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Swans in Wasserfarben gezeichnet als Tiere

Swans / Phil Puleo

Empfehlungen für das Heart of Noise Festival 2023

Swans, Bendik Giske, Cucina Povera & Ben Vince, Jay Mitta und Kaudilida aus dem Hause Nyege Nyege: Ein paar Empfehlungen für das Innsbrucker Avantgarde-Pop-, Noise- und Clubmusik-Festival Heart of Noise, das von 25. bis 28. Mai 2023 rund um das Treibhaus stattfindet.

Von Katharina Seidler

„War is stupid“ heißt es in dem ganz schön fröhlichen Antikriegssong „The War Song“ von Culture Club aus dem Jahr 1984, ein Statement, dem man trotz der vielleicht etwas gar überschäumenden Quirligkeit der Nummer natürlich nicht widersprechen kann. War is stupid, diesen Satz hat sich das diesjährige Heart of Noise Festival von Boy George ausgeborgt und als Slogan für seine bevorstehende Ausgabe ausgesucht. Von 25. bis 28. Mai ist es nämlich wieder soweit und das Tiroler Avantgarde-Pop, Noise- und Clubmusik-Festival, jener wunderbare Hort der Gegenkultur im Westen des Landes, geht über die Bühnen von Innsbruck.

Heart of Noise Logo "War is stupid" Flyer 2023

Heart of Noise

Heart of Noise: 25. - 28.05.2023, Innsbruck. Alle Infos zum Programm gibt es hier.

Im Mission Statement zum Festival steht zum griffigen Motto „War is stupid“ Folgendes: „Auch in der größten Verwirrung und Verführung muss klar sein, Krieg darf nicht sein. Vielfalt muss sein, freundschaftliche und respektvolle Aneignung muss sein, Begrüßung und Bewirtung muss sein, Einladung und Besuch muss sein. Jeder einzelne politische Schritt muss an der Maxime des höchstmöglichen Glücks des Menschen gemessen werden und nicht an Prinzipien und Rachen und Gewinnen und Gruppen und Hassen und Hetzen.“

Hauptspielort des Heart of Noise ist dieses Jahr das Innsbrucker Treibhaus; außerdem gibt es Konzerte und Performances im Kulturzentrum Reif für die Insel, im Musikpavillon im Hofgarten und in der Galerie E. & K. Thoman.

Das Lineup

Main Act sind diesmal die großen US-amerikanischen Donnergöttern Swans, die derzeit ein neues Album im Köcher haben und Material daraus bereits live spielen. „Paradise is mine“ heißt die erste Single aus diesem kommenden, insgesamt tatsächlich 16. Album der Swans, das den Titel „The Beggar“ tragen wird und für Ende Juni angekündigt ist.

„Paradise is mine“ - das ist als Song keine Neuerfindung des Swans-Rades, aber ein neuneinhalbminütiges Destillat aus dem, was diese apokalyptischen Rockbrutalisten ausmacht - ein geduldiges Aufbauen und Aufbauschen, ein unheilvolles Dräuen am Horizont bis zur Entladung und Michael Giras existenzialistische, megalomanische Lyrics, die nichts weniger als Leben und Tod, menschliches Bewusstsein und die Vorstellung vom Ende der Welt in wenige Zeilen fassen: „Is there really a mind?“ fragt er in dem Song immer wieder, „Is there really a mind? Is it mine? Am I ready to die?“ und dann wieder: „Am I ready to die?“. Live zu hören und sehen, eigentlich: zu erleben - dann am Samstag, 27. Mai, im Treibhaus in Innsbruck.

Aber nicht nur Existenzialismus, sondern auch Entäußerung auf dem Dancefloor wird beim Heart of Noise Festival groß geschrieben. Am 28. Mai zum Beispiel wird der Treibhaus Keller zur Spielwiese für zwei Gäste aus dem allseits verehrten Hause Nyege Nyege, jener ugandischen Plattform für alle Arten progressiver Clubmusik aus dem Osten Afrikas, die seit vielen Jahren tonangebend für die globalen Clubsounds der Gegenwart ist.

Beim Heart of Noise machen zwei Protagonist*innen aus dem Nyege Nyege Umfeld live gemeinsame Sache, und zwar der tanzanische Producer Jay Mitta aus der Stadt Dar Es Salaam und die ebenfalls aus Tanzania stammende MC Kadilida, beide Vertreter*innen des High Speed Clubsounds Singeli. Beim Tanzen kann man bei Singeli nur versuchen, irgendwie halbwegs Schritt zu halteb, auf jeden Fall aber wird es explosiv. Jay Mitta und Kadilida stehen beide am Sonntag, den 28. Mai, auf der Bühne beim Heart of Noise in Innsbruck.

Wir bleiben noch kurz in Ostafrika, von Tanzania geht es nach Uganda, in die Hauptstadt Kampala, wo Nyege Nyege seinen Hauptsitz hat. Dorthin hat das Label im Jahr 2018 den britischen Produzenten Rian Treanor zu einer Residency eingeladen, und in diesem Rahmen traf der Brite auf den ugandischen Folk Fiddle-Star Ocen James. Der spielt seine Geige in der Tradition der Tänze des Nord-ugandischen Acholi Stammes, wie aus dem Internet zu erfahren ist, und über die Jahre hat sich zwischen Rian Treanor und Ocen James eine beiderseitig höchst fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt, die Anfang dieses Jahres nun in Albumform erschienen ist.

„Saccades“ heißt das Album, das die konzentrierten, minimalistischen Rhythmusstudien des Briten mit den Klängen von Ocen James’ Rigi Rigi, einer Geige mit nur einer Saite zusammenbringt. Auch harmonisch tun sich da extrem spannende Welten auf, die es irgendwie schaffen, britische Computer Music und ugandische Folktraditionen auf einen Nenner zu bringen. Man kann dem Heart of Noise nur dankbar sein für derart spannende Horizonterweiterungen - live zu hören sind sie dann am Samstag, 27. Mai im Treibhaus Keller.

Zum Schluss noch zwei Saxophon-Empfehlungen aus dem diesjährigen Lineup des Heart of Noise Festivals. Zuerst noch eine Albumentdeckung, eine Zusammenarbeit einer finnisch-luxemburgischen Künstlerin mit dem sehr guten Artist Namen Cucina Povera mit dem Londoner Saxophonisten Ben Vince.

Gemeinsam haben die beiden im letzten Sommer ein Album namens „There I see everything“ herausgebracht. „Irgendwo zwischen Grouper und Terry Riley“ schreibt dazu die Website Boomkat, und tatsächlich ist diese Platte ein kleines Universum aus psychedelischem Nebel und konzentrierten Free Jazz-Studien, aus Erinnerungen an Folksongs aus vergangenen Welten, aus Synthesizerschlieren und psychoaktiven Schwaden.

Zum Abschluss noch ein ganz anderes Saxophon, nämlich das des Norwegischen „Ausnahme-Musikers“, wie man gern sagen darf, Bendik Giske, einem zauberhaftem Grenzgänger zwischen Minimal Music und Berghain, konzentrierter Innenschau und sinnlicher Entäußerung. Alle sie werden wie gesagt zwischen 25. und 28. Mai beim Heart of Noise spielen, und jedem, der oder die in Innsbruck ist, kann man das nur ans Herz - ans Heart of Noise quasi - legen.

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