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Die Autorin Anna Herzig lächelt.

Haymon Verlag / wildbild

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Mannsein als Rechtsgrundlage in „12 Grad unter Null“

Die österreichische Autorin Anna Herzig schreibt gegen Frauenhass an: Ihr neuer Roman „12 Grad unter Null“ spielt in einer Welt, in der Männer ab 18 Jahren Geld von jeder Frau einfordern können. Einzige Voraussetzung: Die Männer finden, sie hätten in die Frau „investiert“.

Von Maria Motter

„Die schlimmste Dystopie war die, von der man nicht merkte, dass sie bereits zur Realität geworden war", schreibt Anna Herzig in „12 Grad unter Null“ und entwirft genau so eine Dystopie. In der nahen Zukunft können Männer vollen Zugriff auf ihre Frauen und deren Leben haben: Zu Beginn der Geschichte besiegelt ein Gesetz das Schicksal aller Frauen im fiktiven Land Sandburg. Männer ab 18 Jahren können demnach Geld von jeder Frau einfordern, mit der sie in Beziehung standen oder stehen. Einzige Voraussetzung: Die Männer finden, sie hätten in die Frau „investiert“. Dafür bekommen die Männer auch noch eine Prämie und wenn die Frauen ihre Schulden nicht binnen zwei Wochen begleichen können, wird ihr Dasein allumfassend eingeschränkt.

Den Hashtags dazu ist im schmalen Band „12 Grad unter Null“ eine Seite gewidmet, einer lautet #MannseinalsRechtsgrundlage. Und manch ein Mann fordert von seiner Ehefrau eine große Summe und begründet das auf Entsetzen und Nachfrage damit, es sei „einfach ein bisschen geil, Macht zu haben“.

Ein geschminktes Gesicht einer Frau am Cover des Buchs "12 Grad unter Null" von Anna Herzig.

Haymon Verlag

„12 Grad unter Null“ von Anna Herzig ist 2023 im Haymon Verlag erschienen. Anna Herzig lebt in Niederösterreich, sie ist die Tochter einer Kanadierin und eines Ägypters, so steht es in ihrer Kurzbiografie.

Tatsächlich ähneln die möglichen Sanktionen dieser fiktiven Regel der mittlerweile überholten österreichischen Gesetzeslage bis in die 1970er Jahre. Bis dahin mussten Frauen die Zustimmung ihres Vaters oder Ehemanns vorweisen, um eine Arbeit annehmen zu können. Das traf vor allem bürgerliche Frauen, in Arbeiterinnenkreisen setzte man Erwerbstätigkeit oft voraus. Erst in den Jahren 1975 bis 1978 kam es zu Reformen. Eine Vergewaltigung in der Ehe wurde in Österreich erst 1989 zur Straftat erklärt.

Die Autorin skizziert in wenigen Sätzen die politische Großwetterlage in diesem fiktiven Ort Sandburg: Vetternwirtschaft und Frauenhass regieren diese Welt. In der Geschichte einer Kleinfamilie schlägt sich das Patriarchat buchstäblich nieder.

Die Konfrontationen mit den Männern bis zum „Beinahe-Mord“ sind drastisch, die inneren Erlebniswelten der Frauen fantastisch erzählt. Vor allem die intensiven Beschreibungen häuslicher Gewalt brechen regelrecht über die Leser*innen herein.

Manipulationsstrategien selbst von Kindern werden offengelegt und spät, aber doch, verbünden sich Frauen untereinander, um wieder Selbstbestimmung zu erlangen. Allerdings mangelt es nicht an Opportunistinnen, die den Selbsthass in politische Maßnahmen gießen. So ein Tiefpunkt ist die Idee eines „Kellermuseums“, in dem Clubmitgliedern vermittelt werden soll, wie sie Frauen effizient erniedrigen könnten.

„12 Grad unter Null“ hat nur 140 Seiten, man kann das Buch am Stück lesen. Anna Herzig arbeitet mit Übertreibungen und Zuspitzungen. Manch eine Passage ist etwas kryptisch geraten. So praktiziert der Familienvater, der ein grausamer Taktiker genannt wird, ein bizarr befremdliches Bestrafungsritual mit Löffeln, die er einfriert. Insgesamt ist Anna Herzig mit „12 Grad unter Null“ ein auch sprachlich interessantes Gedankenexperiment gelungen.

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