FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Missy Elliott

Missy Elliott

fm4 tribe vibes

Der kommerzielle Durchbruch, 1993-2003

FM4 Tribe-Vibes-Serie: Anlässlich des runden Geburtstags widmen wir uns in fünf Spezialsendungen jeweils einer Dekade der HipHop-Musik. In seinem dritten Jahrzehnt dominiert das Genre zunehmend die weltweiten Hitparaden.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Am 9. November 1993 standen in den USA sowohl das Debütalbum des Wu-Tang Clan als auch A Tribe Called Quests dritte Platte Midnight Marauders neu in den Plattenregalen. Nur zwei Wochen später sollte ein gewisser Snoop Dogg sein Albumdebüt haben. Nicht lange davor hatte es schon bis heute prägende Longplayer von etwa KRS-One, den Souls of Mischief oder Black Moon gegeben. Die fast schon beängstigende Frequenz an Klassikeralben würde das Jahr 1993 als Beginn des zweiten goldenen Zeitalters in die HipHop-Geschichtsbücher eingehen lassen.

Nicht nur künstlerisch lief es für HipHop gut, auch die geschäftliche Seite kam in diesen Jahren im großen Stil ins Rollen. Die einen setzten auf unabhängige Strukturen, andere nutzten das Majorlabel-System für ihre Zwecke. So brachte der RZA die Soloprojekte seiner Wu-Tang-Kollegen bei unterschiedlichen Plattenfirmen unter, die dann alle auch den Clan mit bewarben.

Auch die mediale Repräsentation wuchs: Aufgrund der Verkaufserfolge konnten sich auch die anfangs zögerlichen kommerziellen Radiosender dem aufstrebenden Genre nicht mehr verwehren. So schwenkte in New York etwa Hot97 auf HipHop-Sound um und war in kurzer Zeit die meistgehörte Station. Yo! MTV Raps war zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre on air und hierzulande neben Tribe Vibes & Dope Beats das wichtigste Fenster zur amerikanischen HipHop-Welt. Und es gab jetzt in Österreich - wie in vielen Ländern - erste Bands, die Rap in ihrer eigenen Sprache machten. Der Beginn einer globalen Erfolgsgeschichte, die wir aber der Übersicht halber im Rahmen dieser Serie nur streifen können.

Denn alleine in der Geburtsstadt New York passierte Mitte der 90er Jahre so viel. Produzenten wie DJ Premier, Pete Rock und Large Professor reizten die limitierten Möglichkeiten ihrer Samplemaschinen bis an die Limits aus. Diese drei waren auch auf dem Debütalbum eines blutjungen Rappers namens Nas, der sich zum ersten Mal fast jeden Song von jemandem anderen maßschneidern ließ. Auch Q-Tip von A Tribe Called Quest war dabei, seine Band und Kollegen wie De La Soul oder die Jungle Brothers gaben weiterhin den Ton an, wenn es um jazzige Klänge geht. Sie waren aber im Laufe der 90er schon etwas in die Rolle von Mentoren geschlüpft, obwohl sie selbst erst Mitte 20 waren. So hat Q-Tip hinter den Kulissen etwa Mobb Deep dabei geholfen, ihren bedrohlichen Sound umzusetzen. Bei einem Tourstopp in Detroit traf er außerdem einen jungen Produzenten und Rapper namens Jay Dee, holte ihn in sein musikalisches Team The Ummah (Die Gemeinschaft) und verschaffte ihm Jobs, etwa bei der kalifornischen Band The Pharcyde.

The Pharcyde waren in ihrer Heimatstadt Los Angeles musikalische Außenseiter, denn dort regierte der G-Funk. Dr. Dre hatte - basierend auf den elektrifizierten Funk-Grooves des Parliament-Funkadelic-Komplexes - eine passende musikalische Sprache für den Gangsta Rap von der Westcoast gefunden. Durchaus sonnig, trotzdem mit düsteren Untertönen. Zu hören etwa auf seinem prägenden Solodebüt The Chronic, bei seinem Protegé Snoop, Cousin Warren G und auch einem gewissen Tupac Amaru Shakur.

2Pacs Mutter war bei den Black Panthers gewesen, er setzte sich zuerst als Tänzer bei Digital Underground in Szene, bevor er an der Seite der Band einen ersten Gastvers aufnahm. Mit revolutionärem Gestus, uplifting Texten und Wut im Bauch wurde der Rapper selbst schnell zum Superstar - und bald leider auch zu einer der Hauptfiguren in der großen Tragödie der Dekade. Sein ehemaliger Freund, der kommende New Yorker Rapstar The Notorious B.I.G. wurde aus einem Missverständnis heraus zum Erzfeind, der unter der Gürtellinie geführte, aber auch medial hochgekochte Eastcoast-vs.-Westcoast-Konflikt sollte innerhalb weniger Monate die Leben der beiden hoffnungsvollsten HipHop-Künstler kosten.

Notorious, den fast alle Biggie nannten, war das Zugpferd im neuen Stall des HipHop-Unternehmers Puff Daddy. Er hatte erkannt, dass HipHop-Beats und R&B-Gesang gut zusammenpassten und setzte diese Formel etwa mit Sängerinnen wie Mary J Blige oder Faith Evans, aber eben auch Rappern wie Biggie, Mase oder Lil Kim um. Außerdem verwendete er gerne Samples, die eine Generation zuvor schon sehr populär gewesen waren, mit riesigem kommerziellen Erfolg! Dank der Technologie klangen die Beats jetzt polierter, dank großer Budgets und Video-Visionäre wie Hype Williams entwickelte HipHop gegen Ende des zweiten Jahrtausends auch visuell ungemeine Strahlkraft - willkommen in einer neuen Ära!

Einer der großen neuen Stars war Missy Elliott, eine Produzentin, Rapperin und Sängerin aus Virginia Beach. Mit im Gepäck hatte sie den Rhythmusvisionär Timbaland, der gemeinsam mit seinem Cousin Pharrell Williams (und dessen Neptunes-Kollegen Chad Hugo) den Klang und den Swing der HipHop-Beats völlig revolutionierte.

Dieser Sound strahlte auch bis in den Mainstream-Pop, Britney Spears und Justin Timberlake reisten für die großen Hits ebenfalls nach Virginia. Damit bekam auch die wachsende Rap-Szene im Süden endlich mehr Aufmerksamkeit und der Indie-Mogul Master P. brachte etwa New Orleans seinen Platz auf der Landkarte. Das war aber nur ein Vorgeschmack.

Zurück in New York stritten sich nach dem Tod von Notorious B.I.G. die zwei ehemaligen Freunde Nas und Jay-Z um dessen Nachfolge als legitimer Rap-König von New York. Trotz harter Bandagen und guter Punchlines in den gegenseitigen Disstracks sollte sich im Gesamtbild am Ende Jay-Z durchsetzen. In dessen Camp arbeitete ein junger Hitzkopf als Produzent, der schon bald die Welt von seinem Talent als Entertainer überzeugen wollte. Im September erschien seine Debütsingle, die er nach einem schweren Autounfall mit Metallspangen im Kiefer eingerappt hatte. Keiner sollte das kommende Jahrzehnt so prägen wie er...

Aktuell: