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German singer Til Linderman of rock band Rammstein performs on stage during the Pinkpop 2002 concert in Landgraaf,

AFP PHOTO EPA/ANP/ROBERT VOS

„Row Zero“-Vorwürfe gegen Rammstein

Eigens ausgewählte Fans dürfen bei Rammstein-Konzerten nicht nur in die Reihe Null direkt vor die Bühne, sondern auch zu Pre- und After-Partys. Eine junge Frau aus Irland berichtet jetzt von ihren Erfahrungen in der „Row Zero“ bei Rammstein. Die Rede ist von KO-Tropfen und systematischer Ausnutzung junger Frauen.

Von Lena Raffetseder und Livia Praun

Shelby Lynn ist extra zum Tourauftakt von Rammstein von Irland nach Vilnius gereist. Beim Konzert in Litauen will sie die Band treffen und bei der Afterparty dabei sein. Dafür ist sie in Kontakt mit einer Frau aus der Rammstein-Crew, die für die „Row Zero“ Gäste organisiert, meist junge Frauen. Nach dem Konzert berichtet Shelby Lynn auf Instagram und Twitter von ihren Erfahrungen. „Do not meet your idols! Fuck Rammstein!“, beginnt sie ein Instagram-Video aus dem Hotelzimmer in Vilnius.

Online dokumentiert Lynn ihre Blutergüsse, die sie, wie sie sagt, nach der Rammstein-Party bekommen hat. Sie glaubt, dass ihr schon auf der Pre-Show-Party Drogen in den Drink gegeben wurden. Und die Irin berichtet auch von einem Treffen mit Rammstein-Sänger Till Lindemann in einer Konzert-Pause. Sie sei unter die Bühne in einen kleinen Raum gebracht worden: „He wanted to have sex with me and I said: ‘No. Sex is very special for me.’ He was so angry!” Wütend sei Lindemann gewesen, angegriffen habe er sie aber nicht. Das betont Shelby Lynn.

Sie hätte dann einige Tage gebraucht, um sich körperlich zu erholen: „I couldn’t even move from my hotel bed. I was shaking like crazy, my entire body the entire day, freezing and then sweating buckets, and vomiting.” Weil sie für ihre Verhältnisse wenig getrunken hat, und sie sich - wie sie selbst sagt - wie ein Zombie verhalten hat, vermutet Shelby Lynn, dass ihr Drogen in den Drink gemischt wurden.

Sisters Of Music ist ein Netzwerk von und für Frauen in der Live-Entertainment-Branche. Ein Hauptanliegen ist das Schaffen eines besseren Umfelds für Frauen bei Konzerten und Festivals.

Seitdem Shelby Lynn ihre Erfahrungen öffentlich gemacht hat, wird sie von vielen als Lügnerin bezeichnet, die nur Aufmerksamkeit wolle. Auf Social Media teilt die Irin seither aber auch Erfahrungen von anderen Frauen, die in der Vergangenheit Ähnliches in der „Row Zero“ erlebt hätten. Dass Shelby Lynn und die anderen Frauen hinterfragt werden, überrascht Karin Tonsern von Sisters Of Music nicht: „Betroffene Personen von sexualisierter Gewalt oder sexueller Belästigung sind sehr oft dem Problem ausgesetzt, dass sie diskreditiert werden.“

Von dieser „Row Zero“ hat Markus Grundnig, Admin vom Fanclub Rammstein-Austria.com erst vor einigen Tagen erfahren. Die Aftershow Partys waren ihm schon bekannt: „Soweit ich weiß sind das Mädels, die in der ersten Reihe stehen, die sich eben hübsch hergerichtet haben, die werden da ausgewählt.“ Der langjährige Rammstein-Fan ist nicht wirklich überrascht von den Vorwürfen: „Man wusste, dass ausgelassene Partys gefeiert werden, primär mit Mädchen, dass es zu sexuellen Handlungen nach den Konzerten kommt, eben im Einvernehmen und dass es wild zugeht bei den Rammstein Partys. Und dass jetzt eben sowas aufgekommen ist, war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Aber man weiß eben nicht, was wirklich genau passiert ist.“

Die Produktionsleiterin und Tourmanagerin Karin Tonsern wundern die Erzählungen auch nicht. Sie persönlich habe solche exzessiven Afterparties noch nicht erlebt, aber in der Branche werde „natürlich“ darüber gesprochen. Generell entstehen bei Musikevents häufig unangenehme Situationen für Frauen - egal ob als Fan bei einer Aftershowparty, als Technikerin, Crew-Mitglied oder als Konzertbesucherin. Das liege unter anderem daran, dass die Branche männlich dominiert ist. Das zu verändern ist auch ein großes Anliegen der Sisters of Music: „Wir sollten generell, egal ob Backstage, bei Technikerinnen, bei Crews etc., diverser gestalten, damit es wirklich auch ein angenehmes Umfeld ist“, meint Karin. Das würde Frauen auch erleichtern, sich in schwierigen Situationen Hilfe zu holen.

Am Wochenende reagieren Rammstein mit einem Statement auf Twitter:

Seitdem haben sich die Vorwürfe allerdings ausgeweitet. Immer mehr Frauen berichten von einer systematischen Rekrutierung junger Fans für Sex bei Konzerten. Die deutsche Band weist nach wie vor alle Vorwürfe zurück.

Erste Geschäftspartner ziehen aufgrund der Vorwürfe ihre Konsequenzen. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch beendet Zusammenarbeit mit Till Lindemann. Der Kölner Verlag hatte Lindemanns Gedichte veröffentlicht.

Gegenüber der deutschen Bild-Zeitung sagt die Polizei Vilnius, dass nächste Woche entschieden wird, ob strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

Für die einen sind es vielleicht nette Mitarbeiter, die jungen Frauen den Wunsch erfüllen, Rammstein zu treffen. Andere kritisieren ein System des Machtgefälles, in dem junge Frauen mutmaßlich für exzessive Aftershowparties gecastet und von ihnen Sex erwartet werde. Und dann wäre da ja noch der Vorwurf, dass auch KO-Tropfen im Spiel gewesen sein sollen.

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