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Fritz Jergitsch bei FM4

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Interview

Fritz Jergitsch über 10 Jahre „Die Tagespresse“

„Jeder Witz enthält ja ein Körnchen Wahrheit.“ Fritz Jergitsch, Gründer und Chefredakteur der Online-Satirezeitung „Die Tagespresse“, über die ersten zehn Jahre, die Arbeit in der Redaktion, das Jubiläumsbuch und künstliche Intelligenz, die keine Satire kann.

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Drei Schlagzeilen von Die Tagespresse, einer Online-Satirezeitung mit lustigen Falschmeldungen. Seit zehn Jahren gibt es „Österreichs seriöseste Tageszeitung“, wie sie sich selbst nennt. Ausgedacht und gegründet hat sie Fritz Jergitsch. Zum runden Geburtstag ist ein Jubiläumsband erschienen.

Radio FM4: Fritz Jergitsch, die Tagespresse ist die satirische Onlinezeitung in Österreich mit lustigen Falschmeldungen. Es gibt sie jetzt seit zehn Jahren. Was war denn die Ursprungsidee?

Fritz Jergitsch: Es hat so angefangen, dass ich auf Facebook die Meldung gelesen habe: „Rekordsprung von Felix Baumgartner aberkannt“ - er habe beim Absprung die Linie übertreten. Darauf bin ich tatsächlich kurz reingefallen, das war eine Meldung vom Postillon. Ich fand einfach dieses Format so reizvoll und habe auch gespürt, dass in Österreich so ein Format fehlt und habe mich dann kurzerhand hingesetzt und die Website eingerichtet.

Radio FM4: War damals schon die Idee, dass es fast täglich eine Geschichte gibt, oder was hast du dir da so vorgestellt?

Die Chefredaktion von Die Tagespresse bilden Fritz Jergitsch, Sebastian Huber und Jürgen Marschal. Hinzu kommt ein Team aus mehreren Autorinnen und Autoren.

Fritz Jergitsch: Ich habe es als Blog angelegt. Ich war mir auch gar nicht sicher, ob ich das hinbekomme und ob ich überhaupt kontinuierlich interessante Meldungen schreiben kann. Aber ja, es ist dann gut aufgegangen. Es ist mir auch gelungen, sukzessive wirklich gute Leute dazuzuholen. Wir sind heute ein Team von zehn Leuten. Heute bringen wir jeden Werktag einen Text.

Radio FM4: Mittlerweile gibt es auch Präsidenten, die alternative Facts oder Fake News von sich geben. Bringt euch das Futter oder ist das eher das Ende?

Fritz Jergitsch: Also uns bringt diese tägliche Absurdität am meisten Material. Ich glaube auch, dass das der Grund ist, warum die Leute Satire mögen. Weil es uns einfach auch hilft, mit diesem täglichen Wahnsinn zurechtzukommen, und es wie ein Energetikum gegen diesen Politfrust wirkt. Da tragen natürlich auch Fake News von der Politik bei. Das liefert natürlich auch Stoff. Wir haben damals über Trump sehr viel geschrieben. Wir kritisieren natürlich auch österreichische Parteien, wenn sie mit Fake News operieren. Also ja, sicher hilft uns das auch.

Satire hilft, mit diesem täglichen Wahnsinn zurechtzukommen

Buchcover mit vielen Promis

Residenz Verlag

„Im Dienste der Wahrheit: Zehn Jahre Tagespresse“ ist im Residenz Verlag erschienen.

Radio FM4: Du hast das schon gesagt, es passiert sehr viel Reales in Österreich und man weiß oft nicht, ist da die Tagespresse dahinter oder ist das real? Ihr seid so richtig eine Marke geworden. Habt ihr euch das so vorstellen können?

Fritz Jergitsch: Dass es so aufgegangen ist, habe ich mir natürlich am Anfang nicht gedacht. Da fühle ich mich sehr privilegiert, dass es so gewachsen ist, und das freut mich natürlich.

Radio FM4: Wie läuft es bei euch in der Redaktion ab? Habt ihr Sitzungen, lest ganz normal die Tageszeitungen und surft ein bisschen, und wo man am meisten lacht, das wird dann gemacht?

Fritz Jergitsch: Es beginnt damit, dass jeder von uns unabhängig voneinander den Laptop aufklappt und einfach mal schaut: Was ist gestern passiert? Was ist heute passiert? Gibt es irgendwelche Themen, die uns speziell ins Auge gesprungen sind? Gestern zum Beispiel haben wir über die vegane Kochlehre („Statt veganer Kochlehre: WKO präsentiert Bachelor of Arts Leberkas“) geschrieben , die von der WKO abgelehnt wurde. Das sind dann so Sachen, die geben ein bissel was her. Da spürt man, da kann man was schreiben, da ist was drin. Und dann beginnen wir gemeinschaftlich zu brainstormen, aber alles online, also alles über Messenger und online. Das hat den Vorteil, dass wir auch gleich die Headlines, die wir uns gegenseitig vorschlagen, in demselben Format sehen wie unsere Leserinnen und Leser.

Radio FM4: Das klingt sehr lustig. Ist es das für euch auch?

Fritz Jergitsch: Naja, es ist ein Job. Und es wird, glaube ich, bei uns nicht mehr gelacht als in anderen Büros. Also ich kann mir vorstellen, dass in anderen Büros mehr gelacht wird, weil die sehen sich dann auch physisch. Meistens remoten wir halt.

Es wird, glaube ich, bei uns nicht mehr gelacht als in anderen Büros

Radio FM4: Ihr habt ja auch andere Sachen zu machen jetzt. Aktuell, bei der Geschichte mit der Wirtshausprämie, da ging es um eine gefakte Aussendung der FPÖ Niederösterreich, dass die Speisekarten österreichischer werden sollten, dafür werdet ihr jetzt geklagt. Ist die Arbeit mit Anwälten mittlerweile fast schon zeitintensiver als die kreative Arbeit?

Fritz Jergitsch: Es ist jetzt weniger zeitintensiv, es ist eher ein gewisser Unsicherheitsfaktor, weil man natürlich bei gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten nie weiß, was am Ende dabei herauskommt. Fakt ist: Wir wurden geklagt vor dem Handelsgericht. Im nächsten Schritt werden wir eine Antwort vorbereiten und einreichen. Klarerweise sehen wir ein paar Dinge anders als die Klagspartei, als die FPÖ. Fakt ist auch, dass wir weiterhin hinter der künstlerischen Message hinter der Aktion stehen. Ich finde, dass eine Wirtshausprämie nicht an nationalistische Kriterien geknüpft werden sollte. Ich finde nicht, dass die Politik ihre Finger bei der Speisekartengestaltung im Spiel haben sollte, in einem Land wie Österreich, wo das Gulasch aus Ungarn kommt und das Wiener Schnitzel aus Mailand, dass man da irgendwie patriotische Speisekarten forcieren sollte. Ich finde, Kulinarik ist etwas Interkulturelles, und das galt es irgendwie aufzuzeigen. Ich glaube auch nicht, dass ein Gericht, egal wie es entscheiden wird, diese künstlerische Botschaft uns nehmen kann. Also wir stehen weiterhin dazu, auch wenn es vielleicht juristisch nicht der günstigste Weg ist. Sage ich jetzt mal.

Ich finde nicht, dass die Politik ihre Finger bei der Speisekartengestaltung im Spiel haben sollte, in einem Land wie Österreich, wo das Gulasch aus Ungarn kommt und das Wiener Schnitzel aus Mailand

Radio FM4: Euer Jubiläumsbuch hat den schönen Titel „Im Dienste der Wahrheit“. Ist das euer Credo, euer Motto?

Fritz Jergitsch: Es ist natürlich halbernst gemeint, aber jeder Witz enthält ja ein Körnchen Wahrheit. Das ist nicht nur ein geflügeltes Wort, das ist wirklich so! Das macht einen Witz aus. Ein Witz ist einfach eine wahre Aussage, auf eine überraschende Art und Weise transportiert. Das findet sich natürlich in unseren Headlines wieder. So entsteht Humor.

Ein Witz ist einfach eine wahre Aussage, auf eine überraschende Art und Weise transportiert

Radio FM4: Das ganze liest sich auch wie ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre in diesem Land. Seid ihr so ein bisschen die wahren Chronisten von Österreich?

Fritz Jergitsch: Ja, ich muss sagen, ich war ziemlich überrascht, wie ich das Buch zum ersten Mal in Händen gehalten habe, weil es doch ziemlich dick ist. Es ist ein ziemlicher Ziegel. Man kann es natürlich ein bisschen als Chronik sehen. Da kommen alle Ereignisse der letzten zehn Jahre vor: Faymann, Ära Kurz, Corona, jetzt die Teuerung haben wir auch viel behandelt.

Radio FM4: Was wünschst du dir für die nächsten Jahre? Wie geht es weiter?

Fritz Jergitsch: Ich würde mich freuen, wenn ich weiterhin diesen Job machen kann. Wenn wir weiterhin das machen können, es macht uns Spaß, und hoffentlich werden wir nicht durch ChatGPT ersetzt.

Radio FM4: Das glaube ich nicht. Humor ist ja das, was künstliche Intelligenz nicht kann.

Ich glaube, dass diese Herstellerfirmen alle ein bisschen zu konservativ sind, um ihre Algorithmen und AIs Spottartikel schreiben zu lassen

Fritz Jergitsch: Ich habe tatsächlich einmal versucht, einen Satireartikel mit ChatGPT schreiben zu lassen, und es hat sich geweigert mit der Begründung: AI sollte keine Spottartikel schreiben, sondern AI sollte den Menschen helfen. Ich glaube, dass diese Herstellerfirmen alle ein bisschen zu konservativ sind, um ihre Algorithmen und ihre AIs Spottartikel schreiben zu lassen.

Radio FM4: Das sind doch schöne Aussichten für die Tagespresse. Danke, Fritz.

Fritz Jergitsch: Danke.

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