs, die man sich, wie in der Zugfahrt zum Konzert zu überhören, in gemeinsame Playlists packt, um sich für das Konzert zu hypen.

Das macht die Arctic Monkeys zu einer Greatest Hits-Band. Und das vielleicht ein bisschen zu früh in der Karriere. Visuals auf der Bühne sind an 70er-Jahre-TV-Auftritte von Musiker*innen angelehnt, der mit Dauerwellen und Sonnenbrille dekorierte Alex Turner ist das auch. Als Reiseführer leitet er behutsam durch die Geschichte der Band, von Attraktion zu Attraktion zur nächsten Geschichte, die es sich seiner Meinung nach lohnt, in einem Song zu erzählen. „I’m going back to 505, if it’s a seven hour flight or a forty-five minute drive“.

Arctic Monkeys live in Linz

Patrick Muennich

Der Charakter einer Retrospektive wird vermittelt und lässt die Frage entstehen: Wenn die Arctic Monkeys das jetzt schon so machen, was wollen sie dann in zehn Jahren tun, wenn es wirklich langsam Zeit wird, zurückzublicken? Vielleicht ist das alles per Design so, weil es diese Band gar nicht für immer geben wird. Vielleicht durften alle tausenden in Linz anwesenden Fans einem recht wichtigen Moment beiwohnen. Das ist hier schon die Rückschau auf die Karriere, bevor die Bandmitglieder in Zukunft in diverse Soloprojekte davonschwirren.

Mit diesem Wissen werden sanfte Irritationen des Abends zum Teil des Konzepts. Das lange Warten in Schlangen. Die Eishockeyhallen-Vibes in der TipsArena. Die sich knapp hinter einem schwarzen Vorhang versteckende Discokugel, die sich zum großen Finale des Trios „There’d Better Be A Mirrorball“, „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ und „R U Mine?“ kurz nach unten senken darf. Kein Teil des Konzept dann natürlich die für viele beschwerliche Heimreise und der überfüllte Zug. Es hat sich aber trotzdem ausgezahlt: „In Linz war es natürlich am schönsten“, erzählt ein Fan ins FM4 Mikrofon. Eine durchdachte Inszenierung von dem, was die Karriere der Arctic Monkeys sein kann und wahrscheinlich eine Show, auf die lange zurückgeblickt wird. „The best you ever had is just a memory and those dreams weren’t as daft as they seem“.

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