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Universal gegen TikTok: Warum der Streit vor allem kleinen Artists schadet

Universal zieht immer mehr Musik von der Plattform ab und zeigt mit diesem Beef anschaulich, in welche Co-Abhängigkeit sich die Musikindustrie da eigentlich begeben hat.

Von Verena Bogner

„The Great War“: Das ist nicht nur der Titel eines Songs von Taylor Swift, so könnte man auch das bezeichnen, was gerade zwischen TikTok und der Universal Music Group abgeht. Denn „The Great War“ ist einer von vielen Tracks aus dem Universal-Katalog, die auf der Plattform aufgrund eines Streits zwischen den beiden Giganten nicht mehr verfügbar sind. Und das ist nicht nur für TikToker:innen schlecht, die Videos gerne mit ihren Lieblingssongs von Taylor & Co. unterlegen.

Der Konflikt begann, weil TikTok kein neues „Licensing Agreement“ mit Universal zustande brachte: Die Plattenfirma fand, dass TikTok zu wenig für die Verwendung der Tracks bezahlte und sich außerdem nicht genügend gegen AI-Fakes stark machte. Universal behauptete außerdem, dass TikTok Musik von kleineren Artists gezielt von der Plattform verschwinden ließ und nur größere Künstler:innen pushte, um Macht gegenüber dem Label zu demonstrieren, was TikTok wiederum als „falsches Narrativ“ bezeichnete.

Das alles ist jedenfalls der Grund, warum Songs von Artists wie Taylor Swift, BTS oder auch Ski Aggu nicht mehr auf der Plattform verfügbar sind. Expert:innen schätzen übrigens, dass nun insgesamt bis zu 80 Prozent der Musik von TikTok verschwinden könnte, TikTok selbst spricht von 20 bis 30 Prozent. Wie viel es letzten Endes auch immer ist, das ganze Drama zeigt anschaulich, in welche Co-Dependenz sich die Musikindustrie in den letzten Jahren zu TikTok begeben hat.

Jetzt geht das Ganze sogar noch weiter: Nun verschwindet auch Musik von TikTok, die zum Beispiel ein Sample eines Universal-Artists beinhaltet oder von einem solchen mitgeschrieben wurde. Ganz egal, ob dieser Universal-Artist nur 1 Prozent zum Songwriting beigetragen oder den kompletten Song geschrieben hat. TikTok-User:innen müssen sich jetzt also auch von Songs wie „As It Was“ von Harry Styles oder „Kill Bill“ von SZA verabschieden – zwei Songs, die vor allem durch die Plattform groß geworden sind. Apropos „durch die Plattform groß geworden“: Das trifft nicht nur auf einzelne Songs zu, sondern auf komplette Karrieren kleinerer, neuerer Künstler:innen wie Ski Aggu. Es ist fraglich, wo seine Karriere wäre, wenn er nicht auf TikTok mit „Friesenjung“ viral gegangen wäre. Artists wie er verlieren für künftige Releases damit auch noch ihre wichtigste Kernzielgruppe und die Chance auf einen viralen TikTok-Hit.

Genauso leiden aber auch etablierte Artists darunter, wenn ihre Songs nicht auf TikTok präsent sind. Immer wieder gehen ältere Hits wie „Silver Springs“ oder „Dreams“ von Fleetwood Mac viral, genauso wie TikTok einem Revival von Lady Gagas „Bloody Mary“ verholfen hat, einem Albumtrack, der nur bei Fans beliebt und überhaupt bekannt war. Sophie Ellis-Bextor hätte sicher auch kein so großes Comeback ihres Hits „Murder on the Dancefloor“ erlebt, der nach dem Film „Saltburn“ auf TikTok viral ging und schließlich sogar wieder in die Charts einstieg.

Aber nicht alle Musiker:innen leben in (zumindest nach außen hin) glücklicher Symbiose mit der Plattform: Künstler:innen wie Florence Welch haben immer wieder offen darüber gesprochen, wie sehr der TikTok-Fokus der Musikindustrie sie nervt. Ein offenes Geheimnis ist außerdem, dass manche Labels Musik so „designen“, dass sie auf der Plattform viral geht, zum Beispiel mithilfe von bekannten Samples. Und dass sie Musik manchmal sogar erst dann veröffentlichen, wenn Snippets genug TikTok-Fame generiert haben, und sie somit sichergehen können, dass aus dem Song ein kommerzieller Erfolg wird.

Mittlerweile haben diesen Trick so gut wie alle Labels und Artists verstanden – was wiederum dazu führt, dass aufgrund der schieren Masse an hoffentlich-viralen Songs ohnehin wieder nur etablierte Artists durchstechen. Vielleicht ist das TikTok-Musik-Game also einfach ausgespielt. Dass jetzt allem Anschein nach neue Zeiten in Sachen TikTok und Musik anbrechen, ist daher keine große Überraschung, aber vor allem für neue Universal-Artists fatal. Und wahrscheinlich für TikTok selbst – denn es wird mit großer Sicherheit dazu führen, dass User:innen weniger Zeit auf der Plattform verbringen. Wer weiß, ob sich TikTok dann nicht doch irgendwann den Forderungen von Universal beugt – und das Spiel wieder von vorne losgeht.

Was übrig bleibt, ist allenfalls das Geschmäckle, dass die Musikindustrie ein bisschen zu große Hoffnungen in TikTok gesteckt und sich zu sehr darauf konzentriert hat, was auf dieser einen Plattform funktioniert. Es ist derselbe Fehler, den Medienhäuser in den 2010ern mit Facebook gemacht haben. Es ging letzten Endes nur noch um die Frage, wie man den bizarren Algorithmus füttert, und nicht um die Inhalte.

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