Peter Fox und seine „Love Songs“
Von Christian Lehner
Großer Rummel in den Filmstudios Babelsberg in Potsdam. Dutzende Journalist*innen warten auf Peter Fox. Alles ist angerichtet für den Star-Auftritt. Der Show-Room an der „Quentin Tarantino Straße“ ist eingefasst mit Requisiten aus Wes Anderson-Filmen. Neben der mit mehreren Album-Cover-Plakaten beklebten Bühnenwand leuchtet ein rotes Herz. Man erwartet Fanfaren und einen alles übertönenden Album-Trailer, wie das so üblich ist, wenn die Plattenfirma ordentlich auf die Pauke hauen möchte.
Doch Peter Fox möchte genau das nicht. Der Musiker, Produzent und Co-Gründer der erfolgreichen Dancehall-Band SEEED schleicht ohne Getöse und Konfettiregen auf die Bühne. Seine ersten Worte gelten der für ihn absurden Situation. Er gebe nur ungern Einzel-Interviews, deshalb der kleine Massenauflauf, so Peter Fox zu Beginn der Pressekonferenz.
Anti-Star und Bestseller
Mit dem Star-Sein hadert der als Pierre Baigorry im Westen von Berlin Aufgewachsene heute noch mehr als vor 15 Jahren. Damals erschien sein Solo-Debüt „Stadtaffe“. Mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren ist es das erfolgreichste Rap-Album, das bis heute in Deutschland erschienen ist.
Zu alt und zu uncool fühlt er sich mittlerweile für das Popgeschäft. Die aktuellen Moves der jungen Generation seien nicht mehr seine Moves. Der 51-Jährige arbeitet lieber in der Anonymität eines Kollektivs oder im Hintergrund als Produzent. „Ich merke, dass ich oft denke: Ey, das ist nicht mehr deine Rolle, weil ich mittlerweile viel zu viel hinterfrage und all diese Posen, die da auch dazugehören, die kann ich gar nicht mehr bringen, das ist lächerlich!“

Felix Bröde
Peter Fox 2023
Doch vor gut zwei Jahren - die Zeit schien pandemiebedingt still zu stehen - schlug der Musik-Nerd in Peter Fox doch wieder zu. Zuerst entstanden ein paar Skizzen in Zusammenarbeit mit dem Hip-Hop- und Dancehall-Kollegen Trettmann. Mit Fortlauf der Zeit wuchs sich das Projekt jedoch zu einem Peter-Fox-Solo-Ding aus. Bald waren auch wieder Teile der „Stadtaffe“-Crew mit an Bord, allen voran das Produzentenduo The Krauts.
Es ist ein Liebeslied
Jetzt also „Love Songs“, das neue Album. Bei „Stadtaffe“ war der thematische Aufhänger die Großstadt (Berlin), auf „Love Songs“ geht es, ja genau, um die Liebe. „Definitiv gibt es nicht genug Liebe auf der Welt, deshalb dachte ich, ich nenne die Platte mal so“, sagt Peter Fox etwas verlegen lächelnd. Er ist sich der Plattitüde bewusst.
Was Fox mit dem Titel im Sinn hat, lässt sich anhand der 11 Songs schnell entschlüsseln. Der Opener „Ein Auge Blau“ legt den Grundton fest: „Das eine Auge blau, den Mund voll mit Dreck/ Liebe im Bauch, aber Stress im Gepäck /mein Cockpit getroffen, aber das steck ich weg / bin nicht kaputt nur ein bisschen defekt“.
Aus dem vor 15 Jahren auch schon nicht mehr jungen Stadtaffen, der um Selbstbehauptung ringend durch das Nachtleben Berlins stolpert und sich nach Familien-Idylle und ein „Haus am See“ sehnt, ist ein sogenannter „Best Ager“ geworden, ein privilegierter Mann +50, der zwar alles hat, der aber auch erkennen muss, dass es für das große Glück wohl doch nie reichen wird: „Family Mann rennt vor die Wand / schmeckt das Blut - Patchwork Blues / Keine Zeit, liefer ab / trag ne Beißschiene nachts“, heißt es weiter in „Ein Auge Blau“.
Das Album schwankt zwischen der Abwesenheit von Liebe und der völligen Auflösung in ihr (Song „Disney“). Der zweite Song „Tuff Cookie“ ist ein im Up-Tempo gehaltenes Liebesgeständnis, so zärtlich formuliert, wie es nur auf Denglisch gelingt: „Tuff Cookie, ich liebe deinen Biss / hart und Süß, ja, ich fühl es wie du bist / niemand ist sweeter.“

Warner Music
„Love Songs“ von Peter Fox ist auf Warner Music erschienen. Das Konzert am 31. Mai in der Arena Wien ist ausverkauft. Peter Fox tritt am 18. Juni auch beim Lido Sounds Festival in Linz auf. Dafür sind noch Tickets erhältlich.
Zerzaust von den Wirren der Gegenwart, dem privaten und öffentlichen Gezanke, wie im Song „Weiße Fahnen“ thematisiert, taumelt der Protagonist des Albums im Stück „Gegengift“ durch das „Chaos auf den Straßen“ und empfiehlt in beiden Tracks ein Abrüsten der Worte und Taten, auf dass sich die Herzen in der Bundesrepublik öffnen mögen.
Im Schlusssong „Zukunft Pink“ wagt Peter Fox sogar eine optimistische Gesellschaftsprognose, die nicht beim Binnen-I aufhört, aber es miteinschließt: „Schwarz, weiß, straight, gay / Liebe für alle und für mich selbst“. Und weiter: „Alle malen schwarz, ich seh’ die Zukunft pink / Wenn du mich fragst, wird alles gut mein Kind / Mach dein Ding, aber such kein´ Sinn / und was nicht da ist, musst du erfinden.“
Kein Wunder, dass nicht wenige in Peter Fox eine Art Dancehall-Kanzler der Herzen sehen. So setzt er sich im Song „Zukunft Pink“ für Steuergerechtigkeit ein: „Tax me now! I’m a rich motherfucker!” In einer anderen Line bekommt der IT-Selbstdarsteller Elon Musk sein Fett ab. Mit einem parteipolitischen Engagement hätte er durchaus geliebäugelt, so Peter Fox auf der Pressekonferenz, doch der Politbetrieb sei ihm viel zu hart. Eine einschlägige Podcast-Serie für den Berliner Sender RadioEins sei ohne nennenswerte Publikumsreaktionen im Sand verlaufen. „Das musste ich auch schmerzhaft feststellen: nobody cares! Die Ansage war dann immer: Hey Digga, mach mal einen neuen Song.“
Trotz Blessuren und Altersmüdigkeit („Vergessen Wie“), der typische, federleichte Peter-Fox Groove macht aus dem ganzen Struggle eine Hinterhofparty mit Gästen aus aller Welt. Jersey Beat, Rumba, Dancehall und sogar die italienische Ikone Adriano Celentano bekommen Air-Time auf „Love Songs“. Celentano ist 85 und eigentlich in Pop-Rente. „Da gab es eine Connection über unseren Manager“, erzählt Peter Fox. „Es hat dann absurderweise geklappt. Wir haben von anderen Italienern gehört, die seit zwanzig Jahren versuchen, mit dem ein Feature zu machen. Es war auch nicht ganz unkompliziert.“
Eine Stärke von „Stadtaffe“ ist der zeitlose Sound des Albums. Die Musik ist zwar cluborientiert, doch Peter Fox und sein Team haben damals so viele organische Sounds wie möglich verwendet. Fox bezahlte aus eigener Tasche das 40- köpfige Filmorchester Babelsberg. Die Percussions wurden großteils eingetrommelt statt gesampelt oder programmiert.
Menschenmusik und Aneignung
Diesen Ansatz hat Peter Fox bei „Love Songs“ fortgeführt. Deshalb unterscheidet sich das neue Album vom Feeling her nicht wesentlich vom Vorgänger, obwohl andere Stilelemente wie etwa Trap-Bässe und mehr afrikanische Rhythmen in den Mix geworfen wurden und Mr. Fox hörbar softer singt.
Außenaufnahmen und Handclaps forcieren den Party-Vibe, die Streichersätze sind Großteils westafrikanischen Gesangsharmonien gewichen. „Es war auch ein Ziel von der Produktion, dass man hört, dass Menschen involviert sind“, so Peter Fox. „Dass es nicht nach Laptop-Produktion klingt, auch wenn natürlich viele Songs auch am Laptop entstanden sind. Wir haben immer versucht, viel Human Power aufzunehmen“.
Den Unterschied zu aktuellen Dance-, Hip-Hop- und Charts-Produktionen definiert er so: „Ein erfolgreicher amerikanischer Trap-Produzent wird seine Sounds immer so auswählen, dass es am Ende knallt. Wenn du so wie wir anfängst, hier noch ein Chor, da noch ein Streicher, dann wird das nie so fett und durchsetzungsstark klingen, wie eine Charts-Produktion nun mal klingt. Darunter haben die Krauts und ich am Anfang auch gelitten, hey, das knallt überhaupt nicht, aber irgendwann haben wir angefangen, das zu akzeptieren. Das ist eine andere Musik, die wird für etwas anderes gemacht.“
Doch mit seiner stilistischen Offenheit handelte sich Peter Fox zuletzt auch Ärger ein. Als er im vergangenen Oktober „Zukunft Pink“ als Single veröffentlichte, sah er sich mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung konfrontiert. Konkret ging es um die Verwendung des südafrikanischen Amapiano-Club-Sounds. Peter Fox konnte zwar die Vorwürfe entkräften, da er den eingeforderten Respekt den afrikanischen Künstler*innen gegenüber mit der Offenlegung seiner Einflüsse im Pressetext und den Liner-Notes des Musikvideos sehr wohl erfüllt hatte, doch die Episode hinterließ Schrammen im Selbstbewusstsein, war doch Solidarität mit Marginalisierten stets ein Eckpfeiler des Fox’schen Musikmachens.
Reichte früher die schiere Existenz einer multi-ethnischen Band wie SEEED als Statement, so ist das heute zu wenig Legitimation - immerhin wird mit einem Hit wie „Zukunft Pink“ auch viel Geld verdient, von dem die Urheber des Original-Sounds in der Regel nichts sehen. „Da haben wir sicher alle was zu lernen, da nehme ich mich echt nicht raus. Ich fand trotzdem die Diskussion, und wie sie aufgezogen wurde nicht cool und nicht fair“, so der Berliner rückblickend.
Angeblich das letzte Soloalbum
Es war dann ausgerechnet dieser Song „Zukunft Pink“, der Peter Fox erstmals in seiner Karriere an die Spitze der deutschen Single-Charts katapultierte. Das Album „Love Songs“ hat ebenfalls das Potential, die Charts zu stürmen. Peter Fox versichert in der Pressekonferenz in Potsdam, dass es sein letztes Soloalbum sein wird, aber das sagte er ja auch bereits nach dem Erfolg seines Debüts. „Damals hatte ich halt keinen Bock mehr auf Solo-Popstar-Sein und hatte wieder Bock was mit SEEED zu machen. Inzwischen bin ich so: Ey, jetzt hab ich wirklich alles erzählt und ich finde andere Sachen im Leben auch noch sehr spannend.“
Ein neues Album von Peter Fox war nicht unbedingt zu erwarten, aber dringend nötig. Die Vernunft muss sich auf die Straßen kleben, während die Ampel einen Unfall nach dem anderen verursacht. Mit den „Love Songs“ kann man immerhin optimistisch in den Sommer tanzen.
Publiziert am 26.05.2023