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Wie das Palästina-Protestcamp in der Uni Wien für Aufregung sorgt

Das Protestcamp in der Uni Wien ist klein, aber schon am zweiten Tag gibt es große mediale und politische Aufregung.

Von Ali Cem Deniz

„Was sagen Sie dazu, dass man Sie in Gaza von einem Dach runterstoßen würde?“ fragt ein Journalist einer internationalen Nachrichtenagentur mehrmals eine Sprecherin des Protestcamps. Die Sprecherin antwortet zunächst damit, dass die größte Gefahr für sie von den Kriegshandlungen ausgehen würde. Doch der Journalist legt nach und fragt, ob sie dem nicht zustimmen würde, dass eine Frau mit westlichen Werten in Gaza nicht lange überleben würde.

Die angespannte Pressekonferenz ist am zweiten Tag der Höhepunkt des Medienzirkus rund um den Protestcamp, doch dazu später mehr.

Ein Zeltlager im Campus

Als ich am Vormittag am Campus ankomme, fühlt sich alles wie immer an. Studierende spazieren durch die Höfe des alten AKH, manche Leute joggen, am Spielplatz spielen Kinder. Im größten Hof haben gestern Demonstrant:innen das Zeltlager nach den amerikanischen Vorbildern errichtet. Das Camp ist größtenteils abgeschirmt mit Transparenten. Darauf ist etwa zu lesen „Antizionism is not Antisemitism“. Unter einer Palästina-Flagge ist ein Schild zu sehen mit „Jüd*innen gegen Genozid“.

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Die Menschen im Lager, es sind am Vormittag ungefähr 30-40, schauen größtenteils aus wie Studierende. Wer sie wirklich sind, kann man nicht sagen, denn mit den Medien wollen sie nicht reden. Wenn man sie fragt, antworten sie, dass sie noch besprechen müssen, wer Medienfragen beantworten wird. Sie fordern ein Ende des Krieges in Gaza, aber auch eine „Demilitarisierung“ österreichischer Unis. Sie werfen den österreichischen Unis vor, mit Forschung die Waffen und Rüstungsproduktion zu unterstützen. Währenddessen beobachtet ein immer größer werdendes Publikum aus Journalist:innen von außen das Lager.

Die Demonstrant:innen holen sich Kaffee, eine Gruppe sitzt im Kreis und diskutiert „On Palestine“ von Noam Chomsky und Ilan Pappé. Mit mir reden einige Demonstrant:innen deutsch, aber untereinander reden sie größtenteils Englisch.

Kritik und Unterstützung für die Demo

Während ich, wie die anderen Medien, auf ein Interview warte, geht ein Mann vorbei und spuckt auf dem Boden. Von der anderen Seite höre ich ein „schleichts euch“. Dann sehe ich einen jungen Mann, der „free palestine“ Sticker herunterreißt und sie mit Stickern gegen Antisemitismus überklebt. Es ist ein Philosophie-Student, der mir erzählt, dass er nichts von den Protesten hält.

„Weil es halt unter so einem studentischen, friedlichen und offenen Mantel anti-zionistische Hetze verbreitet. Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man, dass das gegen die Existenz eines jüdischen Staates in jeder Form ist“ sagt er. Die vermummten Demonstrierenden würden nur gegen Israel auftreten, aber nie den Terror der Hamas kritisieren, sagt er.

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Ein anderer Student, der vorsichtig zuschaut, erzählt mir, dass er die Proteste gut findet, weil sie auf die Situation in Gaza aufmerksam machen. Gleichzeitig findet er die Form nicht so gut. So ein Lager sei performativ und würde nichts bringen, und im schlimmsten Fall seien die Demonstrierenden Polizeigewalt ausgesetzt.

Er wünscht sich von der Uni Wien, dass sie die Studierenden vor Polizeigewalt schützt. Den Vorwurf des Antisemitismus lehnt er ab: „Sehen Sie hier etwas, dass Sie antisemitisch auffassen?“ fragt er. Trotzdem betont er, dass man ein Auge auf Gruppen haben müsse, die aus einem „problematischen Spektrum“ sind, aber Antisemitismus sei für ihn in erster Linie ein rechtes Problem.

Eine angespannte Pressekonferenz

Schließlich gibt es Bewegung im Camp und wir bekommen die Meldung, dass eine Sprecherin bereit ist, in englischer Sprache Interviews zu geben. Die Demonstrantin tritt aus dem Lager hervor und die anderen Journalist:innen und ich stürzen auf sie zu. Ein Reporter einer internationalen Agentur fängt mit den Fragen an. Er fragt sie, welche Rolle Österreich überhaupt in dem Konflikt spiele oder warum sie nicht gegen den Krieg in Sudan oder die Verfolgung von Minderheiten in China protestiere. Die Demonstrantin beantwortet die Fragen, bis es dann eben zu dem Moment kommt, wo es gar nicht mehr so sehr um den Protest geht. Kritiker:innen würden meinen, dass eine Frau wie sie in Gaza nicht überleben würde oder dass man sie dort zwingen würde ein Kopftuch zu tragen (Anmerkung: im Gaza-Streifen gibt es keine Kopftuchpflicht).

Aus dem Hintergrund ruft eine andere Journalistin, ob die Protestierenden auch bei der Holocaust-Forschung die Zusammenarbeit mit israelischen Unis beenden wollen. Und sie will wissen, warum sie Englisch sprechen und ob sie überhaupt Studierende der Uni Wien seien. Die Demonstrant:innen scheinen tatsächlich kein allzu großes Interesse für Transparenz zu haben. Viele sind vermummt, diejenigen, die reden, wollen anonym bleiben.

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Die Situation eskaliert langsam, die Protestierenden wollen die spontane Pressekonferenz abbrechen. Ich frage schließlich, ob es einen Dialog mit der Uni Wien gibt. Weder die Uni noch die Polizei habe bisher mit ihnen kommuniziert, sagt mir die Sprecherin. Die Uni Wien und auch die Österreichische Hochschüler:innenschaft haben sich vom Protestlager distanziert. Klar antisemitische Gruppen würden sich am Protest beteiligen, heißt es von der ÖH.

Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) kritisiert in einer Stellungnahme das „Encampment“ scharf: „In unserem Land gilt die Freiheit der Wissenschaft, jedoch lassen wir null Toleranz gegenüber jeglicher Form von extremistischen und anti-israelischen Haltungen walten“. Eine Räumung durch die Polizei, wie sie an amerikanischen Unis zu sehen war, soll aber laut Uni Wien und Polizei nicht bevorstehen.

Wahrscheinlich wird das Lager auch deshalb geduldet, weil es unwahrscheinlich ist, dass der Protest viel größer wird. Im Gegensatz zu den amerikanischen Unis, blockieren die Demonstrant:innen nicht den Lehrbetrieb. Dass dieses kleine Lager in so kurzer Zeit für so viel Aufregung sorgt zeigt aber, wie geladen und polarisierend die Debatte über den Nahost-Konflikt in Österreich geführt wird.

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FM4 Auf Laut am 7. Mai – Der Nahost-Konflikt und die Proteste

Im Gaza-Krieg kommen die Verhandlungen nicht weiter, die israelische Armee bereitet einen Angriff auf die Stadt Rafah vor. An den amerikanischen Unis eskalieren die Proteste zwischen Polizeigewalt und Antisemitismus-Vorwürfen, und auch bei uns gibt es an Unis Proteste. Wir sprechen in FM4 Auf Laut mit Expert:innen und Studierenden über die aktuelle Phase des Nahost-Konflikts und wie wir mit der aufgeheizten Situation umgehen können. Am 7. Mai ab 21 Uhr auf FM4.

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