FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Bibiza

Franz Reiterer

Lesss go!

Bibiza hat gestern am Nova Rock gespielt, Bibiza spielt bald überall. Ein Gespräch und ein paar Gedanken.

Von Lisa Schneider

Wir könnten jetzt, da wieder Zeit für die Pannonia Fields ist, sehr viel über Schlamm und seine verschiedenen Konsistenzvariationen reden. Eh öd. Aber der Regen liefert sogar die Überleitung zu einem Act, der hier auftritt, und der wegen Regens zuletzt sogar eine lang geplante Sache absagen musste: Bibiza hatte fürs Wochenende seines Albumreleases im Mai nichts weniger geplant, als ein den touristischen Hop-On-Hop-Off-Bussen nicht unähnliches Gefährt rot und natürlich mit seiner Visage einzufärben und damit mit Fans um den Ring zu fahren.

Wohin denn auch sonst? Das ist die Straße, durch die seine Songs und Gedanken fahren, es ist eigentlich immer Nacht und irgendwo wird gefeiert („Stadtpark Insomnia“!). Dabei spielen aber Zeitpunkt und Perspektive die interessante Rolle, Bibiza hat mit „Wiener Schickeria“ nämlich durchaus ein Nicht-nur-Party-Album rausgebracht. Rausch hat nicht immer mit Alkohol zu tun, sondern manchmal auch mit Selbstaufgabe einer Sache wegen, derer man sich absolut sicher ist. Ihr seht, für Pathos ist gut Platz, nicht nur in Texten von, sondern auch über Bibiza. (Die Ring-Rundfahrt wurde übrigens eine Woche später nachgeholt und hat auf Instagram sehr schön ausgesehen.)

Bibiza

Franz Reiterer

Jetzt also Nova Rock, die zweite Ehrenrunde auf österreichischen Großfestivals, die Bibiza jetzt hiermit von der Bucket List haken kann. Letztes Jahr ist er spontan am FM4 Frequency Festival eingesprungen. Das war der Zeitpunkt, als (zumindest das Wiener) TikTok übergegangen ist mit einem Lied, in dem’s um weiße Dinge geht, vor allem aber auch um den Opernring. Genau zu dem Zeitpunkt hat alles so richtig zu brodeln begonnen, neue Bibiza-Videos waren ein Happening, mittlerweile ist die Promo zum Album abgeschlossen und das ist vielleicht auch ganz gut so. Bibiza und sein Team haben genau diesen schmalen Grat in all dem Übermut nicht überschritten. Popstar sein ist auch Marketing.

Und dabei ist Franz Bibiza ja genau so ein Mensch eigentlich nicht. Vor gut zwei Jahren hätte man noch wetten können, er ist eigentlich so einer, der am Handy noch Snake II spielt und sonst prinzipiell das Leben eher lieber offline genießt. Gefragt nach Zielen und Erfolg hat niemand schöner die Schultern gezuckt. Franz Bibiza ist einer, der im Hintergrund wurstelt und hackelt, ja, sehr urwienerisch das alles, so wie der Wortschatz. Einer, der schon Musik gemacht hat, als man ihn noch nur „Rapper“ genannt und ab und an als eher Randfigur gebucht hat.

Bibiza

Franz Reiterer

In der Zwischenzeit war Bibiza für den FM4 Award beim Amadeus nominiert, war als Tour-Support mit den Sportfreunden Stiller und Majan unterwegs und ist grad gut dabei, seine eigene, erste Headline-Tour im Herbst in Österreich und Deutschland völlig auszuverkaufen. Und jetzt? Wie ist das mit den Zielen und dem Erfolg? „So einen großen Endpunkt gibt’s für mich eigentlich nicht. Einfach weitermachen, schauen, dass es Spaß macht, dass die Dinge qualitativ besser werden... ja!“ sagt er wie immer tiefentspannt ins gelbe Mikro im Backstagebereich am Nova Rock. Da sitzt er, heute Lichtgestalt zwischen all den schwarz Gewandeten, ganz in weiß. Und glaubt doch tatsächlich, das bleibt so! Am Nova Rock war er schon einmal, es ist also nicht die süße Unwissenheit, sondern die Überzeugung, dass man schon auch aus der Masse herausstechen mag.

Bibiza

FM4

Gemessen an nicht unbedingt der Reichweite, vor allem aber an der treuen Fanbase, ist Bibiza gemeinsam mit Acts wie Felix Kramer gerade dabei, eine neue Art von Austropop zu definieren, die natürlich viel borgt, sich aber gleichzeitig auf einer ganz neuen Tonhöhe freut, empört oder eben all die aufgestauten Mid-Twenty-Something-Feels rauslässt. Es ist auch eine Frage von Selbstverständnis, wie man die Dinge angeht, die man so liebt. Felix Kramer kann euch hier ebenfalls zwei, drei, zehn Songs dazu singen. Erfolg ist viel Dran-Glauben, und dann auch immer ein bisschen Glückssache. Bibiza nickt.

Er hört natürlich viel Musik, gerade eben hat er eine Spotify-Playlist für seine Fans erstellt (bzw. erneuert), und da klickt man fast schon erstaunt durch Songs von P!NK oder Travis oder Coldplay oder Smashing Pumpkins, um nur ein paar zu nennen. Die Sache mit der Inspiration ist ja immer eine irgendwie komische Sache, weil unbedarfte (nicht musikmachende) Menschen denken, dass man (musikmachende Menschen) im besten Fall dahin will, wo die eigenen musikalischen Heroes sind. Aber im besten Fall, und so eben auch bei Bibiza, ist Inspiration ja etwas ganz anderes. Da hört man etwas, das einem gefällt, und das nicht nur Mut, sondern Feuer unterm Hintern macht, selbst genau auch das zu tun, was einem am besten gefällt: „Ich hab ein Album gemacht und es heißt Wiener Schickeria / Es hat in mir Feuer entfacht so wie der Ofen in einer Pizzeria.“ Die Zeilen darüber, wie originell das ist, was Bibiza grade macht, auf hinreißende Weise gleichzeitig nostalgisch verklärte und wie nichts sonst im jetzigen Wien verortete Kunst zu schreiben: Geschenkt.

Nicholas Ofczarek hat das Intro zum „Wiener Schickeria“-Album gesprochen, es beginnt mit dem herrlichen Satz: „Wie mein Vater immer sagte: Es wird ein Tag zum Helden Zeugen.“ Abgeschmackt und urtypisch und eine Stilfigur sondergleichen, beide, der Schauspieler und Bibiza, der dann am Mikro übernimmt. Er hat das lang so gewollt und will es immer noch, sich verschwenden, jeden Tag, sanfte, aber schon, Funken schlagen. Das ist allein, aber nicht nur wegen der dedication, schon wirklich die neue homegrown Spitzenklasse.

Aktuell: