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Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

Hochschaubahn der Gefühle

Die FM4 Field Recordings aus der QUEER BASE in der Türkis Rosa Lila Villa in Wien, eine Anlaufstelle für lesbische, schwule, bisexuelle, inter*, trans*gender und queere Flüchtlinge.

Von Elisabeth Scharang

„Die Arbeit in der Queer Base ist eine schöne, grausame, aufbauende Hochschaubahn der Gefühle“, erzählt Mitbegründerin und queere Aktivistin Marty Huber. Wir treffen uns am Eingang der Türkis Rosa Lila Villa, wo seit 1982 das Herz des queeren Lebens in Wien schlägt; damals noch besetztes Haus, heute unter anderem die Heimat der Queer Base.

Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

„Seit 2015 haben wir über 1.000 geflüchtete Personen betreut, manche über Jahre, und über 800 von ihnen haben das Asylverfahren positiv abgeschlossen, 230 sind noch in einem offenen Verfahren,“ erzählt Marty. Die hohe Erfolgsquote erzielen die Sozialberater *innen, die freiwilligen Rechtberater*innen, die Dolmetscher*innen und Unterstützer*innen in der Queer Base, weil sie die geflüchteten Menschen in ihrer Gesamtheit sehen und begleiten. Was nützt die beste Rechtsvertretung, wenn sich ein geflüchteter Mensch vor einem Beamten schämt, über das eigene Coming Out zu sprechen? Wenn die Angst vor einer Abschiebung so groß ist, dass die Klient*innen nicht mehr schlafen können? Wenn man nicht weiß, wie man für das Asylverfahrens beweisen soll, dass man schwul oder lesbisch ist? Deshalb werden die Klient*innen auf all diese Schritte in vielen Gesprächen vorbereitet. Sie finden in der Queer Base eine Community, in der sie sich sicher und verstanden fühlen.

Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

Das Team der Queer Base setzt sich aus Sozialberater*innen, ehrenamtlichen Rechtsberater*innen, Dolmetscher*innen und freiwilligen Unterstützer*innen zusammen. Viele sind ehemalige Klient*innen. Seit 2015 haben sie 1000 LGTBIQ Flüchtlinge durch ihr Asylverfahren begleitet, viele über Jahre. 800 davon haben ihr Asylverfahren bereits positiv abgeschlossen.

Ich bin für die FM4 Field Recordings einen ganzen Tag lang in der Queerbase und lerne dort Klient*innen, Betreuer*innen und Freund*innen der Queerbase kennen: es wird gelacht und geweint, es geht um Einsamkeit und darum, mit neu gewonnen Freund*innen zu feiern. Für viele der geflüchteten LGBTIQ Personen ist die Pride in Wien das erste Mal, dass sie offen und gemeinsam mit 100.000 anderen Menschen ihr queeres Leben feiern.

Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

Mastula ist aus Uganda geflüchtet und hat mit Unterstützung der Queer Base sieben Jahre für ihren positiven Asylbescheid gekämpft. Heute studiert sie Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf Menschenrechte . Sie arbeitet zusätzlich in der Queer Base wie viele ehemalige Klient*innen.

„2016 war meine erste Pride-Parade in Wien, es war unglaublich schön. Das haben wir nirgendwo in Afrika“, erinnert sich Mastula. Sie ist aus Uganda geflohen, weil die Situation für queere Menschen wie sie zu gefährlich wurde. Das war 2015. Letzte Woche erließ Präsident Yoweri Museveni eines der härtesten Anti-LGBTIQ Gesetze weltweit; das bedeutet lebenslange Haft für lesbische und schwule Menschen, die als solche geoutet werden und es bedeutet die Todesstrafe für homosexuelle Beziehungen mit Menschen unter 18 Jahren.

In über 70 Ländern werden queere Menschen kriminalisiert, von körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt bedroht. In Österreich ist es seit längerer Zeit möglich, unter dem Titel „Angehörige einer sozialen Gruppe“ Asyl aufgrund von homo- bzw. transfeindlicher Verfolgung zu beantragen. Das Team von Queer Base berät hilfesuchende Flüchtlinge im Asylverfahren, unterstützt bei Behördengängen, vermittelt Therapieplätze oder berät in Fragen des Coming Outs. Das Büro im 6. Bezirk in Wien dient als Anlaufstelle und ist mehr als ein Beratungszentrum, es ist ein Safe Space, ein Wohnzimmer.

So kannst du bei der Queer Base ehrenamtlich als Buddy* mithelfen und als Berater*in mitarbeiten: Es gibt jeden Donnerstag ab 18 Uhr die Möglichkeit, sich beim Queer Base Café in der Türkis Rosa Lila Villa auszutauschen, zu vernetzen und kennenzulernen!
Du findest alle Infos unter
Webseite: queerbase.at
friends.queerbase.at
Email: asylum@queerbase.at
Telefon: 0043 664 6594171
Adresse: Linke Wienzeile 102, 1060 Wien

Wissen wie der Hase läuft

Mastula studiert, seit sie den positiven Asylbescheid hat, Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf Menschenrechte. Sie möchte eine Lücke in diesem Fachbereich schließen, in dem POC kaum vorkommen. Nebenbei arbeitet sie in der Queer Base, wie eine ganze Reihe anderer ehemaliger Klienti*innen. „Es ist gut, dass Menschen in der Queer Base arbeiten, die sich auskennen, wie der Hase läuft, zum Beispiel, wenn es um den Umgang mit Behörden geht“, sagt Marty Huber. „Aber die Menschen, die geflüchtet sind, wissen, wie der Hase wirklich läuft. Deshalb ist ihre Mitarbeit und ihre Expertise in der Queer Base so wichtig.“

Martys Tag ist voll mit Beratungsgesprächen mit Klient*innen, Vernetzungstreffen mit anderen NGOs, einer Lieferung mit Lebensmittel von der Wiener Tafel für Menschen, die heute Abend wie jeden Donnerstag ins QueerCafe kommen; zwischendurch sitzt Marty mit Mastula, Moein und andere Kolleg*innen im schattigen Hof, wo gemeinsam gegessen und geplaudert wird.

Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

Um 17 Uhr kommt Donatus. Direkt von der Arbeit als Altenpfleger, in einem knallroten Caritas Shirt. Bevor er Kontakt zur Queer Base hatte, schlug sich Donatus drei Jahre lang in Wien mit anderen Geflüchteten durch, außerhalb jeder Betreuungsstruktur, weil er Angst hatte, nach Spanien abgeschoben zu werden. Nach seiner Flucht aus Nigeria sind in Spanien seine Fingerabdrücke registriert worden. 2017 ist Donatus schließlich zur Queer Base gekommen. „Seit ich bei der Queer Base bin, bin ich ein anderer Mensch“, sagt er. „Ich habe keine Angst mehr, meinen Freund auf der Straße zu küssen.“ Auf meine Frage nach seinen Erfahrungen mit Beamt*innen während des Asylverfahrens, erzählt Donatus: „Sie haben gesagt, ich schaue nicht genug schwul aus. Dann hab ich gefragt: Wie sieht man schwul aus? 2021 kam wieder ein negativer Asylbescheid. Marty hat dann eine Beschwerde gemacht.“ Marty: „Ja, das ist hin und her gegangen. Zu deinem letzten Interview bist du nach Innsbruck gefahren.“

Field Recordings in der Queer Base in der Türkis Rosa Lila Villa

Elisabeth Scharang

Marty Huber, queere Aktivistin und Mitbegründerin der Queer Base, mit Donatus, der seit seinem positiven Asylantrag als Altenpfleger arbeitet.

Donatus: „Ich bin gemeinsam mit meinem Mann nach Innsbruck, es war ein Anwalt von der Queer Base dort, der mich zu der Befragung begleitet hat. Dort haben sie mir wieder so blöde Fragen gestellt: zum Beispiel seit wann weiß ich, dass ich schwul bin. Ich weiß das, seit ich 9 bin. Ich habe oft Frauengewand getragen, meine Mama wusste nie warum. Afrikanische Menschen denken anders, in Afrika glaubt man oft, Schwule sind nicht normal.

Elisabeth Scharang zu Besuch in der QUEER BASE in der Türkis Rosa Lila Villa : Die FM4 Field Recordings am 8. Juni von 13 bis 15 Uhr, im FM4 Player und als Podcast.

Deshalb gehen die Leute in die Kirche, damit Gott hilft. Aber wenn ich Männer sehe, dann bin ich so glücklich, ich bin schwul und ich kann das nicht verändern. Früher bin ich so viel in die Kirche gegangen, damit Gott mir helfen kann, hat er aber nicht. Meine Mutter weiß bis heute nicht, dass ich schwul bin, oder vielleicht weiß sie es. Mich haben immer wieder Leute in Nigeria gefragt: Donatus, bist du schwul? Ich habe gesagt: Nein, wieso? Weil wenn du ja sagst, gehst du bei uns für 12 Jahre ins Gefängnis. Aber nach dem Gefängnis würde ich genauso weiter machen, weil das mein Leben ist, so bin ich geboren.“

Im Mai hat SOS Mitmensch den diesjährigen Ute Bock Preis für Zivilcourage an die Initiativen „IG24“ und „Queer Base“ verliehen. Wir gratulieren herzlich.

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