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Buchcover: Eine Berghütte, darüber ein unnatürlich bunter Himmel

Elster & Salis

„Die erste Attacke“ - Helikoptereltern im Notfallmodus

Dass der geplante Familienurlaub keine Erholung bringen wird, ist dem Protagonisten von Jakob Pretterhofers Roman „Die erste Attacke“ schon vor Anbruch der Reise klar. Doch welche Abgründe sich in diesem satirischen Psychothriller auftun werden, kann er sich anfangs nicht vorstellen.

Von Simon Welebil

Mit anderen gemeinsam auf Urlaub zu fahren, kann gewaltig schief gehen, vor allem, wenn man unterschiedliche Vorstellungen von dessen Ablauf hat. Besser also, man weiß zuvor, worauf man sich einlässt. Das wichtigste Kriterium der drei Familien, die in Jakob Pretterhofers Roman „Die erste Attacke“ gemeinsam Urlaub machen, ist, dass die Elternpaare dem „gesunden Kinderschlaf" die Wichtigkeit beimessen, die ihm gebührt.

Auf die drei Bobo-Familien der Bründlmayers, der Riedls und der des namenlosen Protagonisten trifft das unweigerlich zu, denn "[m]ittlerweile sind alle unsere Freunde im Prinzip unserer Meinung beziehungsweise sind die, die anderer Meinung sind, nicht mehr unsere Freunde“, wie er in seinen Tagebucheinträgen schreibt, aus denen der Roman besteht.

Jakob Pretterhofer

Mark Gerstorfer

Jakob Pretterhofer

Urlaub als Albtraum im Bergidyll

Gleich am Anfang kann man vermuten, dass sich bei diesen Familien fast alles um die Kinder dreht, allesamt im Volksschulalter. Wie arg über deren Wohlergehen gewacht wird, wird in immer absurderen Szenen im Urlaub auf der abgelegenen Berghütte schnell deutlich. Von regelmäßigen, spontanen Brandschutzübungen, Überwachung mit Video-Apps und Traumtagebüchern bis zu Sport- und Entspannungseinheiten vor den ausgedehnten Einschlafzeremonien sind die Tagesabläufe ganz auf die Kinder ausgerichtet.

Das übergeordnete Ziel dieser Tagesstrukturen ist, die Kinder vor Albträumen zu beschützen, der „Krankheit unserer Zeit“ und gleichzeitig ein gesellschaftliches Tabu.

Buchcover: Eine Berghütte, darüber ein unnatürlich bunter Himmel

Elster & Salis

„Die erste Attacke“ von Jakob Pretterhofer ist bei Elster & Salis erschienen.

Als in der Bergidylle die Zügel etwas lockerer gehalten werden, stellt sich unweigerlich der erste Zwischenfall ein, ein Kind beginnt im Matratzenlager zu schreien, die Fassade fängt an zu bröckeln. Beschuldigungen sind schnell bei der Hand, Streit auch, die Stimmung kippt im Nu. Als dann auch noch die Kinder zu rebellieren beginnen, kommen immer mehr unheimliche Wahrheiten ans Tageslicht, und über allem schwebt die titelgebende, aber unbestimmte „erste Attacke“.

Böse Fallen, noch bösere Auswege

Autor Jakob Pretterhofer, der an der Filmakademie Wien Buch und Dramaturgie studiert hat, weiß natürlich, wie er Konflikte inszenieren muss. Schon in der Figurenkonstellation legt er Spannungen an: Die Bründlmayers sind Karrierist:innen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg auch gerne herzeigen, das Ehepaar Riedl Streber:innen, die Familie des Protagonisten Hipster, deren Vorstellungen nun auf engem Raum aufeinandertreffen, mit den Kindern als Katalysator.

Um diesen Stoff so gut umsetzen zu können, muss man entweder selbst Kinder haben oder bei Spielplatzgesprächen ein guter Zuhörer gewesen sein. Zwischen Asyl und Zuckerkonsum legt Pretterhofer jede Menge thematische Minenfelder aus, in die er seine Bobo-Protagonist:innen mit Vergnügen durchwandern lässt.

„Die erste Attacke“ ist wunderbare Unterhaltung voller Situationskomik. Ein böses Buch, um sich am Schicksal von Eltern zu ergötzen oder über sich selber zu lachen.

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