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Blond Band

Anja Jurleit

Nach Perlen tauchen mit der Formation Blond

Dieser Tauchgang ist nichts für schwache Nerven. Aber er lohnt sich, wenn man mit der Perlenkette aus Hits an die Oberfläche zurückkehrt. So klingt das zweite Album der Band Blond.

Von Alica Ouschan

Gute Musik aus Deutschland kennen wir meistens aus Berlin, Hamburg, München oder anderen Großstädten. Es gibt aber auch kleinere Hotspots, wo neue tolle Künstler*innen aus dem Boden schießen. Einer dieser Orte ist Karl-Marx-Stadt, besser bekannt als Chemnitz. Aus dieser Stadt in Ostdeutschland kennen wir vor allem die Musik von Kraftklub oder Trettmann.

Blond "Perlen"

Sarah Storch

„Perlen“ von Blond ist bei Betonklunker Tonträger erschienen.

In den letzten Jahren gibt’s aber auch immer mehr Bands, die nicht nur aus Männern bestehen. Eine davon ist die Formation Blond. Nina, Lotta und Johann überzeugen ihre unfassbar loyalen und motivierten Fans, die liebevoll genannten „Blondinators“, mit glamourösen Live-Shows inklusive perfekt choreographierter Tanzeinlagen und mehrerer fliegender Outfitwechsel. Und mit ihren energiegeladenen Popsongs.

Selbst ernannte Ikonen

Sie sind cool, sie sind selbstbewusst, sie sind glamourös und frech. Blond ist eine Band, die nicht davor zurückschreckt, Hymnen für sich selbst zu schreiben und sich selbst in den Ikonen-Status zu heben - und das bereits auf ihrem zweiten Album.

Immerhin ziehen sie ihre ganz eigene Version des „Glam-Pop“ von Beginn an konsequent durch. Sogar als ihre Songs noch auf Englisch waren. Spätestens aber, als Blond Songs mit deutschen Texten veröffentlicht haben war klar, dass aus dieser Band - vielleicht langsam und schleichend, aber dafür ganz ganz sicher - etwas Großes wird.

„Du musst dich nicht schämen, für unsere Musik“

„Du musst dich nicht schämen, für unsere Musik“ - heißt es in einem der Songs. Eine Ansage an all die Herberts und Thorstens und anderen harten Männer, die sich davor zieren, eine Band wie Blond zu feiern. Eine Band die über Periodenkrämpfe, patriarchale Gewalt oder das Sanifair Geschäftsmodell singt.

Die Musik, die auf dem Debut „Martini Sprite“ noch roh und unentschlossen geklungen hat, findet jetzt eine klare Linie: „Das liegt vor allem daran, dass unsere Songs bisher im Proberaum entstanden sind und wir auch noch unsicher waren mit unseren Instrumenten“, sagt Lotta. „Jetzt klingt alles viel besser und professioneller, weil Johann einfach ein fucking Produzent ist.“

Und er fuchst sich ganz schön rein und schreckt nicht davor zurück, in für die Band noch unerforschte Tiefen abzutauchen. Inspirationen holt sich die Band meist durch die Zusammenarbeit und das herumspielen mit befreundeten Künstler*innen, oder wie in Johanns Fall von der japanischen Kawaii-Metal-Band Babymetal.

Ungehemmte Energie

Thematisch beschäftigen Blond sich nach wie vor viel mit den großen Brocken Feminismus und patriarchalen Strukturen - diesmal aber viel konkreter: „Es kann gut sein, dass wir uns in verschiedene Richtungen radikalisiert haben und deswegen die Musik auch ein bisschen deutlicher ist,“ meint Nina. „Wenn wir zu dritt arbeiten ist das auch einfach der absolute Safe Space, weil wir uns einfach so gut kennen. Da ist man viel ungehemmter.“

Diese ungehemmte Energie ist tatsächlich in jedem einzelnen Track vorhanden - ganz besonders aber im Banger „oberkörperfrei“, der zu einem anderen Zeitpunkt in der Musikgeschichte vielleicht sogar als „skandalös“ gegolten hätte (und Blond hätten sich darüber gefreut, garantiert).

„Perlen“ fokussiert sich textlich vor allem auf drei große Themen. Songs wie „Durch die Nacht“ oder „Männer“ kritisieren die mangelnde Repräsentation von Frauen und queeren Personen in der Musikindustrie, im speziellen auf Festival Line Ups: „Wo sollen die großen FLINTA* Headliner denn herkommen, wenn sie nie gebucht wurden, als sie noch klein waren? Dann kann es sie ja auch gar nicht geben.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Blond ihre Erfahrungen als Frauen im Musikbusiness thematisieren. Es ist ein wahrer Segen, dass wir das Revival der Frontfrauenbands der 2000er aktuell wieder erleben dürfen. Ohne Wir sind Helden oder LaFee würde es Bands wie Blond heute vielleicht gar nicht geben. Was ihren Punkt mit den männerdominierten Festivals einmal mehr unterstreicht.

„Doch plötzlich sah ich dein Gesicht auf MTV / Ich war 11 und wusste nicht wie mir geschieht / Ein Mädchen auf der Bühne, tosender Applaus / Und ich hab mir gesagt, vielleicht kann ich das auch“

Um Mental Health, Depression und selbstzerstörerisches Verhalten drehen sich Songs wie „Sims3“ und „immer lustig“. In ersterem wird zudem erneut auf die Nostalgie-Karte gesetzt. Denn mit Sicherheit hat jedes einzelne Mitglied der Blondinator Community eine Sims-Vergangenheit, die sich möglicherweise bis in die Gegenwart zieht: „Nicht mal mein Sim hat sein Leben im Griff“, also wenn das mal nicht eine Zeile ist, die right in the feels hittet.

Schmutz und Glamour

Ein Song, der neben den vielen anderen Highlights heraussticht, ist „toxic“. Darin wird ein Text verlesen, in dem ein Zombie-Pilz die Ameisen befällt und einen nie endenden Kreislauf der Vergiftung einläutet. Eine spannende und irgendwo neue Metapher für das Feststecken in toxischen Beziehungsmustern und Selbstsabotage. Das Erkennen dieses „grausigen Zyklus“ ist der erste Schritt, „bye“ zu den toxic vibes zu sagen. Und dann sucht man sich vielleicht eine*n Psychotherapeut*in („mein boy“).

Überraschend deutlich sprechen Blond auf „Perlen“ außerdem verschiedene Formen von patriarchaler Unterdrückung und geschlechterspezifische Gewalt an. Songs wie „Ich sage ja“, dem Feature mit der ebenfalls aus Chemnitz kommenden Indie-Band Power Plush, oder das bereits im letzten Jahr abgefeierte „Du und Ich“ hauen ordentlich rein.

Ein Hit nach dem anderen

Trotz der Ernsthaftigkeit der Themen macht die Musik von Blond Spaß. Schmutz und Glamour sind keine Gegensätze, sondern komplementär - zumindest wenn es nach Blond geht. Ein Hit nach dem andern ballert ins Trommelfell, spendet Energie, rüttelt auf und am wichtigsten: Das Album hinterlässt trotz der Schwere, die die meisten Songs mit sich bringen immer ein positives Gefühl. Und das liegt nicht nur an den rührenden Fangesängen, die einen ins Album und wieder hinaus führen.

Livetermine Blond:

  • 19.-20.05. Konstanz, Campus Festival
  • 21.11 Wien, Flex
  • 23.11. München, Muffathalle
  • 26.11. Zürich, Dynamo

Die Worte „Ein Album des Jahres“ brennen unter den Nägeln. Denn Blond haben es geschafft das zweite Album in Folge zu schreiben, auf dem kein einziger Song schwächelt - eine musikalische Perlenkette sozusagen. Sie ist genau das, was die Blondinators sich gewünscht haben und was die deutschsprachige Musikszene braucht.

Blond sind auf ihrem zweiten Longplayer kämpferischer, direkter und fordernder, ohne dass dabei ihr Hang zur Selbstironie und ihr Feingefühl für makabren Humor auf der Strecke bleiben. Es ist eine konsequente Weiterentwicklung und Professionalisierung, die extreme Vorfreude auf die kommenden Live Shows macht, und alles, was wir in Zukunft von dieser Band noch hören werden.

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