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Tour-Spoiler: Wann sind Konzerte die neuen Serien geworden?

Immer mehr Fans deaktivieren vor Konzertbesuchen ihre Social-Media-Kanäle, um nicht gespoilert zu werden. Warum Tour-Spoiler aber auch etwas Positives haben können.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Scrollt man dieser Tage durch TikTok, wo Konzertvideos von Taylor Swift oder Beyoncé gerade die Feeds aller Pop-Liebhaber*innen dominieren, könnte man meinen, dass es zwei Arten von Konzertbesucher*innen gibt. Zum einen sind da die, die im Vorfeld die Setlist auswendig lernen, die Dramaturgie der Show studieren, direkt die gesamte Choreo mittanzen können und nichts dem Zufall überlassen. Und dann gibt es da noch die, die vor einem großen Konzert, auf das sie sich wahrscheinlich schon seit Monaten freuen, ihre Social-Media-Apps löschen und nichts unversucht lassen, um sich radikal jeder Art von Konzert-Spoiler zu entziehen.

Ebendiese sind in letzter Zeit immer häufiger Thema. Klar, durch die Sozialen Medien wurden große Konzerte immer mehr zu bestens dokumentierten kollektiven Ereignissen. Egal, ob es um die Abfolge der Songs geht, die Visuals oder die Looks – ich könnte euch im Schlaf die Dramaturgie von Taylor Swifts “Eras”-Show nacherzählen, weil ich tagtäglich auf TikTok damit beballert werde. Mir ist das mehr als recht, denn wer weiß, ob Taylor jemals in Europa touren wird und ich sie im Rahmen dieser Tour zu Gesicht bekomme.

Und natürlich ist das auch genau das, was die Stars wollen: Ihre Marke pushen und virale Momente kreieren, die nicht nur die anwesenden Konzertbesucher*innen erreichen und begeistern, sondern noch zusätzlich die Millionen von Menschen, die via Social Media zuschauen. Harry Styles widmet sich in seinen Shows zum Beispiel ausführlich den Schildern, die seine Fans ihm vor die Nase halten, und geht damit regelmäßig viral. Einmal forderte ihn ein Fan auf, das Geschlecht ihres Babys vor dem gesamten Stadion zu verkünden – vor den 80.000 anwesenden Konzertbesucher*innen und Millionen Menschen auf TikTok, wo das Video über fünf Millionen Likes zählt.

Viele Fans sehen das jedoch ein wenig strenger und haben Sorge, durch die offensive Social-Media-Coverage von großen Konzerten ihrer eigenen Erfahrung beraubt zu werden – sie wollen nichts davon wissen und vor Ort überrascht werden. Und das ist vor allem dann schwierig, wenn man auf TikTok unterwegs ist, wo man dem Content, den der Algorithmus einmal als passend ausgewählt hat, nur schwer aus dem Weg gehen kann. Dann lieber vorsorglich die App löschen oder andere Accounts, Schlagworte oder Hashtags stummschalten.

Einige löschen nicht nur ihre Social-Media-Kanäle vorübergehend, um Tour-Spoiler zu vermeiden, sondern scheuen keine Kosten und Mühen, um die ersten Konzerte einer Tour zu besuchen und weniger lang zuhause zu hocken und dort auf ihrem Smartphone schon das ganze Konzert gesehen zu haben. Beyoncés “Renaissance”-Tour startete kürzlich in Stockholm – also reist man eben dorthin und gibt somit ziemlich viel Geld aus, um zu den ersten Fans zu gehören, die diese heißersehnte Show erleben dürfen. So manche Artists kommen ihren Fans angesichts dieser neuen Entwicklungen aber auch entgegen und nehmen für jede Show kleine Änderungen an der Setlist vor. Taylor Swift spielt im Rahmen jedes Tourstopps Überraschungssongs, die Band The 1975, die derzeit auch eine vielbeachtete Tour spielt, ist ohnehin für die Unvorhersehbarkeit ihrer Shows bekannt.

Neben dem unausweichlichen Social-Media-Spam könnten auch die immer weiter steigenden Ticketpreise Mitschuld an der Angst der Fans haben, vor einem Konzert gespoilert zu werden. In den USA blättert man für eine Taylor-Karte schon mal mehrere tausend Dollar hin – da ist es doch nur verständlich, dass man für sein Geld auch das meiste aus der Erfahrung rausholen will. Andererseits gilt aber auch: Derart teure Tickets können sich immer weniger Fans leisten. Für sie – oder beispielsweise auch solche Fans, die aufgrund ihres Wohnortes einfach keine Chance haben, eine bestimmte Tour zu besuchen – sind Tour-Spoiler also eine Art, trotzdem “dabei” zu sein. Es ist also nicht alles schlecht.

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