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Sophia Blenda

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Der Song zum Sonntag

Sophia Blenda - „Wie laut es war“

Sophie Löw ist Sophia Blenda. Die Vokalistin der Gruppe Culk veröffentlicht mit „Wie laut es war“ ihr fantastisches Solodebüt.

Von Christoph Sepin

Da war mal der tobende Post-Rock und das Gewitter der Instrumente von Culk, einer der besten Bands nicht nur dieses Landes, jetzt ist es Zeit für Stille: „Wie laut es war“ heißt der erste Solotrack von Sophie Löw als Sophia Blenda. In Culk hat sie sich mit Ungerechtigkeiten, Macht und Druck und dem Bullshit des Patriarchats auseinandergesetzt. Die große Stimme nach außen, jetzt wirkt Sophia Blenda introspektiv, die Worte sind nicht weniger wichtig geworden.

Ruhe, Pausen, Nachdenken, darüber, wie laut es eben war. Alles, was gewesen ist, alles, was sein hätte können. Der Blick zurück, tief in die Erinnerungen hinein. Das ist nicht unbedingt bequem (wie die meiste gute Musik), soll das aber wohl auch gar nicht sein. Nimm dieses Lied und konfrontiere dich selbst damit, das könnte man sich hier vornehmen. Oder man folgt der Geschichte, die Sophia Blenda über minimalistische Instrumentierung erzählt.

„Still gelegte Feuer aus dritter Hand“, so beginnt dieser Song über zuerst noch vorsichtiges Klavier, „können Jahre besetzen, sie drückt dich dicht an die Wand“. Zeilen sind dicht gedrängte Metaphern und Bilder, das ist zwar nicht vage, aber auch nicht ganz klar. Wie viele Erinnerungen, von denen man weiß, es ist irgendwann einmal wirklich passiert, aber die Erinnerung fühlt sich trotzdem an wie ein Traum oder eine Geschichte, die jemand anderes einmal erzählt hat.

„Wie laut es war“ ist ein „Liebesbrief im Sinne von Anerkennung“, das sagt Sophia Blenda über ihren Song. Es geht um Menschen aus ihrem Leben, es geht um persönliche Erfahrungen und Momente, um Schwere und Schwierigkeiten und komplexes Zusammenleben und Kommunizieren von zwei Menschen, um Macht und Kontrolle. „Still befohlene Sätze aus zweitem Mund, die niemand außer dir jemals zu hören bekommt“.

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Ein Song als Aussprache unter vier Augen, an der wir teilnehmen können. „Wer gibt dir den Befehl, der so früh in deine jungen Hände fiel“, das klingt nach kritischer Auseinandersetzung, wichtiger als das Abgrenzen voneinander sind aber doch die Gemeinsamkeiten: „Am wichtigsten ist mir aber die Zeile ‚Wir halten dich weiter ohne Ungeduld‘, weil sie diese unglaubliche Stärke ausdrückt, die Menschen entwickeln können, wenn sie zusammenhalten“.

Spätestens, wenn Sophia Blenda über zunehmende Orchestrierung, über Wellen und Nebelfelder „Stimmen, die nicht mehr untergehen“ singt, klingt sie wie Anja Plaschg alias Soap&Skin. „Und Schlingen, die nicht mehr aufgehen“, noch so eine arge Zeile in diesem Refrain. Um diese gemeinsame Einsamkeit, das Gefühl der Distanz, wie das oft entstehen kann, wenn man sich eigentlich am nächsten ist, zu visualisieren, teilen im Musikvideo zwei Freund*innen diese allerwichtigsten, kleinen Momente. Sich etwas vorlesen, Musik vorspielen, warten und auf der Schulter der anderen Person einschlafen.

Nicht nur Instrumente, auch Metaphern werden zum Finale hin intensiver: „Als dein Steinbruch abgetragen war, ich Zement in deinen gefrorenen Haaren sah“, spricht Sophia Blenda über den Piano-Loop, „dachte ich, alles zerrinnt und du kommst als Fels zu mir“. Bevor die Stille diesen Song plötzlich beendet, noch einmal die Erinnerung an den Lärm, den man nur gemeinsam erfahren hat: „Dann können Straßen wieder Straßen sein, niemand versteht, wie laut es war.“

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