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Elias Hirschl

Radio FM4 | Zita Bereuter

FM4 Bücherei mit Elias Hirschl

Mut zur Kurzgeschichte! Elias Hirschl empfiehlt gleich zwei Bände mit Kurzgeschichten. Außerdem erzählt er, dass er als Jugendlicher bei einem Kabarettisten Berufstipps geholt hat und an einem Musical für Bodenbeläge arbeitet.

Von Zita Bereuter

Bereits in seiner Kindheit hat Elias Hirschl viel Zeit in Büchereien verbracht. Übrigens in der Bücherei im 6. Bezirk in Wien, die im Vorjahr von Identitären vor einer Dragqueen-Lesung zugemauert wurde. In letzter Zeit war er für Recherchen öfter in der Bibliothek für Plansprachen. Generell liest Elias Hirschl viel, hauptsächlich Romane, aber er sagt auch: „Es würde mir gut tun, mehr Sachbücher zu lesen.“

verschiedene FM4 Büchereiausweise

Zita Bereuter

Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.

Der oder die Besucher*in der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor bzw. Bücher, die man lesen sollte.

Elias Hirschl besucht die FM4 Bücherei am Montag, 15. Mai, von 21 bis 22 Uhr.

Auch für 7 Tage im FM4 Player.

Autor zu werden, war schon sehr früh sein Berufswunsch, wenngleich Elias Hirschl als Kind noch Rettungsschwimmer werden wollte und auch kurz Mathematik studierte.

Bereits als Jugendlicher hat er sich für Kabarett interessiert und kurzerhand den Kabarettisten Gunkel angeschrieben - der hatte ein Kontaktformular auf seiner Website. Tatsächlich hat sich Gunkel mit ihm getroffen und ihm gute Tipps gegeben. „Das hat mich dann aber erst mal wieder abgeschreckt, eigentlich, weil das mega kompliziert und anstrengend sein könnte“, erzählt Elias Hirschl.

Elias Hirschl schrieb dann einige Romane für die Schublade. Dort liegen sie gut. Dort sollen sie bleiben: „Das ist auch oft ganz gut, wenn man Sachen einfach liegen lässt.“

Zu unserem Glück hat er einige Romane veröffentlicht. Zuletzt die Polit-Satire „Salonfähig“. Daneben ist er auch Musiker. Mit dem Rapper und Produzenten Christopher Hütmannsberger ist er das Duo „Ein Gespenst“; sie waren 2023 für den Amadeus nominiert.

Wortlaut und Klagenfurt

Seit Anfang Mai 2023 ist Elias Hirschl für fünf Monate Stadtschreiber in Klagenfurt. Den Aufenthalt hat er mit dem Publikumspreis beim Wettlesen um den Bachmannpreis 2022 gewonnen. Dort arbeitet er unter anderem an einem Musical für Bodenbeläge. Und dort wird er dann auch die 20 besten Texte von Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb, lesen. Darauf freut er sich. Vor allem auf Texte, an denen er etwas verbessern möchte. „Das ist meistens schon ein ganz gutes Anzeichen für: Eigentlich finde ich es total gut und deswegen liefert es mir ganz viele Ansätze, wo man da vielleicht noch weitermachen könnte.“ Folglich zeichnet ihn als Juror aus, „dass ich auf der rechten Seite vom Papier schon so eine Art Minilektorat hinschreibe.“

Inhaltlich zeigt er sich recht offen: „Ich bin einfach mega Fan davon, wenn entweder extrem viel passiert in einer Geschichte oder wenn sehr wenig passiert, es aber trotzdem irgendwie spannend bleibt.“ Klare Ansage, oder? Sein Tipp an Jungautor:innen: „Mit möglichst vielen Leuten übers Schreiben reden und sich möglichst von verschiedenen Seiten Rückmeldung holen und das nicht nur auf ein, zwei Personen so festmachen.“

FM4 Büchereiausweis von Elias Hirschl

radio FM4/Elias Hirschl

(Elias Hirschl über sein gezeichnetes Portrait: „Es ist wirklich ein Skill, den ich nicht entwickelt habe, seit ich sechs Jahre alt bin.“)

Mark Z. Danielewski - „Das Haus - House of Leaves“

"Ich glaube, ich war 13 und habe in der Buchhandlung danach gefragt und wurde quasi weggeschickt, weil das einfach nicht für die Altersgruppe geeignet ist. Das hat mich aber dann davon überzeugt, dass ich es unbedingt lesen muss. Weil das muss ja großartig sein, wenn man das nicht bekommt. Es war schon gerechtfertigt, weil es ist halt einfach sehr brutal und weiß ich nicht ... ein paar andere Sachen noch.

Aber es gibt fast kein Buch, was mich so fasziniert hat beim Lesen, weil Mark Z. Danielewski zwischen unglaublich vielen verschiedenen Erzählebenen springt, völlig absurden Gebrauch von Fußnoten und von Fake-Quellenangaben macht und die ganze Geschichte aber so als wirklich spannende Horrorstory verpackt ist eigentlich.

Es geht im Grunde nur um ein Haus, das von innen größer ist als von außen. Die messen das ab, immer wieder mit verschiedenen Methoden, und kommen immer wieder zum gleichen Ergebnis, und dann verselbstständigt sich das Haus. Dann passieren sehr seltsame Dinge, neue Räume entstehen, neue Türen machen sich irgendwo auf. Das Ganze ist aber nur der Subplot in dem Buch. Das ist nämlich nur das Drehbuch eines Films, der nie existiert hat. Dieses Drehbuch wird von einer anderen Figur gefunden.

Logotype wortlaut

radio fm4

Elias Hirschl ist heuer Juror bei Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb

Einsendeschluss ist der 6. Juni 2023

Das Buch spielt so auf verschiedenen Ebenen und spielt vor allem ganz viel über Fußnoten. Danach war ich selber so angefixt auf Fußnoten. Ich finde das rückbezüglich ganz lustig, weil ich das alles immer noch total geil finde und so was heutzutage überhaupt nicht mehr lesen würde. Weil ich es momentan einfach nur super anstrengend finde und auch überhaupt keinen Anreiz mehr habe, selber so was zu schreiben. Aber genau das war damals extrem wichtig.

Ich habe es auf Deutsch gelesen, weil ich auch - gerade was Romane angeht - eher selten auf Englisch lese und mich da schon ein bisschen mehr konzentrieren muss als auf Deutsch. Was im Deutschen ganz gut erhalten ist, ist, dass das Buch visuell völlig oarg ausschaut. Ich habe das damals in die Schule mitgenommen und allen angezeigt, weil dann die Schrift plötzlich schief ist oder irgendwelche Tunnel sich durch die Seiten durchbohren oder fünf verschiedene Kästen, und dann drehen die sich oder was weiß ich. Es ist einfach auch so ein visuelles Kunstwerk.

Ich fand es mega gruselig. Es kriegt wirklich so Horrorelemente. Er hat ein visuelles Element - was ich von mehreren Leuten bestätigt bekommen habe, dass das auf andere auch diesen Effekt hat - er druckt das Wort ‚Haus‘ immer blau. Das wird so gruselig, dass du im Alltag dann immer, wenn du irgendwo das Wort ‚Haus‘ siehst, das automatisch schon blau siehst und dich an das Buch erinnerst. Sofort. Weil du das einfach visuell eingeprägt bekommen hast. Das sind so psychologische Kniffe, die so völlig absurd und irrsinnig gut funktionieren, obwohl sie so einfach sind."

Drei Buchcover: auf dem ersten ein unheimliches Haus, auf dem zweiten eine abstrakte Grafik, auf dem dritten ein Auge, verpackt in einem Zuckerlpapier

btb | Fischer | Aufbau

Mark Z. Danielewski: „Das Haus - House of Leaves“ übersetzt von Christa Schuenke, btb. Jorge Luis Borges: „Fiktionen“. Erzählungen 1939-1944. übersetzt von Karl August Horst; Gisbert Haefs; Wolfgang Luchting. S. Fischer. Sayaka Murata: „Zeremonie des Lebens“ übersetzt von Ursula Gräfe, Aufbau Verlag.

Jorge Luis Borges - „Fiktionen“

"Wirklich jedes Mal, wenn ich eine gute Idee habe, stelle ich fest, dass der Dude (Anm: Borges) das vor 100 Jahren schon um Längen besser umgesetzt hat. Der hat Zeit seines Lebens ausschließlich Kurzgeschichten geschrieben und Essays, aber nie irgendwas Längeres, also keinen Roman und keine Theaterstücke. Diese Kurzgeschichten sind so arg verdichtete philosophische Gedankenexperimente, die in der Philosophie immer wieder diskutiert wurden, weil sie fast wissenschaftliche Essays sein könnten.

Es sind aber gleichzeitig eben sehr fantastische Geschichten auch. Etwa von der unendlichen Bibliothek, wo es um eine Gesellschaft geht, die quasi in einer unendlichen Bibliothek lebt. Diese Bibliothek stellt die gesamte Welt dar und enthält alle möglichen Variationen von Sprache, wie sie in Büchern wiedergegeben werden kann. Das heißt, wenn du lange genug läufst, findest du alles irgendwo abgedruckt. Und es gibt massenhaft Fake-Rezensionen von Borges über Bücher, die es nie gab. Die Leute haben dann versucht, diese Bücher zu bestellen, obwohl die nicht existiert haben. Der Dude ist eine wandelnde Bibliothek. „Fiktionen" ist, glaube ich, sein erster Kurzgeschichtenband und der enthält so ziemlich die wichtigsten Kurzgeschichten.“

Sayaka Murata - „Zeremonie des Lebens“

"Sayaka Murata ist eine japanische Autorin. Sie hat eine extrem reduzierte Sprache, die ziemlich alltagssprachlich rüberkommt. Ich frage mich dann immer, ob das etwas an der japanischen Literatur ist, dass das dort generell häufiger ist, oder ob es vielleicht nur die Sachen sind, die in westliche Sprachen übersetzt sind, weil die sich dann besser eignen vielleicht. In ‚Zeremonie des Lebens‘ entwirft sie ganz unterschiedliche Lebensentwürfe. Sie hat immer so Was-wäre-wenn-Geschichten.

Es gibt dann so eine Geschichte, in der es total selbstverständlich und völlig normal ist, dass man aus Verstorbenen Möbelstücke anfertigt oder verschiedene Alltagsgegenstände. Irgendeine Frau trägt die zu Leder verarbeitete Haut ihres Vaters als Brautkleid. Das klingt jetzt alles extrem grauselig und furchtbar, aber der Punkt ist, dass sie das einfach wunderschön schreibt. Das ist eine extrem mitfühlende Sprache, und es stellt halt so cool in Frage, was für uns moralisch verwerflich rüberkommt und was nicht.

Dann konterkariert sie das mit Geschichten, wo es zum Beispiel einfach nur darum geht, dass zwei Frauen, die keine romantische Beziehung miteinander haben, einfach zusammen wohnen und zwei Kinder erziehen. Das stellt sie so in Kontrast mit diesen anderen Geschichten, wo es um Kannibalismus geht oder was? Der Punkt ist, dass das in Japan auch völlig absurd ist, diese Vorstellung, zwei Leute leben einfach zusammen und kümmern sich um Kinder. Sie entwirft einfach neue Gesellschaftsmodelle, die eben an verschiedenen Ecken Moralvorstellungen über den Haufen werfen."

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