Der Mensch hinter dem Vorhang

Abhörmanöver können tragische oder farcenähnliche Folgen haben. Egal ob in der Dramaturgie oder in der Politik.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

“Ein Mensch hinter dem Vorhang”, der einem wichtigen Gespräch lauscht, ist eine klassische Methode der Dramaturgie. Sie wird sowohl in Tragödien (zum Beispiel Polonius, der Hamlet spioniert, bis ihn Hamlet absticht), als auch in Komödien (zum Beispiel Orgon, der sich unterm Tisch versteckt in „Tartuffe“ von Moliere) verwendet. Das heißt, dass solche Abhörmanöver gleichzeitig tragische oder farcenähnliche Folgen mit sich bringen können. In der heutigen Epoche des Postmodernismus muss sich niemand hinter einem Vorhang verstecken. Man braucht nur heimlich ein Zoom Gespräch aufnehmen. Die Folgen sind aber wie immer tragikomisch.

Ihr erinnert euch sicher noch daran wie ein österreichischer Vizekanzler dabei aufgenommen wurde, wie er von unmoralischen Geschäften schwärmt, aufgelockert von einer schönen Frau. Seine politische Karriere endete kurz danach.

In Bulgarien herrscht gerade ein grandioser Skandal wegen einer geheimen Aufnahme. Ein Abgeordneter, dem ein Ministerposten verweigert wurde, hat seine Kollegen in einem langen und wirren poliitschen Gespräch aufgenommen. In diesem Gespräch reden sie unschön über ihre politischen Gegner, zeichnen ihre Pläne für die Zukunft des Landes und zeigen auf ihre wahren politischen Feinde, die ihre gestrigen Freunde waren. Im Gespräch gibt es nichts, was ihre Gegner nicht wissen oder wenigstens erahnen können. Die eigentlich illegale Aufnahme wurde sofort bereitwillig von allen Medien verbreitet.

Man lässt natürlich keine Möglichkeit aus, unter die Decke der Politik zu schauen. Und darunter sieht man die dreckige Bettwäsche. Das Wühlen in der dreckigen Wäsche bringt unangenehme Gerüche mit sich. Aber langsam gewöhnt man sich daran. Denn Politiker tendieren dazu, schlechte Gerüche als wunderschöne Düfte zu verkaufen.

In der klassischen Dramaturgie werden diejenigen, die hinter dem Vorhang spionieren entweder getötet oder belächelt. Und wir, liebe Hörerinnen und Hörer, sind hoffentlich so unwichtig, dass uns niemand abhört. So haben wir wenigstens ein reines Gewissen, oder?