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FM4 Schnitzelbeats - Österreichische Musikgeschichte neu entdecken

Willkommen zurück bei den FM4 Schnitzelbeats! Die letzte Ausgabe dieser Rubrik ist schon eine ganze Weile her und seitdem ist viel passiert. Anlässlich unseres Comebacks sprechen wir über Wiederveröffentlichungen von Werken der österreichischen Popgeschichte, die kürzlich auf den Markt gekommen sind.

Von Al Bird Sputnik

Das Phänomen einer boomenden Vinyl-Reissue- und Re-Release-Kultur, das – etwa im Zuge des sogenannten “Vinyl Revivals” – mittlerweile auch in Österreich zu beobachten ist, ließe sich in knappen Worten so charakterisieren:

  1. Historische Aufnahmen, die die Entwicklung lokaler Musikproduktion entweder entscheidend geprägt haben oder sich damals nicht den Weg zu einem größeren Publikum bahnen konnten, werden von einer neuen Generation von Hörer*innen wiederentdeckt bzw neu kontextualisiert. Ebenso relevant:
  2. Für alle Freund*innen physischer Tonträger-Medien, Sammler*innen und artverwandte Enthusiast*innen bietet sich hier die Möglichkeit, zu einem fairen Preis die jeweiligen – häufig rar und unerschwinglich gewordenen – Veröffentlichungen ins eigene Plattenregal zu holen. Und auch die Ebene des kulturellen Mehrwerts darf nicht unerwähnt bleiben:
  3. Re-Releases, die sich mit vergangenen Entwicklungen der Musikproduktion beschäftigen, können einen relevanten Beitrag zur Neubewertung gängiger Pop-Diskurse leisten. Je mehr Leute eine zuvor obskure Beat-Single aus den 60ern oder ein Minimal-Wave-Album aus den 80ern kennenlernen, desto umfassender und farbenfroher kann letztlich unser aller Genre- und Popkultur-Verständnis beschaffen sein.

Es ist ein Prozess des Wiederzugänglichmachens und der Demokratisierung von obskurem Pop-Geheimwissen. Und ja, stimmt schon: Es gibt heute Plattformen wie Spotify oder Youtube, wo hunderttausende Stunden Musik darauf warten, entdeckt zu werden, aber dennoch ist es nicht das gleiche. Ein physischer Vinyl-Re-Release, den Du in die Hand nehmen kannst, bedeutet, dass es tatsächlich einen Menschen gab, der derartig viel Wertschätzung für das Werk aufbringen konnte, dass am Ende ein physischer Tonträger daraus wurde – mit dem ganzen Zeit-, Technik- und Kosten-Aufwand, der eben dazugehört: Lizensierungen, Remastering der Songs, Reprographie des Artworks, Testdrucke, Umschnitt, Testpressungen, Lieferungen, Distribution, dutzende (wenn nicht sogar hunderte) Telefonate, dutzende (wenn nicht sogar hunderte) e-Mails. Und obendrauf vielleicht sogar Liner Notes mit unveröffentlichtem Bildmaterial. Ganz schön viel Arbeit.

Peter Schleichers Plastic Drug- “Ridin on a motorbike EP”

Blind Rope Records / monkey

Peter Schleichers Plastic Drug- “Ridin on a motorbike EP” (Blind Rope Records / monkey).

Die Wiener Underground-Band Plastic Drug entstand im Jahr 1968 und genießt mittlerweile Legendenstatus: Zunächst wegen ihres eigenständigen Progressive Rock-Sounds mit starken Soul- und Jazz-Anleihen – ein Umstand, der sie im Nachhinein wie die österreichische Entsprechung zu Blood, Sweat & Tears erscheinen lässt. Und dann fällt auch noch die hochkarätige Besetzung ins Auge: An der Hammond-Orgel saß der spätere Popstar Peter Scheicher, der im Zuge der Dialektwelle der 70er- und 80er-Jahre einige Ö3-Radiohits landen konnte. In der Rhythm Section wirkten mit Helmut Pichler (Bass) und Helmut Nowak (Drums) gleich zwei Mitglieder der Wolfgang Ambros-Begleitband No. 1 vom Wienerwald.

Und um nicht auf den Leadsänger der ungewöhnlichen Formation zu vergessen: Johann Otto Lang, ein stimmgewaltiges Nachwuchstalent, das einige Jahre später als Hansi Lang zum Aushängeschild der österreichischen New Wave-Szene werden sollte. Trotz der großen Popularität beim Wiener Publikum, verpasste die Gruppe damals den Zeitpunkt, einen Tonträger rauszubringen und ging im Jahr 1976 auseinander.

Kurz zuvor wurden aber noch repräsentative Studio-Recordings angefertigt, die uns heute Einblicke geben, dass bei den Gigs von Plastic Drug wohl ordentlich die Post abging. Anlässlich des “Record Store Day 2023” wurden die unveröffentlichten Aufnahmen nun – erstmalig – auf einer 7”-Single aufgelegt: Peter Schleichers Plastic Drug- “Ridin on a motorbike EP” (Blind Rope Records / monkey).

Prinz & Prinz - “Kleine Segelschiffe” und “Einsamkeit”

Edition Hawara

Prinz & Prinz - “Kleine Segelschiffe” und “Einsamkeit” (Edition Hawara)

“Prinz & Prinz is one of the most mysterious bands from 1980s Austria”. Das behaupten nicht wir, so steht es in einem Promotext des Labels Edition Hawara Und tatsächlich: Wenn man sich auf Spurensuche begibt, dann findet man lediglich zwei Samplerbeiträge der Formation Prinz & Prinz. Und zwar auf den Talent-Compilations der “Youngsters Of Vienna”-Serie, die im Jahr 1984 auf den Markt gekommen sind und die man heute nur mehr mit Glück oder zu geschnalzenen Rarity-Preisen finden kann. Und nun, 39 Jahre später, sind die beiden Tracks – “Kleine Segelschiffe” und “Einsamkeit” – auf einer hübschen 7”-Single wieder erhältlich. New Wave meets Reggae-Pop meets Philly-Disco. Und wer sich eingehend mit derartigen Boogie/Disco/Wave-Sounds auseinandersetzen möchte und dabei die Diskographien von heimischen 80er-Labels wie RST Records, Lion Baby, J. Robin Records, MPA, oder Tyrolis unter die Lupe nimmt, der merkt, dass da noch einige hochkarätige – bisher noch unentdeckte – Perlen vor sich hin schlummern. Mehr dazu einer künftigen Ausgabe der FM4 Schnitzelbeats.

Schnitzelbeats

Bachelor Records/Bachelor Archives

Novaks Kapelle - “Hypodermic Needle / Doing That Rhythm Thing” (Bachelor Records/Bachelor Archives)

Schnitzelbeats

Bachelor Records/Bachelor Archives

Novaks Kapelle - “Not Enough Poison / Smile Please” (Bachelor Records/Bachelor Archives)

Noch bevor es Drahdiwaberl gab, war Novaks Kapelle die kontroversiellste österreichische Rockgruppe der 1970er-Jahre. Diese unangepasste Formation wählte damals häufig den Weg der Provokation, um bei Publikum und Kritikern in Erinnerung zu bleiben. Und mit dieser Öffentlichkeitswirkung nahm Novaks Kapelle dann sogar Einfluss auf die Entwicklung des Punk in Österreich.

Wer Lust darauf, sich in die bewegte Bandgeschichte einzulesen, kann das in einem alten Beitrag der Schnitzelbeats tun. Allen Anfang nahm die Karriere von Novaks Kapelle in den späten 60er-Jahren, als sie als unangepasste und hartgesottene Psychedelic Rock-Combo aus dem Wiener Underground für Furore im österreichischen Boulevard sorgten. Diese Frühphase der einflussreichen Formation wurde nun vom Salzburger Label Bachelor Records/Bachelor Archives aufgearbeitet, das die ersten beiden Singles aus den Jahren 1968 (“Hypodermic Needle / Doing That Rhythm Thing”) und 1969 (“Not Enough Poison / Smile Please”) re-released hat. Wieder eine schöne Gelegenheit, österreichische Musikgeschichte neu zu entdecken.

Danke für die Aufmerksamkeit – wir hören uns im Juli wieder!

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