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Ausbeutung von Asylwerber*innen: Es liegt auch am System

Hunderte Asylwerber*innen wurden über Jahre hinweg Opfer von Lohn- und Sozialdumping und systematischer Ausbeutung. Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Undok fordern nun rasche Änderungen, um damit Schluss zu machen.

Von Simon Welebil

Als „brutale Ausbeutung bei Burger King & Co“ beschreiben Arbeiterkammer, die Gewerkschaft ProGe und Undok, die Anlaufstelle für gewerkschaftliche Unterstützung undokumentiert Arbeitender, einen aktuellen Fall, der die Institutionen seit Monaten beschäftigt. Die Opfer sind vor allem Asylwerber*innen und Migrant*innen.

Im Zentrum steht die Firma S.H.G. eines Deutschen und einer Österreicherin. Die hat über Jahre hinweg mehr als 200 Menschen zu Scheinselbständigen gemacht und sie dann an andere Unternehmen vermittelt, etwa an Burger-King-Franchises, an Tankstellen oder an die Sicherheitsfirma Securitas.

Dort haben sie nur 9 Euro 50 brutto pro Stunde bekommen, weit unter den Kollektivverträgen - und sie sind um alle Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Überstundenzuschläge etc. betrogen worden. Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt sogar wegen Menschenhandels.

Doch wie kann so etwas überhaupt zustande kommen und dann jahrelang weiterlaufen?

Undok Flyer gegen Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen

Undok

„Egal, ob jemand mit oder ohne Papiere arbeitet, das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht gilt für alle Arbeitnehmer*innen“, sagt Johanna Schintl von Undok, „aber die Durchsetzung dieser Rechte ist für migrantische Arbeitende viel, viel, viel schwerer.“ Sprachbarrieren sind ein Grund dafür, aber auch Aufenthaltsrisiken, denn bevor eine Behörde oder ein Gericht über Ansprüche entscheidet, könnten sie womöglich bereits abgeschoben sein.

Seit fast einem Jahr ist Johanna Schintl mit dem aktuellen Ausbeutungsfall beschäftigt, der von Druck, Erpressung und Angstmache geprägt ist. Die Leihfirma S.H.G. hat dabei die mehrheitlich irakischen Asylwerber*innen, die vom Gesetz her kaum Chancen auf eine reguläre Beschäftigung haben, zum Schein als selbständige Subunternehmer*innen vermittelt. Wer sich dagegen wehren wollte, ist mit Jobverlust oder Abschiebung bedroht worden.

Es geht dabei um sehr viel Geld. Manche Betroffene haben mit Unterstützung von Undok und der Arbeiterkammer Forderungen von über 25.000 Euro gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber eingebracht. Der hat aber inzwischen Insolvenz angemeldet - und für die Forderungen müssen nicht die Unternehmen einspringen, wohin sie vermittelt worden sind, sondern der Insolvenzfonds, also die Allgemeinheit.

Diese Masche sei bekannt, sagt Ludwig Dvořák von der Arbeiterkammer, etwa von Hygiene Austria, weshalb die AK eine sogenannte Erstauftraggeberhaftung fordert, bei der die Unternehmen, die davon profitiert haben, dass Löhne nicht richtig gezahlt wurden, im Zweifelsfall auch die Haftung tragen. „Sobald das passiert, wenn die Auftraggeber haften für die Arbeitsbedingungen, die in der Kette passieren, glauben wir, dass auch der wirtschaftliche Vorteil verloren geht und dass wir sehr viele dieser Konstrukte einfach nicht mehr sehen werden.“

Die Gewerkschaft fordert darüber hinaus höhere Strafen für Lohn- und Sozialdumping und mehr Kontrollen, um solche Fälle zu verhindern, denn auch ein so großer Fall sei nur die Spitze des Eisbergs. In Österreich gibt es sicherlich tausende Betroffene, die nicht richtig gezahlt würden, sagt Ludwig Dvořák von der AK.

Erstauftraggeberhaftung und höhere Strafen setzen aber nur an Unternehmensseite an, an der prekären Situation von Asylwerber*innen ändern sie nicht viel. Da könnten eine Aufklärung über ihre Rechte weiterhelfen, insgesamt bräuchte es aber einen erleichterten Arbeitsmarktzugang für alle geflüchteten Menschen in Österreich und eine Aufenthaltssicherheit während arbeits- und sozialrechtlicher Verfahren, so Johanna Schintl von Undok. Solche Forderungen sind in Österreich in den letzten Jahren allerdings ein politisches Tabu gewesen.

Den meisten politischen Parteien ist es eher darum gegangen, es für Asylwerber*innen möglichst schwer zu machen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Johanna Schintl ist trotzdem zuversichtlich, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändern könnte: „Ich hoffe, dass die Aufdeckung eines solchen Falles und die mediale Öffentlichkeit, die der jetzt gerade erreicht ist, ja dazu beiträgt, dass wir darüber wieder mehr reden können.“

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