Sex, Pastis und Eifersucht in „Der Swimmingpool“ von 1969
„Der Swimmingpool“, das ist schon nach wenigen Szenen klar, ist gedreht worden, bevor das Label „französischer Film“ ein sicherer Garant für bedeutungsschwangere Worthülsen und erotischen Voyeurismus der Superlative war.
Tatsächlich ist es nämlich so: "Der Swimmingpool“ hat selbst maßgeblich die Klischees des französischen Kinos, konkreter, der Nouvelle Vague geprägt. Damals aber war es Avantgarde, dass eine nackte Romy Schneider (unglaublich schön) sich auf den gelangweilt zur Seite blickenden Alain Delon (unglaublich schön) legen und ihn fragen kann, „Was denkst du?“, und er daraufhin irgendetwas in seinen nicht vorhandenen Bart murmelt von Augen, Blicken und Liebe. Mir fällt keine Gattung des Kinos ein, die eine ähnliche Meisterschaft im intellektuellen Aufpimpen entwickelt hat wie die Nouvelle Vague. Es ist großartig. Großartig langweilig, großartig schön und großartig untergegangen.

Der Swimmingpool
Alain Delon verliert die Fassung
Romy und Alain also, sie spielen ein Ehepaar, urlauben in St. Tropez. Sie sind jung, die Kamera wird nicht müde, ihre Körper abzufahren. Man residiert in einer Villa mit Pool und Haushälterin. Die Luft flirrt vor Hitze, man liegt, isst und trinkt unter der prallen Sonne. Es kommt ein Freund, ein eher grobschlächtiger Typ (nicht so wunderschön, eh klar, Romy fällt ihm trotzdem um den Hals), mit seiner Tochter. Letztere dargestellt von der sehr jungen Jane Birkin in einer Kaum-Sprech-Rolle, sie stakst um einen künstlichen Teich, fläzt sich in den Designer-Hängesessel, alles an ihr ist lang und dürr, selbst die Zigarette, die sie raucht.

Der Swimmingpool
Im Moment des Erscheinens dieser Lolita verliert Alain Delon die Fassung. Auch das natürlich großartig. In diesem Film, zu dieser Zeit war Begehren, erotisches Verlangen gänzlich unverstellt, völlig offen, wie hier der rund 30-Jährige einer 16-Jährigen nachstellt. Man versteht, warum gerade in Frankreich die #metoo-Debatte zwischen strafrechtlicher Relevanz und erotischem Spiel derart hitzig geführt wird. Apropos hitzig: Gegessen und getrunken wird in diesem südfranzösischen Anwesen mit Hausdame prinzipiell in der prallen Sonne.

Der Swimmingpool
Der Film ist in vielerlei Hinsicht ein Klassiker: Man kann ihn sich wegen seiner genialen 60er-Jahre-Ausstattung anschauen, wegen Romy Schneider und Alain Delon natürlich, ja vielleicht sogar wegen der Langeweile. Denn es zeugt von Großzügigkeit, von einem ganz und gar anderen Verständnis von Unterhaltung und Zeit, wie wenig in dem Film – immerhin ein Thriller mit einem Mord – tatsächlich passiert. Hier ist nämlich von vornherein klar, dass es der Ermordete nicht anders verdient.
Publiziert am 15.08.2020