Schwedischer Mittsommernachtsalbtraum

Der trügerisch kindliche Horror-Plattformer „Bramble - The Mountain King“ inszeniert die schwedische Sagenwelt als blutigen Folk-Horror-Albtraum.

Von Rainer Sigl

In Schwedens Wäldern, so sagt man, gibt es allerhand magische Lebewesen. Winzige Gnome mit roten Zipfelmützen, Wassernixen, Tannenzapfenmännchen und natürlich Trolle. Man kennt das von putzigen Zeichentrickserien, von „Ronja Räubertochter“ und der einen oder anderen schwedischen Werbung.

Was man bei all dem Skandinavien-Kitsch, Preiselbeeren und Moosgrün normalerweise nicht dazugesagt bekommt, ist, wie furchterregend, blutig und grausam diese Sagenwelt eigentlich ist. Bis zu diesem Videospiel: In der Welt von „Bramble - The Mountain King“ wird aus einer gruseligen Gutenachtgeschichte ein blutiger Folk-Horror-Albtraum.

Ein Kindermärchen wird zum Horrortrip

Eigentlich fängt alles ganz idyllisch an: Zwei Geschwister - kulleräugig, rotwangig, in kurzen Hosen und luftigem Sommerkleidchen - wandern nachts in den Wald hinter ihrem Zuhause. Dort finden sie sich wie im Traum auf einmal auf Däumlingsgröße geschrumpft.

Zuerst macht das Springen auf Fliegenpilzen und das Versteckspielen mit winzigen Gnomen noch Spaß, aber bald wird es düster und blutig. Die Schwester wird von Trollen entführt, und auf dem Weg zu ihrer Befreiung waten wir in Gestalt ihres jüngeren Bruders hin und wieder buchstäblich durch Blut und Verwesung.

Die Folkloregestalten sind in diesem Spiel so grausig, wie sie es wohl in den Originalsagen auch sind: Die Wassernixe ist eine wirklich gelungene Albtraumgestalt, die Trolle sind bestialische Schlächter und auch sonst gibt es 1.000 Möglichkeiten, im Wald von „Bramble“ zu sterben. Ein Kinderspiel - also: ein Spiel für Kinder - ist das hier definitiv nicht.

Kurz, böse, empfehlenswert

„Bramble - The Mountain King“ ist ein linearer Puzzle-Plattformer, der von seiner blutig-grotesken Folk-Horror-Atmosphäre lebt. Gekämpft wird darin kaum, stattdessen gilt es oft wegzulaufen, sich zu verstecken und kleine Rätsel zu lösen, wie es halt in der Nische der Cinematic Platformers so ist. Wer Genre-Größen wie „Little Nightmares“, „Inside“ oder „Somerville“ schätzt, findet hier einen weiteren Vertreter mit eigenständiger Atmosphäre und netten Ideen.

Nach knapp vier Stunden endet der albtraumhafte Ausflug in Schwedens Sagenwelt, doch in dieser kurzen Zeit wird man hervorragend und ganz schön gruselig unterhalten. Eine klare Empfehlung für Horrorfans, die sich von der kindlichen Oberfläche dieses kleinen, bösen Spiels nicht täuschen lassen.