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„Subjektiv betrachtet“ von Salò: Vom Selbstmitleid zur Selbstironie

Suche nach Liebe, Ablehnung von Kapitalismus und Neoliberalismus, stäniges online Sein und den Sinn im Leben suchen - das macht Salò mit seinen Songs. Warum er sich trotzdem nicht als „Stimme der Gen Z“ sieht und wie er vom Selbstmitleid zur Selbstironie gefunden hat.

Von Alica Ouschan

Nach über drei Jahren voller Releases und Konzerten unter dem Namen „Salò“ scheint es fast ein wenig seltsam über „Subjektiv betrachtet“ als sein Debütlbum zu sprechen. Aber so ist das nun mal, wenn man als indipendent artist anfängt, immer weiter durchstartet und schließlich bei einem Major Label landet. Ein Neuling im Musikbuiz ist Andreas Binder alias Salò also nicht, trotzdem wird er derzeit als einer der vielversprechendsten Newcomer aus Österreich gehandelt.

Salo

Marko Mestrovic

Subjektiv betrachtet ist bei MOM I MADE IT/Universal Music erschienen.

Kein Wunder, denn dieser Post-Punk mit NDW Schlagseite, der trotz teils simpler Beats und Synthie-Melodien, klassischen Punk-Riffs und den teilweise dahergelallten Zeilen funktoniert, trifft nicht nur genau den Nerv der Zeit, sondern holt Menschen aller Generationen ab. Ein Salò-Publikum ist bunt durchgemischt, von Gen Z bis zum Post-Boomer.

Ein subjektiver Blick aufs Leben

Bunt ist auch die neue Platte - stellenweise härter als frühere Releases, aber auch chansonesker, vor allem aber siegt die Selbstironie über das Selbstmitleid. „Es geht auf dem Album um meinen subjektiven Blick auf die Welt und das Leben. Mein Leben. Früher hab ich noch oft aus der Perspektive eines lyrischen Ichs geschrieben, jetzt sind die Songs viel persönlicher, weil ich meine eigenen Erlebnisse verarbeite.“

Genau so wie die Musik geht es auch thematisch stark auseinander: „In ‚Wo willst du hin?‘ geht es um meine Essstörung, mit der ich schon lange zu kämpfen habe und die mir im Elternhaus anerzogen wurde“, sagt Salò. "Es soll aufbauend sein, für Leute die ein ähnlich schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern haben. Es ist egal woher du kommst, es kommt drauf an, wo du hin willst. Das ist mein Kalenderspruch des Tages.

Kalenderspruch des Tages

Obwohl viel Selbstreflektion über die Beziehung zu sich, seinen Eltern und Großeltern passiert und er lyrisch analysiert, wie sich diese aufs eigene Leben und seine Beziehungen auswirken, gibt’s bei Salò immer was zum Schmunzeln. Humor als Copingstrategie - ein absoluter Klassiker, der nie alt wird.

Eine Ode an den Bürgermeister, der alles zubetoniert, eine Message an die Hater, ein Liebeslied für den Schwiegervater („Ich spiel kein Golf, aber Tennis spiel ich relativ passabel“), das Leugnen der Existenz von Dinos. Salò hat wirklich ein Händchen dafür, Themen auf eine Art und Weise zu beleuchten, wie es davor noch niemand gemacht hat und trotz deren Ernsthaftigkeit nie ihren Witz zu verlieren.

Bemerkbar macht sich dieser unter anderem auch in einem von Salòs immer wiederkehrenden Lieblingsthemen: Der Liebe zum AMS und das Hochleben lassen der eigenen „Arbeitslosigkeit“. Auf der letzten EP „Rabatt“ erzählte der gleichnamige Song den ersten Teil der Geschichte, „Heiter bis Wolkig (AMS)“ die Fortsetzung. In einer Element of Crime-Manier die Salòs großes Idol Sven Regener stolz machen würde und mit Zeilen, die durch Witz und Mitgrölfaktor echtes Hitpotential entwickeln, besingt Salò wie schön das Leben ohne Arbeit ist: „Vom Küssen da kommen die Kinder, vom Arbeitsamt da kommt das Geld.“

Einen weiteren Schwank aus seinem Leben erzähl Salò auch im einzigen Feature der Platte, das gleichzeitig schon jetzt einer von Salòs größten Hits ist: „Internetfreundin“ ist nicht nur die aktuelle Nummer eins der FM4 Charts, der Track, für den die fabelhafte Musikerin Mia Morgan eine Strophe mit queerem Twist beigesteuert hat. Er erzählt eine Story, mit der alle halbdigital aufgewachsenen und alle digital natives sowieso irgendwo relaten können: „Entgegen der allgemeinen Annahme geht es in ‚Internetfreundin‘ aber nicht um online Dating. Ich war unironisch in eine coole, feministische Meme-Page verliebt. Wir haben uns geschrieben und geflirtet und ich hatte einen Crush, obwohl ich sie noch nie gesehen habe.“

Danke, Hinterhaltnymphe 2

Irgendwann haben sich die beiden im Real Life getroffen - gefunkt hat es nicht, aber: „Der Song ist geblieben, danke Hinterhaltnymphe2!“, sagt Salò. Dank ihr hat Salò bereits seinen zweiten ganz großen Hit gelandet. Im anderen gings um Apollonia, die bei Edeka an der Kassa sitzt. Die beiden Songs weisen von der Struktur, wie vom Sound gewisse Ähnlichkeiten auf. Hat Salò die Geheimformel für Hits entdeckt?

„Mein Produzent und guter Freund Mathias Garmisch und ich haben uns viel mit Algorithmen auseinandergesetzt und damit, was ein Song braucht, um in gewisse Playlisten reinzukommen - es hat einmal funktioniert, es hat ein zweites mal funktioniert, es funktioniert bestimmt noch ein drittes mal“, sagt Salò. Ein kalkulierter Businessman ist er aber trotzdem nicht: „Wenn ein Song besonders gut geht, ist mein Label zufrieden und ich kann mich im Rest der Platte bissl mehr austoben.“

So entstehen Songs über überfahrene Katzen, die symbolisch für die Frage stehen, warum alles Schöne kaputt geht. Suche nach Liebe, Ablehnung von Kapitalismus und Neoliberalismus, ständiges online Sein und den Sinn im Leben suchen - im Endeffekt macht Salò das, was wir alle tun und schenkt uns seine subjektive Betrachtung auf die Welt, verpackt in Songs für romantische Neurotiker*innen, neurodivergente Hundefans und arbeitslose Rebell*innen. Vielleicht nicht die Stimme einer Generation, aber eine Stimme der gerne weiterhin gespannt gelauscht werden darf.

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