FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

ORF Logo-gespiegelt auf Wasseroberfläche

APA/ROLAND SCHLAGER

interview

Was bringt das neue ORF-Gesetz?

Die türkis-grüne Bundesregierung hat ihre Pläne für den ORF präsentiert. Medienjournalist Stefan Kappacher gibt uns im Interview seine Einschätzung dazu.

Dass der ORF künftig über eine Haushaltsabgabe finanziert werden soll, ist bereits seit Wochen bekannt. Jetzt sind von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer auch inhaltliche Vorgaben für den ORF präsentiert worden. Der ORF soll mit einem neuen Gesetz einerseits mehr digitale Möglichkeiten und Ausspielkanäle bekommen und Fernseh- und Radioinhalte online länger anbieten dürfen. Gleichzeitig kommen aber auch neue Einschränkungen, etwa für ORF.at, die größte Nachrichtenseite des Landes.

Stefan Kappacher aus der Ö1 Innenpolitik-Redaktion und verantwortlich für das Medienmagazin Doublecheck gibt im FM4-Interview seine Einschätzungen zum Gesetzesentwurf.

Radio FM4: Gestern wurde ja bekannt gegeben, es wird eine Haushaltsabgabe kommen. 15,30 Euro für alle. In den Zeitungen wird spekuliert, dass der ORF mehr Geld bekommen wird. Auf der anderen Seite heißt es, der ORF müsse Geld einsparen, und zwar ganze 330 Millionen Euro. Was stimmt denn jetzt?

Stefan Kappacher: Also das mit den 330 Millionen stimmt, das ist der Fehlbetrag im Budget bis 2026. Der ist entstanden durch diese massiven Kostensteigerungen: Teuerung einerseits, aber auch sinkende Werbe- und Gebühreneinnahmen. Die Politik hat beschlossen, dass der ORF diese 330 Millionen einsparen muss, die kriegt er jetzt nicht ersetzt. Und auf der anderen Seite wird eben ab 2024 ein neues Finanzierungsmodell für den ORF, die Haushaltsabgabe, der neue ORF-Beitrag in Kraft gesetzt. Da kommen laut Gesetz pro Jahr 710 Millionen Euro herein. Also es ist nicht die Rede von 800 Millionen und einem Geldregen, sondern da ist ganz genau berechnet, was der ORF braucht, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen.

Warum waren die Verhandlungen zu dieser Mediennovelle so schwierig?

Die Verhandlungen über Mediensachen sind in Österreich immer sehr schwierig und diesmal waren sie besonders schwierig. Der Hintergrund ist die spezielle Situation am österreichischen Medienmarkt. Die privaten Medien sagen, der ORF mache es für sie schwierig, Geld zu verdienen mit ihren Angeboten, weil eben die ORF-Angebote durch den Beitrag gedeckt sind und scheinbar gratis, was natürlich so überhaupt nicht stimmt. Und die Medienhäuser sind alle unter Druck: es fließen Werbegelder schon seit Jahren zu den Internetriesen ab, die fehlen dann hier in Österreich. Und die Teuerung hat die Zeitungsverlage voll erwischt, weil die haben jetzt Papierpreise, die durch die Decke gegangen sind. Deshalb haben die Zeitungen sehr großen Druck gemacht auf den ORF, auf die Politik, dass Beschränkungen bleiben. Und es bleiben auch genug Beschränkungen.

Gestern haben ja die Medienminister Susanne Raab (ÖVP) und die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, größere und kleinere Überschriften präsentiert. Wissen wir denn eigentlich schon, was da alles genau in dieser Digitalnovelle steht, bzw. wann wissen wir, was da genau drinnen stehen wird?

Der Entwurf für die Änderungen im Gesetz geht heute in Begutachtung. Vier Wochen wird begutachtet und es wird Stellungnahmen geben. Dann kommt das Ganze ins Parlament. Mitte Juni ist dann im Nationalratsplenum der Beschluss vorgesehen und dann ist noch ein halbes Jahr Zeit, um das notifizieren zu lassen bei der EU. Die muss genehmigen, ob das wettbewerbsrechtlich okay ist, was da beschlossen worden ist in Österreich.

Was also darf der ORF künftig online mehr als jetzt gerade?

Grundsätzlich wird es möglich, dass der ORF Digital-First-, Online-First-Beiträge veröffentlichen darf. Allerdings ist das eingeschränkt. Es darf nur 24 Stunden vor der Ausstrahlung im Radio oder im Fernsehen passieren. Aber das hat es bisher nicht gegeben. Es war immer alles gebunden an Sendungen, die schon gelaufen sind. Und da durfte es begleitend dazu im Internet auch Informationen geben. Und es wird auch Online-only möglich sein, also nur fürs Internet Angebote zu produzieren und zur Verfügung zu stellen. Aber auch hier gibt es relativ viele Einschränkungen.

Als Beispiel können wir da YouTube herausgreifen. Laut Berichten darf der ORF künftig etwa einen Kinder- und einen Sportkanal auf YouTube betreiben, andere Kanäle aber trotzdem nicht. Jetzt sagt die Ministerin, dass sie den ORF ins Digitale transformieren wollen. Widerspricht sich das nicht ein bisschen? Denn viele Junge sind ja auf YouTube, sind auf diesen digitalen Plattformen unterwegs. Und auch dort gibt es noch Einschränkungen.

Es ist noch viel schlimmer. Also der ORF darf diesen Kinder-Channel nicht auf Youtube betreiben, und auch keinen Sportkanal, sondern nur auf seiner eigenen Plattform, auf diesem ORF Player, der jetzt ausgebaut werden soll. Das ist jetzt einmal noch ORF.at, das wird zu einer Plattform werden, wenn es diese digitale Novelle gibt. Auf YouTube darf der ORF weiterhin keine, wie das so heißt, strukturierten Programme anbieten. Dort darf man Promotion machen, zum Beispiel Schnipsel, aber nicht richtige Programme anbieten.

Das ist ja derzeit ein Teil des Medienmarkt, der stark vom Boulevard dominiert wird. Also es gibt einflussreiche Boulevardzeitungen, die relativ große YouTube-Kanäle haben. Auch da wird es künftig kein Angebot vom ORF geben dürfen?

Nein. Und man muss ja fast schon froh sein, dass uns die Social-Media-Möglichkeiten, die wir jetzt haben, die der ORF auch vor dem Verfassungsgerichtshof erkämpft hat, beibehalten dürfen, weil es ist von den Privaten auch in diese Richtung gearbeitet worden, dass das noch oder wieder eingeschränkt wird.

Muss man dann fairerweise sagen, dass der ORF damit nicht so ganz ins digitale Zeitalter kommt, so wie es die Medienministerin gesagt hat?

Ja, das ist natürlich so, das sehen auch alle Experten so. Alle sagen, es ist gut, dass sich etwas tut. Das ist ein erster Schritt. Aber es ist natürlich überhaupt nicht dieses Eldorado online, das manche Zeitungen jetzt gesehen haben.

Thema Einschränkungen: Es gibt auch breite Kritik an den Beschränkungen für ORF.at, für die „blaue Seite“, wie sie gerne genannt wird. Da soll es eine Obergrenze an veröffentlichten Beiträgen geben. Und die sollen vor allem Video sein. Viele Expert*innen kritisieren das. Warum genau?

Sie kritisieren es deswegen, weil natürlich ORF.at ein ganz wichtiges Produkt ist, ein wichtiges Angebot, zu dem alle Zugang haben. Das ist barrierefrei, zum Beispiel. Es ist aber auch gesichert, dass dort keine Fake-News veröffentlicht werden. Es ist eine seriöse Quelle für alle. Jeder kann sich dort informieren und das wird jetzt eingeschränkt. Das ist problematisch, ist aber dieser Situation auf dem Medienmarkt geschuldet, über die wir gesprochen haben. Die Zeitungen sind unter Druck, haben hier sehr viel Druck gemacht. Der ORF hat hier auch seinen Beitrag geleistet, quasi, indem er sich da etwas zurücknimmt.

Kann es dann also theoretisch passieren, dass Sonntagabend etwas Wichtiges passiert: Bundeskanzler/Bundeskanzlerin tritt zurück und man findet das nicht auf news.ORF.at. Ist das aus deiner Sicht ein realistisches Szenario?

Da werde ich mich jetzt ins Spekulieren begeben, aber ich denke, wenn wirklich so etwas Großes passiert, dass man darüber berichten muss, dann wird man darüber berichten. Es ist halt dann ein Verstoß. Ich bezweifle, dass der dann geahndet würde.

mehr Politik:

Aktuell: