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Einfahrt zur Fabrik mit Wegweisern

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

1. Mai

Frühschicht

Ich war für die FM4 Field Recordings in der Fabrik. Wie funktioniert Industrie 4.0? Wie viel übernehmen die Maschinen. Unter welchen Bedingungen arbeiten die Menschen?

Von Elisabeth Scharang

Ich war noch nie in Steyr. Die Enns und die Steyr treffen hier aufeinander und teilen die Altstadt; ein tosendes Spektakel, das an diesem frühen Abend außer mir niemanden interessiert. Die Straßen sind nahezu menschenleer. Viele, die in Steyr leben, arbeiten in der umliegenden Industrie. Viele von ihnen arbeiten in der Frühschicht und die beginnt um 6 Uhr. Unter der Woche ist die Altstadt von Steyr also ab 19 Uhr leer.

Steyr am Abend

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

Am nächsten Morgen nieselt es. Andreas und Leonie holen mich am Tor 1 des Motorenwerks der BMW Group ab, das am Rande von Steyr liegt. Ein riesiges Gelände, auf dem 4.500 Menschen arbeiten. Die Montage und Fertigung von Diesel- und Verbrennungsmotoren finden hier statt; ab 2025 werden auch E-Motoren gebaut. Was sich in der Entwicklungsabteilung tut, sind streng gehütete Firmengeheimnisse, denn die Konkurrenz auf dem Automarkt ist hart. Die chinesische Autoindustrie hat die deutschen Premiummarken in den letzten zwei Jahren durch eigenproduzierte Elektroautos abgedrängt und jetzt ist die Frage: Hält man in Europa hartnäckig am Verbrennungsmotor fest? Die österreichische Politik scheint sich im Gegensatz zu Expert*innen aus Wirtschaft, Energie- und Mobilitätsforschung sicher zu sein.

Viele Maschinen in der Fabrik

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

Aber ich bin nicht nach Steyr gekommen, um die Grundsatzfrage der Mobilitätspolitik zu diskutieren, sondern mit Menschen zu sprechen, die am Fließband und in der Motorenfertigung arbeiten. Ich will wissen, wie eine moderne Fabrik heutzutage von innen aussieht. Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Fließbandarbeit 4.0

Andreas arbeitet seit 30 Jahren hier. Gefühlt 17 verschiedene Jobs habe er innerhalb des Unternehmens in dieser Zeit gemacht, erzählt er, während ich die Sicherheitsschuhe, mit Stahlkappen, zubinde. Falls mir ein Gabelstapler über den Fuß fährt, sollten die Zehen nachher noch dran sein, sagt Andreas. Ausprobieren würde ich es nicht, denke ich.

Andreas

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

Andreas

Früher hatten wir einen einzigen großen Computer im Werk, wenn du dich, so wie ich damals, damit ausgekannt hast, galtst du schon als Computerfreak.

Wir gehen die markierten Wege entlang durch die riesige Fertigungshalle. Die Markierungen regeln den Fußgänger- und Transportmaschinenverkehr. Die Schubkraft ist zu groß, als dass die Fahrzeuge rechtzeitig stehenbleiben könnten, wenn man unerwartet ihren Fahrtweg kreuzt. Überhaupt ist Sicherheit ein großes Thema. Alle paar Meter hängt ein großer Monitor, der nicht nur anzeigt, wenn es im Ablauf eine Störung gibt, sondern auch die Zahl der Tage, seit dieser Bereich unfallfrei ist. Da lese ich: 7 Tage, einmal 39 Tage, einmal 135 Tage.

Andreas geht mit mir in das Büro, in dem die anderen Meister sitzen, unter ihnen eine junge Meisterin. Christina hat eigentlich Rechtswissenschaften studiert. Das Praktikum in der Fabrik war nur als Sommerjob gedacht, aber am Ende war die Perspektive, einen reinen Bürojob als Juristin zu machen, zu wenig, um das Studium abzuschließen.

Elisabeth und Christina

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

Mit Christina

Christina mag die Abwechslung und das Teamwork in der Fabrik. Zurzeit macht sie den Abschluss als Meisterin in der Fertigmontage. Tagsüber arbeiten, abends lernen. „Als Meisterin muss ich technisch nicht alles wissen und jeden Produktionsschritt im Detail kennen und können. Es geht vielmehr darum, ein Team zu führen, darauf zu schauen, was die Kolleginnen und Kollegen brauchen, damit alles rund läuft“, erzählt Christina, während sie mich durch den Bereich führt, für den sie zuständig ist. 100 Arbeiter*innen arbeiten unter ihrer Leitung und der ihrer Vorbeiter*innen. Einer von ihnen ist Leo.

Leo erklärt mir, dass die Arbeiter*innen jede Stunde den Arbeitsplatz wechseln. Dass sei für die Psyche und für die körperliche Belastung besser, sagt er. „Die Zeiten, in denen man am Fließband den ganzen Tag einen einzigen Handgriff gemacht hat, die sind bei uns vorbei.“

Er erzählt vom Drei-Schicht-Betrieb und dass es für manche nicht einfach sei, wenn man jede Woche zu einer anderen Zeit schlafen gehe und aufwache. „Ich arbeite ganz gerne Nachtschicht, da hat man seine Ruhe, es gibt keine Meetings und Störungen, aber ich verstehe, dass das nicht für jeden passt. Wir versuchen, unterschiedliche Zeitmodelle für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anzubieten.“

Leo

Radio FM4 | Elisabeth Scharang

Leo

Es ist hier im Motorenwerk in Steyr nicht anders also überall sonst: Will man gute Mitarbeiter*innen, muss man was bieten und als Betrieb flexibel sein.

Die Stunde ist um, Leo wechselt seinen Arbeitsplatz. Eine junge Frau mit großen, bunten Tattoos auf den Oberarmen übernimmt. Die Belegschaft ist überhaupt ziemlich jung und ziemlich divers. Und ich bin erstaunt, dass in diesem hochtechnologisierten Bereich so viele Menschen arbeiten und die Maschinen nicht zur Gänze übernommen haben. „Ohne Menschen rennt hier gar nichts“, sagt Christina. „Aber du wirst später noch Bereiche sehen, wo kaum mehr Kollegen stehen, weil alles automatisiert wurde.“

Die FM4 Field Recordings am 1. Mai von 13 bis 15 Uhr, im FM4 Player und als Podcast.

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